das Gewicht des menschlichen Gehirns stetig und sehr rasch zu bis zum 25. Lebensjahr, bleibt auf diesem Nor- malgewicht stehen bis zum 50sten und nimmt von da an stetig ab. Nach Sims erreicht das Gehirn, welches an Masse bis zum 30sten oder 40sten Jahre, wächst, erst zwischen dem 40sten und 50sten Lebensjahre das Maxi- mum seines Volumens. Das Gehirn alter Leute wird atrophisch, d. h. kleiner, es schrumpft, und es entstehen Hohlräume zwischen den einzelnen Gehirnwindungen, welche vorher fest an einander lagen. Dabei wird die Substanz des Gehirns zäher, die Farbe graulicher, der Blutgehalt geringer, die Windungen schmäler, und die chemische Constitution des Greisengehirns nähert sich nach Schloßberger wieder derjenigen der jüngsten Lebensperiode. Daß dem entsprechend die Jntelligenz mit zunehmendem Alter abnimmt, daß alte Leute kindisch werden, ist eine Jedermann bekannte Thatsache. Der große Newton, dessen Geist wir die größten und folge- reichsten Entdeckungen in den Naturwissenschaften ver- danken, beschäftigte sich in seinem Alter mit dem Pro- pheten Daniel und der Offenbarung des Johannes! Bei dem Kind entwickelt sich die Seele nur allmählig in dem Maaße, als die materielle Organisation des Kindergehirns sich vervollkommnet. Die kindliche Gehirn- substanz ist flüssiger, breiiger, wasserreicher, fettärmer, als die der Erwachsenen; die Unterschiede zwischen grauer
das Gewicht des menſchlichen Gehirns ſtetig und ſehr raſch zu bis zum 25. Lebensjahr, bleibt auf dieſem Nor- malgewicht ſtehen bis zum 50ſten und nimmt von da an ſtetig ab. Nach Sims erreicht das Gehirn, welches an Maſſe bis zum 30ſten oder 40ſten Jahre, wächſt, erſt zwiſchen dem 40ſten und 50ſten Lebensjahre das Maxi- mum ſeines Volumens. Das Gehirn alter Leute wird atrophiſch, d. h. kleiner, es ſchrumpft, und es entſtehen Hohlräume zwiſchen den einzelnen Gehirnwindungen, welche vorher feſt an einander lagen. Dabei wird die Subſtanz des Gehirns zäher, die Farbe graulicher, der Blutgehalt geringer, die Windungen ſchmäler, und die chemiſche Conſtitution des Greiſengehirns nähert ſich nach Schloßberger wieder derjenigen der jüngſten Lebensperiode. Daß dem entſprechend die Jntelligenz mit zunehmendem Alter abnimmt, daß alte Leute kindiſch werden, iſt eine Jedermann bekannte Thatſache. Der große Newton, deſſen Geiſt wir die größten und folge- reichſten Entdeckungen in den Naturwiſſenſchaften ver- danken, beſchäftigte ſich in ſeinem Alter mit dem Pro- pheten Daniel und der Offenbarung des Johannes! Bei dem Kind entwickelt ſich die Seele nur allmählig in dem Maaße, als die materielle Organiſation des Kindergehirns ſich vervollkommnet. Die kindliche Gehirn- ſubſtanz iſt flüſſiger, breiiger, waſſerreicher, fettärmer, als die der Erwachſenen; die Unterſchiede zwiſchen grauer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0143"n="123"/>
das <hirendition="#g">Gewicht</hi> des menſchlichen Gehirns ſtetig und ſehr<lb/>
raſch zu bis zum 25. Lebensjahr, bleibt auf dieſem Nor-<lb/>
malgewicht ſtehen bis zum 50ſten und nimmt von da<lb/>
an ſtetig ab. Nach <hirendition="#g">Sims</hi> erreicht das Gehirn, welches<lb/>
an Maſſe bis zum 30ſten oder 40ſten Jahre, wächſt, erſt<lb/>
zwiſchen dem 40ſten und 50ſten Lebensjahre das Maxi-<lb/>
mum ſeines Volumens. Das Gehirn alter Leute wird<lb/>
atrophiſch, d. h. kleiner, es ſchrumpft, und es entſtehen<lb/>
Hohlräume zwiſchen den einzelnen Gehirnwindungen,<lb/>
welche vorher feſt an einander lagen. Dabei wird die<lb/>
Subſtanz des Gehirns zäher, die Farbe graulicher, der<lb/>
Blutgehalt geringer, die Windungen ſchmäler, und die<lb/>
chemiſche Conſtitution des Greiſengehirns nähert ſich<lb/>
nach <hirendition="#g">Schloßberger</hi> wieder derjenigen der jüngſten<lb/>
Lebensperiode. Daß dem entſprechend die Jntelligenz<lb/>
mit zunehmendem Alter abnimmt, daß alte Leute kindiſch<lb/>
werden, iſt eine Jedermann bekannte Thatſache. Der<lb/>
große <hirendition="#g">Newton,</hi> deſſen Geiſt wir die größten und folge-<lb/>
reichſten Entdeckungen in den Naturwiſſenſchaften ver-<lb/>
danken, beſchäftigte ſich in ſeinem Alter mit dem Pro-<lb/>
pheten Daniel und der Offenbarung des Johannes!<lb/>
Bei dem <hirendition="#g">Kind</hi> entwickelt ſich die Seele nur allmählig<lb/>
in dem Maaße, als die materielle Organiſation des<lb/>
Kindergehirns ſich vervollkommnet. Die kindliche Gehirn-<lb/>ſubſtanz iſt flüſſiger, breiiger, waſſerreicher, fettärmer,<lb/>
als die der Erwachſenen; die Unterſchiede zwiſchen grauer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[123/0143]
das Gewicht des menſchlichen Gehirns ſtetig und ſehr
raſch zu bis zum 25. Lebensjahr, bleibt auf dieſem Nor-
malgewicht ſtehen bis zum 50ſten und nimmt von da
an ſtetig ab. Nach Sims erreicht das Gehirn, welches
an Maſſe bis zum 30ſten oder 40ſten Jahre, wächſt, erſt
zwiſchen dem 40ſten und 50ſten Lebensjahre das Maxi-
mum ſeines Volumens. Das Gehirn alter Leute wird
atrophiſch, d. h. kleiner, es ſchrumpft, und es entſtehen
Hohlräume zwiſchen den einzelnen Gehirnwindungen,
welche vorher feſt an einander lagen. Dabei wird die
Subſtanz des Gehirns zäher, die Farbe graulicher, der
Blutgehalt geringer, die Windungen ſchmäler, und die
chemiſche Conſtitution des Greiſengehirns nähert ſich
nach Schloßberger wieder derjenigen der jüngſten
Lebensperiode. Daß dem entſprechend die Jntelligenz
mit zunehmendem Alter abnimmt, daß alte Leute kindiſch
werden, iſt eine Jedermann bekannte Thatſache. Der
große Newton, deſſen Geiſt wir die größten und folge-
reichſten Entdeckungen in den Naturwiſſenſchaften ver-
danken, beſchäftigte ſich in ſeinem Alter mit dem Pro-
pheten Daniel und der Offenbarung des Johannes!
Bei dem Kind entwickelt ſich die Seele nur allmählig
in dem Maaße, als die materielle Organiſation des
Kindergehirns ſich vervollkommnet. Die kindliche Gehirn-
ſubſtanz iſt flüſſiger, breiiger, waſſerreicher, fettärmer,
als die der Erwachſenen; die Unterſchiede zwiſchen grauer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/143>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.