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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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die Wechselwirkung von Kraft und Stoff auf der Erde
hervorgebracht, welche die Erde erzeugt hat, ist der
Mensch die oberste, die vollkommenste. Darum hat er
das Recht und die Macht, auf sich selbst stolz zu sein
und über Alles zu herrschen, was er zu bezwingen im
Stande ist. Er hat auch das Recht, sich heute wenig-
stens
als den Mittelpunkt und Gipfel der ihn umgebenden
Schöpfung anzusehen und keine höhere Macht über sich
anzuerkennen. Er ist das letzte und oberste Glied des
irdischen Zeugungsaktes, keine andern Mächte sind ihm
bekannt, als die der Natur, welche er durch Erkenntniß
zu beherrschen und zu zügeln vermag. Jn dieser Er-
kenntniß ist er Mensch und Gott zu gleicher Zeit, Mensch,
insofern er, selbst ein Theil des Stoff's, von den Gesetzen
abhängig ist, welche dem Stoff von Ewigkeit her inhärent
sind -- Gott, insofern er die Gesetze des Stoff's zu er-
kennen, zu durchschauen und dadurch zu beherrschen und
zu seinen Zwecken zu verwenden vermag. Als das oberste
Naturwesen herrscht er über die ganze Reihe der niedriger
stehenden Wesen in göttlicher Weise, ohne Widerspruch
zu erfahren. So ist jedes menschliche Wesen in Wahr-
heit ein s. g. Gottmensch und fühlt in sich die letzte und
oberste Summe alles irdischen Daseins. Diese Er-
kenntniß ist eine eben so einfache als natürliche und ist
zu allen Zeiten von hervorragenden Denkern gelehrt
worden. Nichtsdestoweniger war das Abhängigkeitsgefühl

die Wechſelwirkung von Kraft und Stoff auf der Erde
hervorgebracht, welche die Erde erzeugt hat, iſt der
Menſch die oberſte, die vollkommenſte. Darum hat er
das Recht und die Macht, auf ſich ſelbſt ſtolz zu ſein
und über Alles zu herrſchen, was er zu bezwingen im
Stande iſt. Er hat auch das Recht, ſich heute wenig-
ſtens
als den Mittelpunkt und Gipfel der ihn umgebenden
Schöpfung anzuſehen und keine höhere Macht über ſich
anzuerkennen. Er iſt das letzte und oberſte Glied des
irdiſchen Zeugungsaktes, keine andern Mächte ſind ihm
bekannt, als die der Natur, welche er durch Erkenntniß
zu beherrſchen und zu zügeln vermag. Jn dieſer Er-
kenntniß iſt er Menſch und Gott zu gleicher Zeit, Menſch,
inſofern er, ſelbſt ein Theil des Stoff’s, von den Geſetzen
abhängig iſt, welche dem Stoff von Ewigkeit her inhärent
ſind — Gott, inſofern er die Geſetze des Stoff’s zu er-
kennen, zu durchſchauen und dadurch zu beherrſchen und
zu ſeinen Zwecken zu verwenden vermag. Als das oberſte
Naturweſen herrſcht er über die ganze Reihe der niedriger
ſtehenden Weſen in göttlicher Weiſe, ohne Widerſpruch
zu erfahren. So iſt jedes menſchliche Weſen in Wahr-
heit ein ſ. g. Gottmenſch und fühlt in ſich die letzte und
oberſte Summe alles irdiſchen Daſeins. Dieſe Er-
kenntniß iſt eine eben ſo einfache als natürliche und iſt
zu allen Zeiten von hervorragenden Denkern gelehrt
worden. Nichtsdeſtoweniger war das Abhängigkeitsgefühl

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[112/0132] die Wechſelwirkung von Kraft und Stoff auf der Erde hervorgebracht, welche die Erde erzeugt hat, iſt der Menſch die oberſte, die vollkommenſte. Darum hat er das Recht und die Macht, auf ſich ſelbſt ſtolz zu ſein und über Alles zu herrſchen, was er zu bezwingen im Stande iſt. Er hat auch das Recht, ſich heute wenig- ſtens als den Mittelpunkt und Gipfel der ihn umgebenden Schöpfung anzuſehen und keine höhere Macht über ſich anzuerkennen. Er iſt das letzte und oberſte Glied des irdiſchen Zeugungsaktes, keine andern Mächte ſind ihm bekannt, als die der Natur, welche er durch Erkenntniß zu beherrſchen und zu zügeln vermag. Jn dieſer Er- kenntniß iſt er Menſch und Gott zu gleicher Zeit, Menſch, inſofern er, ſelbſt ein Theil des Stoff’s, von den Geſetzen abhängig iſt, welche dem Stoff von Ewigkeit her inhärent ſind — Gott, inſofern er die Geſetze des Stoff’s zu er- kennen, zu durchſchauen und dadurch zu beherrſchen und zu ſeinen Zwecken zu verwenden vermag. Als das oberſte Naturweſen herrſcht er über die ganze Reihe der niedriger ſtehenden Weſen in göttlicher Weiſe, ohne Widerſpruch zu erfahren. So iſt jedes menſchliche Weſen in Wahr- heit ein ſ. g. Gottmenſch und fühlt in ſich die letzte und oberſte Summe alles irdiſchen Daſeins. Dieſe Er- kenntniß iſt eine eben ſo einfache als natürliche und iſt zu allen Zeiten von hervorragenden Denkern gelehrt worden. Nichtsdeſtoweniger war das Abhängigkeitsgefühl

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/132>, abgerufen am 24.11.2024.