Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn wir auch vom sinnlich empirischen Standpunkt
nicht einsehen, wie eine ewige Fortdauer möglich sei,
so muß sie doch möglich sein; denn sie liegt in dem, was
über alle Natur erhaben ist." Solche Decrete können
natürlich nur für Den Gültigkeit haben, der mit Gewalt
glauben will, der sie also eigentlich nicht nöthig hat;
alle Anderen werden es natürlich finden, daß man an
eine streitige Frage den Maßstab menschlich-geistiger Er-
kenntniß lege und untersuche, ob sich Schlüsse bezüglich
derselben aus Erfahrung, Vernunft und Naturkenntnissen
ziehen lassen. Bei dieser Untersuchung werden sie finden,
daß Fichte Recht hatte, als er verlangte, daß man Ver-
nunft und sinnliche Erkenntniß an den Nagel hängen
müsse, um die Wahrheit der persönlichen Fortdauer zu
begreifen. -- Kaum einen größeren Werth, als diese
philosophischen Decrete, haben die Erfindungen einzelner
Naturphilosophen, welche glauben, auf hypothetischem
Wege wissenschaftliche Anhaltspunkte für die individuelle
Unsterblichkeit liefern zu können. So entdeckte Herr
Drossbach, daß jeder Weltkörper eine endliche Anzahl
selbstbewußtseinsfähiger Monaden enthält, die
nach und nach zur Entwicklung des Bewußtseins gelangen,
beim Tode aber wieder zurückfallen. Entweder in sehr
später Zeit oder auf anderen Weltkörpern treten diese
Monaden wieder zusammen und bilden einen neuen Men-
schen mit Erinnerung an sein früheres Leben!! Diese

Wenn wir auch vom ſinnlich empiriſchen Standpunkt
nicht einſehen, wie eine ewige Fortdauer möglich ſei,
ſo muß ſie doch möglich ſein; denn ſie liegt in dem, was
über alle Natur erhaben iſt.‟ Solche Decrete können
natürlich nur für Den Gültigkeit haben, der mit Gewalt
glauben will, der ſie alſo eigentlich nicht nöthig hat;
alle Anderen werden es natürlich finden, daß man an
eine ſtreitige Frage den Maßſtab menſchlich-geiſtiger Er-
kenntniß lege und unterſuche, ob ſich Schlüſſe bezüglich
derſelben aus Erfahrung, Vernunft und Naturkenntniſſen
ziehen laſſen. Bei dieſer Unterſuchung werden ſie finden,
daß Fichte Recht hatte, als er verlangte, daß man Ver-
nunft und ſinnliche Erkenntniß an den Nagel hängen
müſſe, um die Wahrheit der perſönlichen Fortdauer zu
begreifen. — Kaum einen größeren Werth, als dieſe
philoſophiſchen Decrete, haben die Erfindungen einzelner
Naturphiloſophen, welche glauben, auf hypothetiſchem
Wege wiſſenſchaftliche Anhaltspunkte für die individuelle
Unſterblichkeit liefern zu können. So entdeckte Herr
Drossbach, daß jeder Weltkörper eine endliche Anzahl
ſelbſtbewußtſeinsfähiger Monaden enthält, die
nach und nach zur Entwicklung des Bewußtſeins gelangen,
beim Tode aber wieder zurückfallen. Entweder in ſehr
ſpäter Zeit oder auf anderen Weltkörpern treten dieſe
Monaden wieder zuſammen und bilden einen neuen Men-
ſchen mit Erinnerung an ſein früheres Leben!! Dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="207"/>
Wenn wir auch vom &#x017F;innlich empiri&#x017F;chen Standpunkt<lb/>
nicht ein&#x017F;ehen, <hi rendition="#g">wie</hi> eine ewige Fortdauer möglich &#x017F;ei,<lb/>
&#x017F;o muß &#x017F;ie doch möglich &#x017F;ein; denn &#x017F;ie liegt in dem, was<lb/>
über alle Natur erhaben i&#x017F;t.&#x201F; Solche Decrete können<lb/>
natürlich nur für <hi rendition="#g">Den</hi> Gültigkeit haben, der mit Gewalt<lb/>
