wahl in Oberhessen unermüdlich zu agitiren, auch für den zahmsten Liberalen, sofern diesem etwa ein Regierungscandidat gegenüber stand. Aber andrerseits hielt er auch bei aller Elasticität eisern an seinen Principien fest, nicht blos, was die Endziele betrifft, sondern auch, so weit ihm die Kraft reichte, in der Auswahl der Mittel.
So fragmentarisch diese Charakteristik des merkwürdigen Mannes sein mag -- sie läßt doch sofort erkennen, daß zwischen ihm und Georg Büchner ein unversönlicher Wider- streit des Wesens und der Ueberzeugungen waltete. Wenn August Becker drei Jahre später vor dem hessischen Kriminal- gericht (seine Aussagen finden sich S. 409-418 zur Be- gründung und näheren Ausführung unserer Darstellung ab- gedruckt) ganz nebenbei meinte, daß Beide in Manchem übereingestimmt, so ist er die nähere Detaillirung schuldig geblieben; was er anführt, sind nur Gegensätze. Wie hätte dies auch anders sein können?! Weidig, der fromme, gottbegeisterte Jugendbildner und Büchner, der atheistische Naturforscher, Weidig, der fanatische Anhänger der mittel- alterlichen Erbkaiseridee und Büchner, der radikale Repu- blikaner, Weidig, der Mann der christlich-germanischen Schwärmerei und Büchner, der klare, entschiedene, von modernsten Ideen durchtränkte Jüngling -- lag nicht schon in Beider Wesen der Grund zu baldiger Entzweiung?! Gleichwohl hören wir nur von vorübergehenden Conflicten (vgl. S. 417), im Wesentlichen und nach Außen hin wirkten Beide einträchtig zusammen. Was sie einte, war sicherlich die schlimme Lage der Partei und die richtige Einsicht, daß ihnen mindestens das nächste Stück Wegs gemeinsam sei, daneben aber auch der vermittelnde Einfluß einer edlen Frau,
wahl in Oberheſſen unermüdlich zu agitiren, auch für den zahmſten Liberalen, ſofern dieſem etwa ein Regierungscandidat gegenüber ſtand. Aber andrerſeits hielt er auch bei aller Elaſticität eiſern an ſeinen Principien feſt, nicht blos, was die Endziele betrifft, ſondern auch, ſo weit ihm die Kraft reichte, in der Auswahl der Mittel.
So fragmentariſch dieſe Charakteriſtik des merkwürdigen Mannes ſein mag — ſie läßt doch ſofort erkennen, daß zwiſchen ihm und Georg Büchner ein unverſönlicher Wider- ſtreit des Weſens und der Ueberzeugungen waltete. Wenn Auguſt Becker drei Jahre ſpäter vor dem heſſiſchen Kriminal- gericht (ſeine Ausſagen finden ſich S. 409-418 zur Be- gründung und näheren Ausführung unſerer Darſtellung ab- gedruckt) ganz nebenbei meinte, daß Beide in Manchem übereingeſtimmt, ſo iſt er die nähere Detaillirung ſchuldig geblieben; was er anführt, ſind nur Gegenſätze. Wie hätte dies auch anders ſein können?! Weidig, der fromme, gottbegeiſterte Jugendbildner und Büchner, der atheiſtiſche Naturforſcher, Weidig, der fanatiſche Anhänger der mittel- alterlichen Erbkaiſeridee und Büchner, der radikale Repu- blikaner, Weidig, der Mann der chriſtlich-germaniſchen Schwärmerei und Büchner, der klare, entſchiedene, von modernſten Ideen durchtränkte Jüngling — lag nicht ſchon in Beider Weſen der Grund zu baldiger Entzweiung?! Gleichwohl hören wir nur von vorübergehenden Conflicten (vgl. S. 417), im Weſentlichen und nach Außen hin wirkten Beide einträchtig zuſammen. Was ſie einte, war ſicherlich die ſchlimme Lage der Partei und die richtige Einſicht, daß ihnen mindeſtens das nächſte Stück Wegs gemeinſam ſei, daneben aber auch der vermittelnde Einfluß einer edlen Frau,
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Elaſticität eiſern an ſeinen Principien feſt, nicht blos, was
die Endziele betrifft, ſondern auch, ſo weit ihm die Kraft
reichte, in der Auswahl der Mittel.
So fragmentariſch dieſe Charakteriſtik des merkwürdigen
Mannes ſein mag — ſie läßt doch ſofort erkennen, daß
zwiſchen ihm und Georg Büchner ein unverſönlicher Wider-
ſtreit des Weſens und der Ueberzeugungen waltete. Wenn
Auguſt Becker drei Jahre ſpäter vor dem heſſiſchen Kriminal-
gericht (ſeine Ausſagen finden ſich S. 409-418 zur Be-
gründung und näheren Ausführung unſerer Darſtellung ab-
gedruckt) ganz nebenbei meinte, daß Beide in Manchem
übereingeſtimmt, ſo iſt er die nähere Detaillirung ſchuldig
geblieben; was er anführt, ſind nur Gegenſätze. Wie hätte
dies auch anders ſein können?! Weidig, der fromme,
gottbegeiſterte Jugendbildner und Büchner, der atheiſtiſche
Naturforſcher, Weidig, der fanatiſche Anhänger der mittel-
alterlichen Erbkaiſeridee und Büchner, der radikale Repu-
blikaner, Weidig, der Mann der chriſtlich-germaniſchen
Schwärmerei und Büchner, der klare, entſchiedene, von
modernſten Ideen durchtränkte Jüngling — lag nicht ſchon
in Beider Weſen der Grund zu baldiger Entzweiung?!
Gleichwohl hören wir nur von vorübergehenden Conflicten
(vgl. S. 417), im Weſentlichen und nach Außen hin wirkten
Beide einträchtig zuſammen. Was ſie einte, war ſicherlich
die ſchlimme Lage der Partei und die richtige Einſicht, daß
ihnen mindeſtens das nächſte Stück Wegs gemeinſam ſei,
daneben aber auch der vermittelnde Einfluß einer edlen Frau,
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/117>, abgerufen am 24.11.2024.
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