auch nur gegründete Vermuthungen über das Nähere dieses Verhältnisses besitzen wir heute nicht, und wir sind weit entfernt, diese Unwissenheit nicht eingestehen zu wollen. Mag uns indessen noch so Vieles und Manches über die genauere Art der organischen Schöpfung unklar oder zweifelhaft sein -- so viel können wir doch mit Bestimmt- heit sagen, daß sie ohne das Zuthun äußerer Gewalten vor sich gegangen sein kann und muß. Wenn uns diese Schöpfung heute, indem wir uns in der uns umgebenden Natur umsehen, über die Maßen imponirt, und der geistige Eindruck einer un- mittelbaren schaffenden Ursache sich nicht immer abweisen läßt, so ist der Grund für dieses Gefühl eben nur darin zu suchen, daß wir die endlichen Wirkungen einer während vieler Millionen von Jahren thätigen Aktion natürlicher Kräfte in ein Gesammtbild vereinigt vor uns sehen, und, indem wir nur an das Gegenwärtige, nicht an das Vergangene denken, uns auf den ersten Anblick nicht wohl vorstellen mögen, daß die Natur dieses Alles aus sich selbst hervorgebracht habe. Aber dennoch ist dieses so. Mag es auch im Einzelnen geschehen sein, wie es wolle, das Gesetz der Aehnlichkeiten, der Proto- rypenbildung, der nothwendigen Abhängigkeit, welche die organischen Wesen in Entstehung und Form von den äußeren Zuständen der Erdrinde zeigen, mit einem Wort die allmählige Hervorbildung höherer organischer Formen
auch nur gegründete Vermuthungen über das Nähere dieſes Verhältniſſes beſitzen wir heute nicht, und wir ſind weit entfernt, dieſe Unwiſſenheit nicht eingeſtehen zu wollen. Mag uns indeſſen noch ſo Vieles und Manches über die genauere Art der organiſchen Schöpfung unklar oder zweifelhaft ſein — ſo viel können wir doch mit Beſtimmt- heit ſagen, daß ſie ohne das Zuthun äußerer Gewalten vor ſich gegangen ſein kann und muß. Wenn uns dieſe Schöpfung heute, indem wir uns in der uns umgebenden Natur umſehen, über die Maßen imponirt, und der geiſtige Eindruck einer un- mittelbaren ſchaffenden Urſache ſich nicht immer abweiſen läßt, ſo iſt der Grund für dieſes Gefühl eben nur darin zu ſuchen, daß wir die endlichen Wirkungen einer während vieler Millionen von Jahren thätigen Aktion natürlicher Kräfte in ein Geſammtbild vereinigt vor uns ſehen, und, indem wir nur an das Gegenwärtige, nicht an das Vergangene denken, uns auf den erſten Anblick nicht wohl vorſtellen mögen, daß die Natur dieſes Alles aus ſich ſelbſt hervorgebracht habe. Aber dennoch iſt dieſes ſo. Mag es auch im Einzelnen geſchehen ſein, wie es wolle, das Geſetz der Aehnlichkeiten, der Proto- rypenbildung, der nothwendigen Abhängigkeit, welche die organiſchen Weſen in Entſtehung und Form von den äußeren Zuſtänden der Erdrinde zeigen, mit einem Wort die allmählige Hervorbildung höherer organiſcher Formen
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auch nur gegründete Vermuthungen über das Nähere dieſes
Verhältniſſes beſitzen wir heute nicht, und wir ſind weit
entfernt, dieſe Unwiſſenheit nicht eingeſtehen zu wollen.
Mag uns indeſſen noch ſo Vieles und Manches über die
genauere Art der organiſchen Schöpfung unklar oder
zweifelhaft ſein — ſo viel können wir doch mit Beſtimmt-
heit ſagen, daß ſie ohne das Zuthun äußerer
Gewalten vor ſich gegangen ſein kann und
muß. Wenn uns dieſe Schöpfung heute, indem wir
uns in der uns umgebenden Natur umſehen, über die
Maßen imponirt, und der geiſtige Eindruck einer un-
mittelbaren ſchaffenden Urſache ſich nicht immer abweiſen
läßt, ſo iſt der Grund für dieſes Gefühl eben nur
darin zu ſuchen, daß wir die endlichen Wirkungen einer
während vieler Millionen von Jahren thätigen Aktion
natürlicher Kräfte in ein Geſammtbild vereinigt vor uns
ſehen, und, indem wir nur an das Gegenwärtige, nicht
an das Vergangene denken, uns auf den erſten Anblick
nicht wohl vorſtellen mögen, daß die Natur dieſes Alles
aus ſich ſelbſt hervorgebracht habe. Aber dennoch iſt
dieſes ſo. Mag es auch im Einzelnen geſchehen ſein,
wie es wolle, das Geſetz der Aehnlichkeiten, der Proto-
rypenbildung, der nothwendigen Abhängigkeit, welche die
organiſchen Weſen in Entſtehung und Form von den
äußeren Zuſtänden der Erdrinde zeigen, mit einem Wort
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/109>, abgerufen am 22.11.2024.
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