dann die jüngeren Parteigenossen zu begeisterter Zustimmung hinriß, den älteren aber große Bedenken und dem bisherigen Führer, Weidig, sogar Abscheu einflößte. Das war ja der leibhaftige Jakobinismus, den er so ängstlich haßte -- was sollte, wenn solche Prinzipien durchdrangen, aus seinem Traum von einem Protestantischen Kaiserthum werden?! So wider- setzte er sich denn auf's Aeußerste, viel heftiger und ener- gischer, als in der Organisations-Frage, aber es ist ein schlagender Beweis für den überwiegenden Einfluß, den sich Büchner binnen kurzer Zeit zu erringen gewußt, daß Weidig auch in dieser wichtigeren Frage nachgeben und noch ganz anders nachgeben mußte, wie früher! Wieder kam es zu einem Compromiß: Weidig sollte in seinen Flugschriften auch fernerhin auf die Constitutionellen zu wirken suchen, Büchner hingegen in den seinigen auf die große Masse; aber diesmal verpflichteten sich Beide zu gegenseitiger Unterstützung bezüglich Druck und Verbreitung. In Ausführung dieser Vereinbarung ließ Weidig noch ein fünftes Blatt des "Leuchters" erscheinen, ferner einige Aufrufe an die hessischen Wahlmänner, an die hessischen Stände u. s. w., Büchner hingegen eine einzige Flugschrift, für welche er den von Weidig vorge- schlagenen Titel "der Hessische Landbote" acceptirte.
Dieses merkwürdige Pamphlet, auf welches man nicht allzu hyperbolisch das Wort Lessings über Leisewitz und sein Drama: "Eines -- aber ein Löwe!" anwenden könnte, findet sich in der vorliegenden Ausgabe zum ersten Male den Werken Büchner's vollinhaltlich eingefügt, und was zur Textrecension, sowie zur Erläuterung einzelner Stellen zu sagen war, haben wir S. 282 ff. zusammengetragen. Hier aber wird uns die Pflicht, die Details seiner Entstehung zu
dann die jüngeren Parteigenoſſen zu begeiſterter Zuſtimmung hinriß, den älteren aber große Bedenken und dem bisherigen Führer, Weidig, ſogar Abſcheu einflößte. Das war ja der leibhaftige Jakobinismus, den er ſo ängſtlich haßte — was ſollte, wenn ſolche Prinzipien durchdrangen, aus ſeinem Traum von einem Proteſtantiſchen Kaiſerthum werden?! So wider- ſetzte er ſich denn auf's Aeußerſte, viel heftiger und ener- giſcher, als in der Organiſations-Frage, aber es iſt ein ſchlagender Beweis für den überwiegenden Einfluß, den ſich Büchner binnen kurzer Zeit zu erringen gewußt, daß Weidig auch in dieſer wichtigeren Frage nachgeben und noch ganz anders nachgeben mußte, wie früher! Wieder kam es zu einem Compromiß: Weidig ſollte in ſeinen Flugſchriften auch fernerhin auf die Conſtitutionellen zu wirken ſuchen, Büchner hingegen in den ſeinigen auf die große Maſſe; aber diesmal verpflichteten ſich Beide zu gegenſeitiger Unterſtützung bezüglich Druck und Verbreitung. In Ausführung dieſer Vereinbarung ließ Weidig noch ein fünftes Blatt des "Leuchters" erſcheinen, ferner einige Aufrufe an die heſſiſchen Wahlmänner, an die heſſiſchen Stände u. ſ. w., Büchner hingegen eine einzige Flugſchrift, für welche er den von Weidig vorge- ſchlagenen Titel "der Heſſiſche Landbote" acceptirte.
Dieſes merkwürdige Pamphlet, auf welches man nicht allzu hyperboliſch das Wort Leſſings über Leiſewitz und ſein Drama: "Eines — aber ein Löwe!" anwenden könnte, findet ſich in der vorliegenden Ausgabe zum erſten Male den Werken Büchner's vollinhaltlich eingefügt, und was zur Textrecenſion, ſowie zur Erläuterung einzelner Stellen zu ſagen war, haben wir S. 282 ff. zuſammengetragen. Hier aber wird uns die Pflicht, die Details ſeiner Entſtehung zu
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[CXI/0127]
dann die jüngeren Parteigenoſſen zu begeiſterter Zuſtimmung
hinriß, den älteren aber große Bedenken und dem bisherigen
Führer, Weidig, ſogar Abſcheu einflößte. Das war ja der
leibhaftige Jakobinismus, den er ſo ängſtlich haßte — was
ſollte, wenn ſolche Prinzipien durchdrangen, aus ſeinem Traum
von einem Proteſtantiſchen Kaiſerthum werden?! So wider-
ſetzte er ſich denn auf's Aeußerſte, viel heftiger und ener-
giſcher, als in der Organiſations-Frage, aber es iſt ein
ſchlagender Beweis für den überwiegenden Einfluß, den ſich
Büchner binnen kurzer Zeit zu erringen gewußt, daß
Weidig auch in dieſer wichtigeren Frage nachgeben und noch
ganz anders nachgeben mußte, wie früher! Wieder kam es
zu einem Compromiß: Weidig ſollte in ſeinen Flugſchriften
auch fernerhin auf die Conſtitutionellen zu wirken ſuchen,
Büchner hingegen in den ſeinigen auf die große Maſſe; aber
diesmal verpflichteten ſich Beide zu gegenſeitiger Unterſtützung
bezüglich Druck und Verbreitung. In Ausführung dieſer
Vereinbarung ließ Weidig noch ein fünftes Blatt des "Leuchters"
erſcheinen, ferner einige Aufrufe an die heſſiſchen Wahlmänner,
an die heſſiſchen Stände u. ſ. w., Büchner hingegen eine
einzige Flugſchrift, für welche er den von Weidig vorge-
ſchlagenen Titel "der Heſſiſche Landbote" acceptirte.
Dieſes merkwürdige Pamphlet, auf welches man nicht
allzu hyperboliſch das Wort Leſſings über Leiſewitz und ſein
Drama: "Eines — aber ein Löwe!" anwenden könnte, findet
ſich in der vorliegenden Ausgabe zum erſten Male den
Werken Büchner's vollinhaltlich eingefügt, und was zur
Textrecenſion, ſowie zur Erläuterung einzelner Stellen zu
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/127>, abgerufen am 24.11.2024.
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