Verhältnisse wesentlich ändern, da ändern sich natürlich auch mit ihnen die Erzeugnisse der Naturkräfte, und es wird Herrn Spieß nicht unbekannt sein, daß das, was er von dem zufälligen Begegnen der Elemente verlangt, in der That vorhanden ist, daß jede Erdschichte andere und verschiedene Combinationen, andere Naturwesen birgt. Ja wollten wir soweit gehen, der Behauptung des be- rühmten Geologen Lyell beizupflichten, welcher annimmt, daß auch jetzt noch immerwährend neue Naturwesen ent- stehen, und daß die Erde fortdauernd von Zeit zu Zeit neue Thierarten erzeugt, welche von uns nicht als neu entstandene, sondern nur als neu entdeckte angesehen werden, so wären wir im Stande, Herrn Spieß gerade die Speise anzubieten, welche er verlangt, um von sei- nem teleologischen Glauben bekehrt zu werden.
Wenn nun die Natur nicht nach selbstbewußten Zwecken, sondern nach einem innern Nothwendigkeits- Jnstinkt handelt, so liegt es in der Natur der Sache, daß sie bei einem solchen Handeln eine Menge äußerer Zwecklosigkeiten und Ungereimtheiten sich zu Schulden kommen lassen muß. Jn der That sind wir im Stande, solche Zwecklosigkeiten nicht nur überall und in Menge aufzudecken -- sondern auch auf's Evidenteste nachzu- weisen, wie die Natur, wenn sie durch äußere Zufäl- ligkeiten in ihrem Wirken gestört wird, allerorten die lächerlichsten Fehler und Verkehrtheiten begeht. Vor
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Verhältniſſe weſentlich ändern, da ändern ſich natürlich auch mit ihnen die Erzeugniſſe der Naturkräfte, und es wird Herrn Spieß nicht unbekannt ſein, daß das, was er von dem zufälligen Begegnen der Elemente verlangt, in der That vorhanden iſt, daß jede Erdſchichte andere und verſchiedene Combinationen, andere Naturweſen birgt. Ja wollten wir ſoweit gehen, der Behauptung des be- rühmten Geologen Lyell beizupflichten, welcher annimmt, daß auch jetzt noch immerwährend neue Naturweſen ent- ſtehen, und daß die Erde fortdauernd von Zeit zu Zeit neue Thierarten erzeugt, welche von uns nicht als neu entſtandene, ſondern nur als neu entdeckte angeſehen werden, ſo wären wir im Stande, Herrn Spieß gerade die Speiſe anzubieten, welche er verlangt, um von ſei- nem teleologiſchen Glauben bekehrt zu werden.
Wenn nun die Natur nicht nach ſelbſtbewußten Zwecken, ſondern nach einem innern Nothwendigkeits- Jnſtinkt handelt, ſo liegt es in der Natur der Sache, daß ſie bei einem ſolchen Handeln eine Menge äußerer Zweckloſigkeiten und Ungereimtheiten ſich zu Schulden kommen laſſen muß. Jn der That ſind wir im Stande, ſolche Zweckloſigkeiten nicht nur überall und in Menge aufzudecken — ſondern auch auf’s Evidenteſte nachzu- weiſen, wie die Natur, wenn ſie durch äußere Zufäl- ligkeiten in ihrem Wirken geſtört wird, allerorten die lächerlichſten Fehler und Verkehrtheiten begeht. Vor
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Verhältniſſe weſentlich ändern, da ändern ſich natürlich
auch mit ihnen die Erzeugniſſe der Naturkräfte, und es
wird Herrn Spieß nicht unbekannt ſein, daß das, was
er von dem zufälligen Begegnen der Elemente verlangt,
in der That vorhanden iſt, daß jede Erdſchichte andere
und verſchiedene Combinationen, andere Naturweſen birgt.
Ja wollten wir ſoweit gehen, der Behauptung des be-
rühmten Geologen Lyell beizupflichten, welcher annimmt,
daß auch jetzt noch immerwährend neue Naturweſen ent-
ſtehen, und daß die Erde fortdauernd von Zeit zu Zeit
neue Thierarten erzeugt, welche von uns nicht als neu
entſtandene, ſondern nur als neu entdeckte angeſehen
werden, ſo wären wir im Stande, Herrn Spieß gerade
die Speiſe anzubieten, welche er verlangt, um von ſei-
nem teleologiſchen Glauben bekehrt zu werden.
Wenn nun die Natur nicht nach ſelbſtbewußten
Zwecken, ſondern nach einem innern Nothwendigkeits-
Jnſtinkt handelt, ſo liegt es in der Natur der Sache,
daß ſie bei einem ſolchen Handeln eine Menge äußerer
Zweckloſigkeiten und Ungereimtheiten ſich zu Schulden
kommen laſſen muß. Jn der That ſind wir im Stande,
ſolche Zweckloſigkeiten nicht nur überall und in Menge
aufzudecken — ſondern auch auf’s Evidenteſte nachzu-
weiſen, wie die Natur, wenn ſie durch äußere Zufäl-
ligkeiten in ihrem Wirken geſtört wird, allerorten die
lächerlichſten Fehler und Verkehrtheiten begeht. Vor
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/119>, abgerufen am 16.02.2025.
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