werden können, als die der Menschen. Welche merk- würdigen Dinge sehen wir oft von abgerichteten Thieren geleistet! Welch' anderes Wesen ist ein dressirter Jagd- hund, als ein gewöhnlicher Hund derselben Klasse! Diese Dressur ist nicht, wie man sich dieses wohl vorstellt, eine bloß mechanische, sondern beruht auf wirklicher Er- ziehung und dem Begreiflichmachen gewisser zu erreichen- der Zwecke an das Thier. Oder wäre es möglich, daß ein Hund ein Wild "stehen" könne, ohne daß er die Absicht dieser Procedur vorher eingesehen hätte? Daß die Erziehung des Thieres auf eine langsame und mühe- volle Weise vor sich geht, liegt nicht in dem Begriffs- mangel desselben, sondern hauptsächlich in der Unmöglich- keit der directen Mittheilung; es müssen dieselben Mittel angewendet werden -- und sie werden es in der That -- welche der mühevolle Unterricht des Taubstummen er- fordert.
So kann der allmählige Uebergang, welcher durch unzählige Mittelstufen vom Thiere zum Menschen statt- findet, sowohl nach geistigen, als nach körperlichen Qua- litäten, nur mehr von Denen geleugnet werden, welche es lieben, ihre eigene Ansicht über die Thatsachen zu setzen. Alle jene bekannten Unterscheidungszeichen, welche man im Jnteresse einer strengen Trennung geltend ge- macht hat, sind ihrer Natur nach nur relative, keine ab- soluten. Wie könnte es auch anders sein? Die unendlich
werden können, als die der Menſchen. Welche merk- würdigen Dinge ſehen wir oft von abgerichteten Thieren geleiſtet! Welch’ anderes Weſen iſt ein dreſſirter Jagd- hund, als ein gewöhnlicher Hund derſelben Klaſſe! Dieſe Dreſſur iſt nicht, wie man ſich dieſes wohl vorſtellt, eine bloß mechaniſche, ſondern beruht auf wirklicher Er- ziehung und dem Begreiflichmachen gewiſſer zu erreichen- der Zwecke an das Thier. Oder wäre es möglich, daß ein Hund ein Wild „ſtehen‟ könne, ohne daß er die Abſicht dieſer Procedur vorher eingeſehen hätte? Daß die Erziehung des Thieres auf eine langſame und mühe- volle Weiſe vor ſich geht, liegt nicht in dem Begriffs- mangel deſſelben, ſondern hauptſächlich in der Unmöglich- keit der directen Mittheilung; es müſſen dieſelben Mittel angewendet werden — und ſie werden es in der That — welche der mühevolle Unterricht des Taubſtummen er- fordert.
So kann der allmählige Uebergang, welcher durch unzählige Mittelſtufen vom Thiere zum Menſchen ſtatt- findet, ſowohl nach geiſtigen, als nach körperlichen Qua- litäten, nur mehr von Denen geleugnet werden, welche es lieben, ihre eigene Anſicht über die Thatſachen zu ſetzen. Alle jene bekannten Unterſcheidungszeichen, welche man im Jntereſſe einer ſtrengen Trennung geltend ge- macht hat, ſind ihrer Natur nach nur relative, keine ab- ſoluten. Wie könnte es auch anders ſein? Die unendlich
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werden können, als die der Menſchen. Welche merk-
würdigen Dinge ſehen wir oft von abgerichteten Thieren
geleiſtet! Welch’ anderes Weſen iſt ein dreſſirter Jagd-
hund, als ein gewöhnlicher Hund derſelben Klaſſe! Dieſe
Dreſſur iſt nicht, wie man ſich dieſes wohl vorſtellt,
eine bloß mechaniſche, ſondern beruht auf wirklicher Er-
ziehung und dem Begreiflichmachen gewiſſer zu erreichen-
der Zwecke an das Thier. Oder wäre es möglich, daß
ein Hund ein Wild „ſtehen‟ könne, ohne daß er die
Abſicht dieſer Procedur vorher eingeſehen hätte? Daß
die Erziehung des Thieres auf eine langſame und mühe-
volle Weiſe vor ſich geht, liegt nicht in dem Begriffs-
mangel deſſelben, ſondern hauptſächlich in der Unmöglich-
keit der directen Mittheilung; es müſſen dieſelben Mittel
angewendet werden — und ſie werden es in der That —
welche der mühevolle Unterricht des Taubſtummen er-
fordert.
So kann der allmählige Uebergang, welcher durch
unzählige Mittelſtufen vom Thiere zum Menſchen ſtatt-
findet, ſowohl nach geiſtigen, als nach körperlichen Qua-
litäten, nur mehr von Denen geleugnet werden, welche
es lieben, ihre eigene Anſicht über die Thatſachen zu
ſetzen. Alle jene bekannten Unterſcheidungszeichen, welche
man im Jntereſſe einer ſtrengen Trennung geltend ge-
macht hat, ſind ihrer Natur nach nur relative, keine ab-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/258>, abgerufen am 25.11.2024.
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