Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

der Mensch auch starb." Keine wirkliche Erscheinung
gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns
glauben oder annehmen ließe, es existire die Seele eines
gestorbenen Jndividuums weiter; sie ist todt auf Nim-
merwiederkehr. "Daß die Seele eines gestorbenen Jn-
dividuums", sagt Burmeister, "mit dem Tode desselben
zu erscheinen aufhört, wird von verständigen Leuten nicht
bestritten. Geister oder Geistererscheinungen haben nur
kranke oder abergläubische Leute beobachtet." --

Nachdem wir so unsere Ansicht im Ganzen festgestellt,
können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der
hauptsächlichsten Gründe, welche man im Jnteresse indi-
vidueller Unsterblichkeit geltend gemacht hat, näher ein-
zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, diese
wichtige und interessante Frage von einigen empirischen
Seiten specieller zu beleuchten. Dabei muß der große
Eifer verdächtig erscheinen, mit welchem man zu ver-
schiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit
Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache
zu vertheidigen sich bemüht hat und noch täglich bemüht,
welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem-
lich selten ernsthafte wissenschaftliche Anfechtung erfahren
hat. Es deutet dieser Eifer darauf hin, daß es den
Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen
Gottseligkeit etwas bange um's Herz sein muß, da der
schlichte Verstand und tägliche Erfahrung doch gar wenig

13*

der Menſch auch ſtarb.‟ Keine wirkliche Erſcheinung
gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns
glauben oder annehmen ließe, es exiſtire die Seele eines
geſtorbenen Jndividuums weiter; ſie iſt todt auf Nim-
merwiederkehr. „Daß die Seele eines geſtorbenen Jn-
dividuums‟, ſagt Burmeiſter, „mit dem Tode deſſelben
zu erſcheinen aufhört, wird von verſtändigen Leuten nicht
beſtritten. Geiſter oder Geiſtererſcheinungen haben nur
kranke oder abergläubiſche Leute beobachtet.‟ —

Nachdem wir ſo unſere Anſicht im Ganzen feſtgeſtellt,
können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der
hauptſächlichſten Gründe, welche man im Jntereſſe indi-
vidueller Unſterblichkeit geltend gemacht hat, näher ein-
zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, dieſe
wichtige und intereſſante Frage von einigen empiriſchen
Seiten ſpecieller zu beleuchten. Dabei muß der große
Eifer verdächtig erſcheinen, mit welchem man zu ver-
ſchiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit
Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache
zu vertheidigen ſich bemüht hat und noch täglich bemüht,
welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem-
lich ſelten ernſthafte wiſſenſchaftliche Anfechtung erfahren
hat. Es deutet dieſer Eifer darauf hin, daß es den
Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen
Gottſeligkeit etwas bange um’s Herz ſein muß, da der
ſchlichte Verſtand und tägliche Erfahrung doch gar wenig

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="195"/>
der Men&#x017F;ch auch &#x017F;tarb.&#x201F; Keine wirkliche Er&#x017F;cheinung<lb/>
gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns<lb/>
glauben oder annehmen ließe, es exi&#x017F;tire die Seele eines<lb/>
ge&#x017F;torbenen Jndividuums weiter; &#x017F;ie i&#x017F;t todt auf Nim-<lb/>
merwiederkehr. &#x201E;Daß die Seele eines ge&#x017F;torbenen Jn-<lb/>
dividuums&#x201F;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Burmei&#x017F;ter,</hi> &#x201E;mit dem Tode de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
zu er&#x017F;cheinen aufhört, wird von ver&#x017F;tändigen Leuten nicht<lb/>
be&#x017F;tritten. Gei&#x017F;ter oder Gei&#x017F;terer&#x017F;cheinungen haben nur<lb/>
kranke oder abergläubi&#x017F;che Leute beobachtet.&#x201F; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nachdem wir &#x017F;o un&#x017F;ere An&#x017F;icht im Ganzen fe&#x017F;tge&#x017F;tellt,<lb/>
können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der<lb/>
haupt&#x017F;ächlich&#x017F;ten Gründe, welche man im Jntere&#x017F;&#x017F;e indi-<lb/>
vidueller Un&#x017F;terblichkeit geltend gemacht hat, näher ein-<lb/>
zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, die&#x017F;e<lb/>
wichtige und intere&#x017F;&#x017F;ante Frage von einigen <hi rendition="#g">empiri&#x017F;chen</hi><lb/>
Seiten &#x017F;pecieller zu beleuchten. Dabei muß der große<lb/>
Eifer verdächtig er&#x017F;cheinen, mit welchem man zu ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit<lb/>
Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache<lb/>
zu vertheidigen &#x017F;ich bemüht hat und noch täglich bemüht,<lb/>
welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem-<lb/>
lich &#x017F;elten ern&#x017F;thafte wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Anfechtung erfahren<lb/>
hat. Es deutet die&#x017F;er Eifer darauf hin, daß es den<lb/>
Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen<lb/>
Gott&#x017F;eligkeit etwas bange um&#x2019;s Herz &#x017F;ein muß, da der<lb/>
&#x017F;chlichte Ver&#x017F;tand und tägliche Erfahrung doch gar wenig<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0215] der Menſch auch ſtarb.‟ Keine wirkliche Erſcheinung gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns glauben oder annehmen ließe, es exiſtire die Seele eines geſtorbenen Jndividuums weiter; ſie iſt todt auf Nim- merwiederkehr. „Daß die Seele eines geſtorbenen Jn- dividuums‟, ſagt Burmeiſter, „mit dem Tode deſſelben zu erſcheinen aufhört, wird von verſtändigen Leuten nicht beſtritten. Geiſter oder Geiſtererſcheinungen haben nur kranke oder abergläubiſche Leute beobachtet.‟ — Nachdem wir ſo unſere Anſicht im Ganzen feſtgeſtellt, können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der hauptſächlichſten Gründe, welche man im Jntereſſe indi- vidueller Unſterblichkeit geltend gemacht hat, näher ein- zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, dieſe wichtige und intereſſante Frage von einigen empiriſchen Seiten ſpecieller zu beleuchten. Dabei muß der große Eifer verdächtig erſcheinen, mit welchem man zu ver- ſchiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache zu vertheidigen ſich bemüht hat und noch täglich bemüht, welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem- lich ſelten ernſthafte wiſſenſchaftliche Anfechtung erfahren hat. Es deutet dieſer Eifer darauf hin, daß es den Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen Gottſeligkeit etwas bange um’s Herz ſein muß, da der ſchlichte Verſtand und tägliche Erfahrung doch gar wenig 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/215
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/215>, abgerufen am 22.11.2024.