glauben <hi rendition="#g">will,</hi> der &#x017F;ie al&#x017F;o eigentlich nicht nöthig hat;<lb/>
alle Anderen werden es natürlich finden, daß man an<lb/>
eine &#x017F;treitige Frage den Maß&#x017F;tab men&#x017F;chlich-gei&#x017F;tiger Er-<lb/>
kenntniß lege und unter&#x017F;uche, ob &#x017F;ich Schlü&#x017F;&#x017F;e bezüglich<lb/>
der&#x017F;elben aus Erfahrung, Vernunft und Naturkenntni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ziehen la&#x017F;&#x017F;en. Bei die&#x017F;er Unter&#x017F;uchung werden &#x017F;ie finden,<lb/>
daß Fichte Recht hatte, als er verlangte, daß man Ver-<lb/>
nunft und &#x017F;innliche Erkenntniß an den Nagel hängen<lb/>&#x017F;&#x017F;e, um die Wahrheit der per&#x017F;önlichen Fortdauer zu<lb/>
begreifen. &#x2014; Kaum einen größeren Werth, als die&#x017F;e<lb/>
philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Decrete, haben die Erfindungen einzelner<lb/>
Naturphilo&#x017F;ophen, welche glauben, auf hypotheti&#x017F;chem<lb/>
Wege wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Anhaltspunkte für die individuelle<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit liefern zu können. So entdeckte Herr<lb/><hi rendition="#g">Drossbach,</hi> daß jeder Weltkörper eine endliche Anzahl<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;tbewußt&#x017F;einsfähiger Monaden</hi> enthält, die<lb/>
nach und nach zur Entwicklung des Bewußt&#x017F;eins gelangen,<lb/>
beim Tode aber wieder zurückfallen. Entweder in &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;päter Zeit oder auf anderen Weltkörpern treten die&#x017F;e<lb/>
Monaden wieder zu&#x017F;ammen und bilden einen neuen Men-<lb/>
&#x017F;chen mit Erinnerung an &#x017F;ein früheres Leben!! Die&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0227] Wenn wir auch vom ſinnlich empiriſchen Standpunkt nicht einſehen, wie eine ewige Fortdauer möglich ſei, ſo muß ſie doch möglich ſein; denn ſie liegt in dem, was über alle Natur erhaben iſt.‟ Solche Decrete können natürlich nur für Den Gültigkeit haben, der mit Gewalt glauben will, der ſie alſo eigentlich nicht nöthig hat; alle Anderen werden es natürlich finden, daß man an eine ſtreitige Frage den Maßſtab menſchlich-geiſtiger Er- kenntniß lege und unterſuche, ob ſich Schlüſſe bezüglich derſelben aus Erfahrung, Vernunft und Naturkenntniſſen ziehen laſſen. Bei dieſer Unterſuchung werden ſie finden, daß Fichte Recht hatte, als er verlangte, daß man Ver- nunft und ſinnliche Erkenntniß an den Nagel hängen müſſe, um die Wahrheit der perſönlichen Fortdauer zu begreifen. — Kaum einen größeren Werth, als dieſe philoſophiſchen Decrete, haben die Erfindungen einzelner Naturphiloſophen, welche glauben, auf hypothetiſchem Wege wiſſenſchaftliche Anhaltspunkte für die individuelle Unſterblichkeit liefern zu können. So entdeckte Herr Drossbach, daß jeder Weltkörper eine endliche Anzahl ſelbſtbewußtſeinsfähiger Monaden enthält, die nach und nach zur Entwicklung des Bewußtſeins gelangen, beim Tode aber wieder zurückfallen. Entweder in ſehr ſpäter Zeit oder auf anderen Weltkörpern treten dieſe Monaden wieder zuſammen und bilden einen neuen Men- ſchen mit Erinnerung an ſein früheres Leben!! Dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/227
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/227>, abgerufen am 25.11.2024.