Kenntniß und Wahrheit und die Ueberzeugung von der äußeren Nothwendigkeit einer gesellschaftlichen und mora- lischen Ordnung ersetzt ihnen mit Leichtigkeit Religion und Zukunft. Und sollte dennoch jene Erkenntniß, allge- meiner geworden, dazu beitragen, das Streben nach augenblicklichem Genuß in den Menschen, dessen Stärke übrigens zu allen Zeiten auffallend genug war und auch heute noch ist, noch zu vermehren, so könnten wir uns mit den Worten Moleschott's trösten: "Kaum dürfte jemals die Jrrlehre der Genußsucht nur halbsoviel Nach- folger finden, wie die Herrschaft der Pfaffen aller Far- ben unglückselige Schlachtopfer gefunden hat." -- Jndessen muß es uns erlaubt sein, von allen derartigen Moral- oder Nützlichkeits-Fragen vollkommen abzusehen. Der oberste und einzig bestimmende Gesichtspunkt liegt in der Wahrheit. Die Natur ist nicht um der Herren Hofrath Wagner und Genossen, sondern um ihrer selbst willen da. Was können wir anders thun, als sie neh- men, wie sie ist? Würden wir uns nicht einem gerechten Spotte aussetzen, wollten wir wie kleine Kinder Thränen darüber vergießen, daß unsere Butterbemme nicht dick genug gestrichen ist! "Die empirische Naturforschung," sagt Cotta, "hat keinen andern Zweck, als die Wahr- heit zu finden, ob dieselbe nach menschlichen Begriffen beruhigend oder trostlos, schön oder unästhetisch, logisch
Kenntniß und Wahrheit und die Ueberzeugung von der äußeren Nothwendigkeit einer geſellſchaftlichen und mora- liſchen Ordnung erſetzt ihnen mit Leichtigkeit Religion und Zukunft. Und ſollte dennoch jene Erkenntniß, allge- meiner geworden, dazu beitragen, das Streben nach augenblicklichem Genuß in den Menſchen, deſſen Stärke übrigens zu allen Zeiten auffallend genug war und auch heute noch iſt, noch zu vermehren, ſo könnten wir uns mit den Worten Moleſchott’s tröſten: „Kaum dürfte jemals die Jrrlehre der Genußſucht nur halbſoviel Nach- folger finden, wie die Herrſchaft der Pfaffen aller Far- ben unglückſelige Schlachtopfer gefunden hat.‟ — Jndeſſen muß es uns erlaubt ſein, von allen derartigen Moral- oder Nützlichkeits-Fragen vollkommen abzuſehen. Der oberſte und einzig beſtimmende Geſichtspunkt liegt in der Wahrheit. Die Natur iſt nicht um der Herren Hofrath Wagner und Genoſſen, ſondern um ihrer ſelbſt willen da. Was können wir anders thun, als ſie neh- men, wie ſie iſt? Würden wir uns nicht einem gerechten Spotte ausſetzen, wollten wir wie kleine Kinder Thränen darüber vergießen, daß unſere Butterbemme nicht dick genug geſtrichen iſt! „Die empiriſche Naturforſchung,‟ ſagt Cotta, „hat keinen andern Zweck, als die Wahr- heit zu finden, ob dieſelbe nach menſchlichen Begriffen beruhigend oder troſtlos, ſchön oder unäſthetiſch, logiſch
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Kenntniß und Wahrheit und die Ueberzeugung von der
äußeren Nothwendigkeit einer geſellſchaftlichen und mora-
liſchen Ordnung erſetzt ihnen mit Leichtigkeit Religion
und Zukunft. Und ſollte dennoch jene Erkenntniß, allge-
meiner geworden, dazu beitragen, das Streben nach
augenblicklichem Genuß in den Menſchen, deſſen Stärke
übrigens zu allen Zeiten auffallend genug war und auch
heute noch iſt, noch zu vermehren, ſo könnten wir uns
mit den Worten Moleſchott’s tröſten: „Kaum dürfte
jemals die Jrrlehre der Genußſucht nur halbſoviel Nach-
folger finden, wie die Herrſchaft der Pfaffen aller Far-
ben unglückſelige Schlachtopfer gefunden hat.‟ — Jndeſſen
muß es uns erlaubt ſein, von allen derartigen Moral-
oder Nützlichkeits-Fragen vollkommen abzuſehen. Der
oberſte und einzig beſtimmende Geſichtspunkt liegt in
der Wahrheit. Die Natur iſt nicht um der Herren
Hofrath Wagner und Genoſſen, ſondern um ihrer ſelbſt
willen da. Was können wir anders thun, als ſie neh-
men, wie ſie iſt? Würden wir uns nicht einem gerechten
Spotte ausſetzen, wollten wir wie kleine Kinder Thränen
darüber vergießen, daß unſere Butterbemme nicht dick
genug geſtrichen iſt! „Die empiriſche Naturforſchung,‟
ſagt Cotta, „hat keinen andern Zweck, als die Wahr-
heit zu finden, ob dieſelbe nach menſchlichen Begriffen
beruhigend oder troſtlos, ſchön oder unäſthetiſch, logiſch
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/286>, abgerufen am 28.11.2024.
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