Allem kann Niemand leugnen, daß die Natur in ihrem unbewußten und nothwendigen Schöpfungstrieb eine Menge Naturwesen und Einrichtungen erzeugt hat, von denen ein äußerer Zweck durchaus nicht eingesehen wer- den kann, und welche häufig die natürliche Ordnung der Dinge mehr zu stören als zu fördern geeignet sind. Daher ist denn auch die Existenz der s. g. schädlichen Thiere den Teleologen und der religiösen Weltanschauung überhaupt von je ein Dorn im Auge gewesen, und man hat sich auf die komischste und mannigfaltigste Weise bemüht, die Berechtigung dieser Existenzen nachzuweisen. Wie wenig dies gelang, beweisen die Erfolge derjenigen religiösen Systeme, welche den Sündenfall oder die Sünde überhaupt als Ursache jener Abnormität ansehen. Nach den Theologen Meyer und Stilling (Blätter für höhere Wahrheit) sind das schädliche Gewürm und die feindseligen Jnsekten Folge des Fluchs, der die Erde und ihre Bewohner traf. Jhre oft ungeheuerliche Zeichnung, Form etc. soll das Bild der Sünde und des Verderbens darstellen! Dazu nimmt man an, daß die Erzeugung dieser Thiere erst späteren, also nicht urschöpferischen Ursprungs sei, weil ihre Existenz an die Verzehrung von vegetabilischen und animalischen Stoffen gebunden sei!! -- Jm altdeutschen Heidenthum werden diese Thiere als böse Elben geschildert, von denen alle Krankheiten herstammen und die ihre Entstehung dem
Allem kann Niemand leugnen, daß die Natur in ihrem unbewußten und nothwendigen Schöpfungstrieb eine Menge Naturweſen und Einrichtungen erzeugt hat, von denen ein äußerer Zweck durchaus nicht eingeſehen wer- den kann, und welche häufig die natürliche Ordnung der Dinge mehr zu ſtören als zu fördern geeignet ſind. Daher iſt denn auch die Exiſtenz der ſ. g. ſchädlichen Thiere den Teleologen und der religiöſen Weltanſchauung überhaupt von je ein Dorn im Auge geweſen, und man hat ſich auf die komiſchſte und mannigfaltigſte Weiſe bemüht, die Berechtigung dieſer Exiſtenzen nachzuweiſen. Wie wenig dies gelang, beweiſen die Erfolge derjenigen religiöſen Syſteme, welche den Sündenfall oder die Sünde überhaupt als Urſache jener Abnormität anſehen. Nach den Theologen Meyer und Stilling (Blätter für höhere Wahrheit) ſind das ſchädliche Gewürm und die feindſeligen Jnſekten Folge des Fluchs, der die Erde und ihre Bewohner traf. Jhre oft ungeheuerliche Zeichnung, Form ꝛc. ſoll das Bild der Sünde und des Verderbens darſtellen! Dazu nimmt man an, daß die Erzeugung dieſer Thiere erſt ſpäteren, alſo nicht urſchöpferiſchen Urſprungs ſei, weil ihre Exiſtenz an die Verzehrung von vegetabiliſchen und animaliſchen Stoffen gebunden ſei!! — Jm altdeutſchen Heidenthum werden dieſe Thiere als böſe Elben geſchildert, von denen alle Krankheiten herſtammen und die ihre Entſtehung dem
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Allem kann Niemand leugnen, daß die Natur in ihrem
unbewußten und nothwendigen Schöpfungstrieb eine
Menge Naturweſen und Einrichtungen erzeugt hat, von
denen ein äußerer Zweck durchaus nicht eingeſehen wer-
den kann, und welche häufig die natürliche Ordnung
der Dinge mehr zu ſtören als zu fördern geeignet ſind.
Daher iſt denn auch die Exiſtenz der ſ. g. ſchädlichen
Thiere den Teleologen und der religiöſen Weltanſchauung
überhaupt von je ein Dorn im Auge geweſen, und man
hat ſich auf die komiſchſte und mannigfaltigſte Weiſe
bemüht, die Berechtigung dieſer Exiſtenzen nachzuweiſen.
Wie wenig dies gelang, beweiſen die Erfolge derjenigen
religiöſen Syſteme, welche den Sündenfall oder die
Sünde überhaupt als Urſache jener Abnormität anſehen.
Nach den Theologen Meyer und Stilling (Blätter
für höhere Wahrheit) ſind das ſchädliche Gewürm und
die feindſeligen Jnſekten Folge des Fluchs, der die
Erde und ihre Bewohner traf. Jhre oft ungeheuerliche
Zeichnung, Form ꝛc. ſoll das Bild der Sünde und des
Verderbens darſtellen! Dazu nimmt man an, daß die
Erzeugung dieſer Thiere erſt ſpäteren, alſo nicht
urſchöpferiſchen Urſprungs ſei, weil ihre Exiſtenz an die
Verzehrung von vegetabiliſchen und animaliſchen Stoffen
gebunden ſei!! — Jm altdeutſchen Heidenthum werden
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/120>, abgerufen am 27.11.2024.
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