"Schlachtkraft" ist, sondern nur Gesammtsumme der un- zähligen Kräfte und Combinationen, welche bei einem solchen Vorgange thätig sind. Die Lebenskraft ist deß- wegen kein Princip, sondern nur ein Resultat. -- Wenn nun so schon nach allgemeinen naturphilosophischen Gründen es unmöglich erscheinen muß, daß Ausnahms- gesetze für die organische Welt existiren -- so erscheint diese Wahrheit noch deutlicher und augenfälliger im Ein- zelnen und an concreten Verhältnissen. Chemie und Physik waren im Stande, die augenfälligsten Beweise dafür zu liefern, daß die bekannten anorganischen Kräfte in der lebenden Natur ganz in derselben Weise thätig sind, wie in der todten -- und das Wirken dieser Kräfte innerhalb des pflanzlichen oder thierischen Organismus mitunter bis in seine letzten und feinsten Combinationen zu ver- folgen und darzuthun. Es ist gegenwärtig allgemein anerkannt, daß die Physiologie oder die Lehre vom Leben ohne Chemie und Physik nicht mehr sein kann, und daß kein physiologischer Vorgang ohne chemische oder physi- kalische Kräfte möglich ist. "Die Chemie", sagt Mialhe, "hat unzweifelhaft, entweder als Ursache oder als Wir- kung, einen Antheil an der Schöpfung, am Wachsthum und am Bestehen aller lebenden Wesen. Die Funktionen der Respiration, der Verdauung, der Assimilation und der Secretion geschehen nur auf chemischem Wege; die Chemie allein ist im Stande, uns die Geheimnisse dieser
„Schlachtkraft‟ iſt, ſondern nur Geſammtſumme der un- zähligen Kräfte und Combinationen, welche bei einem ſolchen Vorgange thätig ſind. Die Lebenskraft iſt deß- wegen kein Princip, ſondern nur ein Reſultat. — Wenn nun ſo ſchon nach allgemeinen naturphiloſophiſchen Gründen es unmöglich erſcheinen muß, daß Ausnahms- geſetze für die organiſche Welt exiſtiren — ſo erſcheint dieſe Wahrheit noch deutlicher und augenfälliger im Ein- zelnen und an concreten Verhältniſſen. Chemie und Phyſik waren im Stande, die augenfälligſten Beweiſe dafür zu liefern, daß die bekannten anorganiſchen Kräfte in der lebenden Natur ganz in derſelben Weiſe thätig ſind, wie in der todten — und das Wirken dieſer Kräfte innerhalb des pflanzlichen oder thieriſchen Organismus mitunter bis in ſeine letzten und feinſten Combinationen zu ver- folgen und darzuthun. Es iſt gegenwärtig allgemein anerkannt, daß die Phyſiologie oder die Lehre vom Leben ohne Chemie und Phyſik nicht mehr ſein kann, und daß kein phyſiologiſcher Vorgang ohne chemiſche oder phyſi- kaliſche Kräfte möglich iſt. „Die Chemie‟, ſagt Mialhe, „hat unzweifelhaft, entweder als Urſache oder als Wir- kung, einen Antheil an der Schöpfung, am Wachsthum und am Beſtehen aller lebenden Weſen. Die Funktionen der Reſpiration, der Verdauung, der Aſſimilation und der Secretion geſchehen nur auf chemiſchem Wege; die Chemie allein iſt im Stande, uns die Geheimniſſe dieſer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0239"n="219"/>„Schlachtkraft‟ iſt, ſondern nur Geſammtſumme der un-<lb/>
zähligen Kräfte und Combinationen, welche bei einem<lb/>ſolchen Vorgange thätig ſind. Die Lebenskraft iſt deß-<lb/>
wegen kein Princip, ſondern nur ein Reſultat. — Wenn<lb/>
nun ſo ſchon nach allgemeinen naturphiloſophiſchen<lb/>
Gründen es unmöglich erſcheinen muß, daß Ausnahms-<lb/>
geſetze für die organiſche Welt exiſtiren —ſo erſcheint<lb/>
dieſe Wahrheit noch deutlicher und augenfälliger im Ein-<lb/>
zelnen und an concreten Verhältniſſen. Chemie und Phyſik<lb/>
waren im Stande, die augenfälligſten Beweiſe dafür zu<lb/>
liefern, daß die bekannten anorganiſchen Kräfte in der<lb/><hirendition="#g">lebenden</hi> Natur ganz in derſelben Weiſe thätig ſind, wie<lb/>
in der <hirendition="#g">todten</hi>— und das Wirken dieſer Kräfte innerhalb<lb/>
des pflanzlichen oder thieriſchen Organismus mitunter<lb/>
bis in ſeine letzten und feinſten Combinationen zu ver-<lb/>
folgen und darzuthun. Es iſt gegenwärtig allgemein<lb/>
anerkannt, daß die Phyſiologie oder die Lehre vom Leben<lb/>
ohne Chemie und Phyſik nicht mehr ſein kann, und daß<lb/>
kein phyſiologiſcher Vorgang ohne chemiſche oder phyſi-<lb/>
kaliſche Kräfte möglich iſt. „Die Chemie‟, ſagt <hirendition="#g">Mialhe</hi>,<lb/>„hat unzweifelhaft, entweder als Urſache oder als Wir-<lb/>
kung, einen Antheil an der Schöpfung, am Wachsthum<lb/>
und am Beſtehen aller lebenden Weſen. Die Funktionen<lb/>
der Reſpiration, der Verdauung, der Aſſimilation und<lb/>
der Secretion geſchehen nur auf chemiſchem Wege; die<lb/>
Chemie allein iſt im Stande, uns die Geheimniſſe dieſer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[219/0239]
„Schlachtkraft‟ iſt, ſondern nur Geſammtſumme der un-
zähligen Kräfte und Combinationen, welche bei einem
ſolchen Vorgange thätig ſind. Die Lebenskraft iſt deß-
wegen kein Princip, ſondern nur ein Reſultat. — Wenn
nun ſo ſchon nach allgemeinen naturphiloſophiſchen
Gründen es unmöglich erſcheinen muß, daß Ausnahms-
geſetze für die organiſche Welt exiſtiren — ſo erſcheint
dieſe Wahrheit noch deutlicher und augenfälliger im Ein-
zelnen und an concreten Verhältniſſen. Chemie und Phyſik
waren im Stande, die augenfälligſten Beweiſe dafür zu
liefern, daß die bekannten anorganiſchen Kräfte in der
lebenden Natur ganz in derſelben Weiſe thätig ſind, wie
in der todten — und das Wirken dieſer Kräfte innerhalb
des pflanzlichen oder thieriſchen Organismus mitunter
bis in ſeine letzten und feinſten Combinationen zu ver-
folgen und darzuthun. Es iſt gegenwärtig allgemein
anerkannt, daß die Phyſiologie oder die Lehre vom Leben
ohne Chemie und Phyſik nicht mehr ſein kann, und daß
kein phyſiologiſcher Vorgang ohne chemiſche oder phyſi-
kaliſche Kräfte möglich iſt. „Die Chemie‟, ſagt Mialhe,
„hat unzweifelhaft, entweder als Urſache oder als Wir-
kung, einen Antheil an der Schöpfung, am Wachsthum
und am Beſtehen aller lebenden Weſen. Die Funktionen
der Reſpiration, der Verdauung, der Aſſimilation und
der Secretion geſchehen nur auf chemiſchem Wege; die
Chemie allein iſt im Stande, uns die Geheimniſſe dieſer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/239>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.