pilzes sind so klein, daß ein menschliches Blutkörperchen unter dem Mikroskop als ein Riese gegen dieselben er- scheint: die Blutkörperchen selbst aber sind von solcher Kleinheit, daß ein Tropfen Blut mehr als fünf Millio- nen derselben enthält. Jn jenem Samenkorne lebt die organische Kraft der Fortpflanzung, eine besondere kom- plicirte Zusammenordnung der stofflichen Elemente, von der wir uns keinen Begriff machen können, da unsere Sehkraft hier ein Ende hat. -- Ein Atom nennen wir einen kleinsten Stofftheil, den wir uns als nicht mehr theilbar vorstellen, und denken uns allen Stoff aus solchen Atomen zusammengesetzt und durch gegenseitige An- und Abstoßung derselben existirend und seine Eigen- schaften erhaltend. Aber das Wort Atom ist nur ein Ausdruck für eine uns nothwendige und von uns äußer- lich an den Stoff herangebrachte Vorstellung, eine Vor- stellung, welcher wir für gewisse äußere Zwecke bedürfen. Ein wirklicher Begriff von dem Dinge, das wir Atom nennen, geht uns vollkommen ab; wir wissen nichts von seiner Größe, Form, Zusammensetzung etc. Niemand hat es gesehen. Und die spekulativen Philosophen leugnen die Existenz der Atome, weil sie nicht zugeben, daß ein Ding existiren könne, das man sich nicht als weiter theilbar vorstellen könne. Somit führen uns weder Be- obachtung, noch Nachdenken in der Betrachtung des Stoffes im Kleinsten an einen Punkt, an dem angelangt
pilzes ſind ſo klein, daß ein menſchliches Blutkörperchen unter dem Mikroſkop als ein Rieſe gegen dieſelben er- ſcheint: die Blutkörperchen ſelbſt aber ſind von ſolcher Kleinheit, daß ein Tropfen Blut mehr als fünf Millio- nen derſelben enthält. Jn jenem Samenkorne lebt die organiſche Kraft der Fortpflanzung, eine beſondere kom- plicirte Zuſammenordnung der ſtofflichen Elemente, von der wir uns keinen Begriff machen können, da unſere Sehkraft hier ein Ende hat. — Ein Atom nennen wir einen kleinſten Stofftheil, den wir uns als nicht mehr theilbar vorſtellen, und denken uns allen Stoff aus ſolchen Atomen zuſammengeſetzt und durch gegenſeitige An- und Abſtoßung derſelben exiſtirend und ſeine Eigen- ſchaften erhaltend. Aber das Wort Atom iſt nur ein Ausdruck für eine uns nothwendige und von uns äußer- lich an den Stoff herangebrachte Vorſtellung, eine Vor- ſtellung, welcher wir für gewiſſe äußere Zwecke bedürfen. Ein wirklicher Begriff von dem Dinge, das wir Atom nennen, geht uns vollkommen ab; wir wiſſen nichts von ſeiner Größe, Form, Zuſammenſetzung ꝛc. Niemand hat es geſehen. Und die ſpekulativen Philoſophen leugnen die Exiſtenz der Atome, weil ſie nicht zugeben, daß ein Ding exiſtiren könne, das man ſich nicht als weiter theilbar vorſtellen könne. Somit führen uns weder Be- obachtung, noch Nachdenken in der Betrachtung des Stoffes im Kleinſten an einen Punkt, an dem angelangt
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pilzes ſind ſo klein, daß ein menſchliches Blutkörperchen
unter dem Mikroſkop als ein Rieſe gegen dieſelben er-
ſcheint: die Blutkörperchen ſelbſt aber ſind von ſolcher
Kleinheit, daß ein Tropfen Blut mehr als fünf Millio-
nen derſelben enthält. Jn jenem Samenkorne lebt die
organiſche Kraft der Fortpflanzung, eine beſondere kom-
plicirte Zuſammenordnung der ſtofflichen Elemente, von
der wir uns keinen Begriff machen können, da unſere
Sehkraft hier ein Ende hat. — Ein Atom nennen wir
einen kleinſten Stofftheil, den wir uns als nicht mehr
theilbar vorſtellen, und denken uns allen Stoff aus
ſolchen Atomen zuſammengeſetzt und durch gegenſeitige
An- und Abſtoßung derſelben exiſtirend und ſeine Eigen-
ſchaften erhaltend. Aber das Wort Atom iſt nur ein
Ausdruck für eine uns nothwendige und von uns äußer-
lich an den Stoff herangebrachte Vorſtellung, eine Vor-
ſtellung, welcher wir für gewiſſe äußere Zwecke bedürfen.
Ein wirklicher Begriff von dem Dinge, das wir Atom
nennen, geht uns vollkommen ab; wir wiſſen nichts von
ſeiner Größe, Form, Zuſammenſetzung ꝛc. Niemand hat
es geſehen. Und die ſpekulativen Philoſophen leugnen
die Exiſtenz der Atome, weil ſie nicht zugeben, daß ein
Ding exiſtiren könne, das man ſich nicht als weiter
theilbar vorſtellen könne. Somit führen uns weder Be-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/42>, abgerufen am 24.11.2024.
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