ein Getraidefeld zu plündern, führt er alle seine Glieder, Männchen und Weibchen, alte und junge, mit sich. Vor- posten, unter den ältesten des Stammes, die man leicht an ihrem reichlichen Haarwuchs erkennt, gewählt, durch- forschen sorgsam jede Schlucht, ehe sie hinabsteigen, und erklettern alle Felsen, von denen aus man die Umgegend überschauen kann. Andere Vedetten stehen auf den Sei- ten und im Rückhalt, ihre Wachsamkeit ist merkwürdig. Von Zeit zu Zeit rufen sie sich an und antworten einander, um anzuzeigen, ob Alles gut geht oder ob Ge- fahr vorhanden ist. Jhr Geschrei ist so scharf betont, so mannigfach, so deutlich, daß man es endlich versteht oder wenigstens zu verstehen glaubt etc. Beim geringsten Alarmruf macht die ganze Truppe Halt und horcht, bis ein zweiter Schrei von verschiedener Jntonation sie wieder in Marsch setzt etc." -- Wohl, sagt man endlich, die Thiere haben auch eine Sprache, aber sie ist der Aus- bildung nicht fähig. -- Wieder eine Behauptung ohne Grund. Was können wir von der Ausbildung der Thiersprache wissen, da uns doch das Verständniß der- selben abgeht! Und welcher Ausbildung ist denn die Sprache eines Negers fähig oder überhaupt jener wilden Völkerschaften, von denen uns die Reisenden erzählen, daß sie mehr durch Zeichen, als durch Töne reden! Da- gegen wissen wir von den geistigen Fähigkeiten der Thiere im Allgemeinen, daß sie ebensowohl ausgebildet, erzogen
ein Getraidefeld zu plündern, führt er alle ſeine Glieder, Männchen und Weibchen, alte und junge, mit ſich. Vor- poſten, unter den älteſten des Stammes, die man leicht an ihrem reichlichen Haarwuchs erkennt, gewählt, durch- forſchen ſorgſam jede Schlucht, ehe ſie hinabſteigen, und erklettern alle Felſen, von denen aus man die Umgegend überſchauen kann. Andere Vedetten ſtehen auf den Sei- ten und im Rückhalt, ihre Wachſamkeit iſt merkwürdig. Von Zeit zu Zeit rufen ſie ſich an und antworten einander, um anzuzeigen, ob Alles gut geht oder ob Ge- fahr vorhanden iſt. Jhr Geſchrei iſt ſo ſcharf betont, ſo mannigfach, ſo deutlich, daß man es endlich verſteht oder wenigſtens zu verſtehen glaubt ꝛc. Beim geringſten Alarmruf macht die ganze Truppe Halt und horcht, bis ein zweiter Schrei von verſchiedener Jntonation ſie wieder in Marſch ſetzt ꝛc.‟ — Wohl, ſagt man endlich, die Thiere haben auch eine Sprache, aber ſie iſt der Aus- bildung nicht fähig. — Wieder eine Behauptung ohne Grund. Was können wir von der Ausbildung der Thierſprache wiſſen, da uns doch das Verſtändniß der- ſelben abgeht! Und welcher Ausbildung iſt denn die Sprache eines Negers fähig oder überhaupt jener wilden Völkerſchaften, von denen uns die Reiſenden erzählen, daß ſie mehr durch Zeichen, als durch Töne reden! Da- gegen wiſſen wir von den geiſtigen Fähigkeiten der Thiere im Allgemeinen, daß ſie ebenſowohl ausgebildet, erzogen
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ein Getraidefeld zu plündern, führt er alle ſeine Glieder,
Männchen und Weibchen, alte und junge, mit ſich. Vor-
poſten, unter den älteſten des Stammes, die man leicht
an ihrem reichlichen Haarwuchs erkennt, gewählt, durch-
forſchen ſorgſam jede Schlucht, ehe ſie hinabſteigen, und
erklettern alle Felſen, von denen aus man die Umgegend
überſchauen kann. Andere Vedetten ſtehen auf den Sei-
ten und im Rückhalt, ihre Wachſamkeit iſt merkwürdig.
Von Zeit zu Zeit rufen ſie ſich an und antworten
einander, um anzuzeigen, ob Alles gut geht oder ob Ge-
fahr vorhanden iſt. Jhr Geſchrei iſt ſo ſcharf betont,
ſo mannigfach, ſo deutlich, daß man es endlich verſteht
oder wenigſtens zu verſtehen glaubt ꝛc. Beim geringſten
Alarmruf macht die ganze Truppe Halt und horcht, bis
ein zweiter Schrei von verſchiedener Jntonation ſie wieder
in Marſch ſetzt ꝛc.‟ — Wohl, ſagt man endlich, die
Thiere haben auch eine Sprache, aber ſie iſt der Aus-
bildung nicht fähig. — Wieder eine Behauptung ohne
Grund. Was können wir von der Ausbildung der
Thierſprache wiſſen, da uns doch das Verſtändniß der-
ſelben abgeht! Und welcher Ausbildung iſt denn die
Sprache eines Negers fähig oder überhaupt jener wilden
Völkerſchaften, von denen uns die Reiſenden erzählen,
daß ſie mehr durch Zeichen, als durch Töne reden! Da-
gegen wiſſen wir von den geiſtigen Fähigkeiten der Thiere
im Allgemeinen, daß ſie ebenſowohl ausgebildet, erzogen
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/257>, abgerufen am 25.11.2024.
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