der Mensch auch starb." Keine wirkliche Erscheinung gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns glauben oder annehmen ließe, es existire die Seele eines gestorbenen Jndividuums weiter; sie ist todt auf Nim- merwiederkehr. "Daß die Seele eines gestorbenen Jn- dividuums", sagt Burmeister, "mit dem Tode desselben zu erscheinen aufhört, wird von verständigen Leuten nicht bestritten. Geister oder Geistererscheinungen haben nur kranke oder abergläubische Leute beobachtet." --
Nachdem wir so unsere Ansicht im Ganzen festgestellt, können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der hauptsächlichsten Gründe, welche man im Jnteresse indi- vidueller Unsterblichkeit geltend gemacht hat, näher ein- zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, diese wichtige und interessante Frage von einigen empirischen Seiten specieller zu beleuchten. Dabei muß der große Eifer verdächtig erscheinen, mit welchem man zu ver- schiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache zu vertheidigen sich bemüht hat und noch täglich bemüht, welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem- lich selten ernsthafte wissenschaftliche Anfechtung erfahren hat. Es deutet dieser Eifer darauf hin, daß es den Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen Gottseligkeit etwas bange um's Herz sein muß, da der schlichte Verstand und tägliche Erfahrung doch gar wenig
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der Menſch auch ſtarb.‟ Keine wirkliche Erſcheinung gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns glauben oder annehmen ließe, es exiſtire die Seele eines geſtorbenen Jndividuums weiter; ſie iſt todt auf Nim- merwiederkehr. „Daß die Seele eines geſtorbenen Jn- dividuums‟, ſagt Burmeiſter, „mit dem Tode deſſelben zu erſcheinen aufhört, wird von verſtändigen Leuten nicht beſtritten. Geiſter oder Geiſtererſcheinungen haben nur kranke oder abergläubiſche Leute beobachtet.‟ —
Nachdem wir ſo unſere Anſicht im Ganzen feſtgeſtellt, können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der hauptſächlichſten Gründe, welche man im Jntereſſe indi- vidueller Unſterblichkeit geltend gemacht hat, näher ein- zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, dieſe wichtige und intereſſante Frage von einigen empiriſchen Seiten ſpecieller zu beleuchten. Dabei muß der große Eifer verdächtig erſcheinen, mit welchem man zu ver- ſchiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache zu vertheidigen ſich bemüht hat und noch täglich bemüht, welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem- lich ſelten ernſthafte wiſſenſchaftliche Anfechtung erfahren hat. Es deutet dieſer Eifer darauf hin, daß es den Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen Gottſeligkeit etwas bange um’s Herz ſein muß, da der ſchlichte Verſtand und tägliche Erfahrung doch gar wenig
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der Menſch auch ſtarb.‟ Keine wirkliche Erſcheinung
gibt es und keine hat es jemals gegeben, welche uns
glauben oder annehmen ließe, es exiſtire die Seele eines
geſtorbenen Jndividuums weiter; ſie iſt todt auf Nim-
merwiederkehr. „Daß die Seele eines geſtorbenen Jn-
dividuums‟, ſagt Burmeiſter, „mit dem Tode deſſelben
zu erſcheinen aufhört, wird von verſtändigen Leuten nicht
beſtritten. Geiſter oder Geiſtererſcheinungen haben nur
kranke oder abergläubiſche Leute beobachtet.‟ —
Nachdem wir ſo unſere Anſicht im Ganzen feſtgeſtellt,
können wir nicht umhin, im Folgenden auf einige der
hauptſächlichſten Gründe, welche man im Jntereſſe indi-
vidueller Unſterblichkeit geltend gemacht hat, näher ein-
zugehen, und werden dabei Gelegenheit finden, dieſe
wichtige und intereſſante Frage von einigen empiriſchen
Seiten ſpecieller zu beleuchten. Dabei muß der große
Eifer verdächtig erſcheinen, mit welchem man zu ver-
ſchiedenen Zeiten häufig und unaufgefordert und mit
Aufwand aller nur erdenklichen Argumente eine Sache
zu vertheidigen ſich bemüht hat und noch täglich bemüht,
welche aus leicht begreiflichen Gründen im Ganzen ziem-
lich ſelten ernſthafte wiſſenſchaftliche Anfechtung erfahren
hat. Es deutet dieſer Eifer darauf hin, daß es den
Vertheidigern jener Sache bei ihrer eigenen zukünftigen
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/215>, abgerufen am 18.07.2024.
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