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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Qual steigerte. Muß man auch, wie oben angedeutet,
Einiges der sentimentalen Sprache der Zeit, Anderes seinem
trüben Gemüthszustand zuschreiben, es bleibt genug übrig,
um uns begreifen zu lassen, daß er diese Last endlich um
jeden Preis von seinem Herzen ablösen wollte: -- "ich bin
mir selbst schuldig," schreibt er, "einem unerträglichen Zustande
ein Ende zu machen". Hierzu kam noch, daß ihn im
Vorfrühling 1834 bedenkliche Nachrichten über das körper-
liche Befinden seines Mädchens erschreckten, endlich der
Wunsch, für das heimliche Verlöbniß die Zustimmung der
beiden Elternpaare zu erringen. Doch ging diesbezüglich die
Anregung von Minna aus, sei es, daß sich ihre Empfindung
gegen die Fortspinnung eines heimlichen Verhältnisses auf-
lehnte, oder daß ihr zeitweilig um die Treue des fernen
Geliebten bange werden wollte. Büchner fügte sich sofort,
obwohl beide so jung waren, -- er kaum Zwanzig vorbei,
sie kaum Achtzehn -- und die Aussicht auf Vermählung
noch recht ferne lag: "Was kann ich sagen," schreibt er,
"als daß ich Dich liebe; was versprechen, als was in dem
Worte Liebe schon liegt, Treue? Student noch zwei Jahre;
die gewisse Aussicht auf ein stürmisches Leben, vielleicht
bald auf fremden Boden". Die letztere Andeutung be-
weist, wie tief er sich bereits in jene revolutionären Be-
strebungen verwickelt fühlte und schon damals jene Eventuali-
tät in Rechnung zog, die ein Jahr später wirklich eintrat:
die Nothwendigkeit einer Flucht in's Ausland. Auch dieser
Umstand konnte Büchners Qualitäten als Heirathscandidat
nicht gerade erhöhen, gleichwohl wagte er, aus Zartgefühl,
keinerlei Einrede und stellte nur zwei Bedingungen: daß er
selbst seine Eltern hievon unterrichte und ferner -- "Schweigen,

Qual ſteigerte. Muß man auch, wie oben angedeutet,
Einiges der ſentimentalen Sprache der Zeit, Anderes ſeinem
trüben Gemüthszuſtand zuſchreiben, es bleibt genug übrig,
um uns begreifen zu laſſen, daß er dieſe Laſt endlich um
jeden Preis von ſeinem Herzen ablöſen wollte: — "ich bin
mir ſelbſt ſchuldig," ſchreibt er, "einem unerträglichen Zuſtande
ein Ende zu machen". Hierzu kam noch, daß ihn im
Vorfrühling 1834 bedenkliche Nachrichten über das körper-
liche Befinden ſeines Mädchens erſchreckten, endlich der
Wunſch, für das heimliche Verlöbniß die Zuſtimmung der
beiden Elternpaare zu erringen. Doch ging diesbezüglich die
Anregung von Minna aus, ſei es, daß ſich ihre Empfindung
gegen die Fortſpinnung eines heimlichen Verhältniſſes auf-
lehnte, oder daß ihr zeitweilig um die Treue des fernen
Geliebten bange werden wollte. Büchner fügte ſich ſofort,
obwohl beide ſo jung waren, — er kaum Zwanzig vorbei,
ſie kaum Achtzehn — und die Ausſicht auf Vermählung
noch recht ferne lag: "Was kann ich ſagen," ſchreibt er,
"als daß ich Dich liebe; was verſprechen, als was in dem
Worte Liebe ſchon liegt, Treue? Student noch zwei Jahre;
die gewiſſe Ausſicht auf ein ſtürmiſches Leben, vielleicht
bald auf fremden Boden". Die letztere Andeutung be-
weiſt, wie tief er ſich bereits in jene revolutionären Be-
ſtrebungen verwickelt fühlte und ſchon damals jene Eventuali-
tät in Rechnung zog, die ein Jahr ſpäter wirklich eintrat:
die Nothwendigkeit einer Flucht in's Ausland. Auch dieſer
Umſtand konnte Büchners Qualitäten als Heirathscandidat
nicht gerade erhöhen, gleichwohl wagte er, aus Zartgefühl,
keinerlei Einrede und ſtellte nur zwei Bedingungen: daß er
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[XCI/0107] Qual ſteigerte. Muß man auch, wie oben angedeutet, Einiges der ſentimentalen Sprache der Zeit, Anderes ſeinem trüben Gemüthszuſtand zuſchreiben, es bleibt genug übrig, um uns begreifen zu laſſen, daß er dieſe Laſt endlich um jeden Preis von ſeinem Herzen ablöſen wollte: — "ich bin mir ſelbſt ſchuldig," ſchreibt er, "einem unerträglichen Zuſtande ein Ende zu machen". Hierzu kam noch, daß ihn im Vorfrühling 1834 bedenkliche Nachrichten über das körper- liche Befinden ſeines Mädchens erſchreckten, endlich der Wunſch, für das heimliche Verlöbniß die Zuſtimmung der beiden Elternpaare zu erringen. Doch ging diesbezüglich die Anregung von Minna aus, ſei es, daß ſich ihre Empfindung gegen die Fortſpinnung eines heimlichen Verhältniſſes auf- lehnte, oder daß ihr zeitweilig um die Treue des fernen Geliebten bange werden wollte. Büchner fügte ſich ſofort, obwohl beide ſo jung waren, — er kaum Zwanzig vorbei, ſie kaum Achtzehn — und die Ausſicht auf Vermählung noch recht ferne lag: "Was kann ich ſagen," ſchreibt er, "als daß ich Dich liebe; was verſprechen, als was in dem Worte Liebe ſchon liegt, Treue? Student noch zwei Jahre; die gewiſſe Ausſicht auf ein ſtürmiſches Leben, vielleicht bald auf fremden Boden". Die letztere Andeutung be- weiſt, wie tief er ſich bereits in jene revolutionären Be- ſtrebungen verwickelt fühlte und ſchon damals jene Eventuali- tät in Rechnung zog, die ein Jahr ſpäter wirklich eintrat: die Nothwendigkeit einer Flucht in's Ausland. Auch dieſer Umſtand konnte Büchners Qualitäten als Heirathscandidat nicht gerade erhöhen, gleichwohl wagte er, aus Zartgefühl, keinerlei Einrede und ſtellte nur zwei Bedingungen: daß er ſelbſt ſeine Eltern hievon unterrichte und ferner — "Schweigen,

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XCI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/107>, abgerufen am 25.11.2024.