des unmittelbaren Uebergangs oder Hervorgangs einer Thierart aus einer andern besteht, sie würde ein seltenes, aber in historischer Zeit beobachtetes Beispiel einer auf natürlichen Umständen beruhenden Neuschöpfung, kurz eines Metamorphosengesetzes sein, welchem vielleicht in vor- weltlicher Zeit eine größere Bedeutung und Macht zukam, als heute; sie würde zeigen, daß selbst heute noch das Gesetz der gleichartigen Zeugung Ausnahmen erleidet. "Der Eintritt verschiedener Thierarten in die Schöpfung," sagt Müller, "ist zwar gewiß, nämlich ein Faktum der Paläontologie, aber supranaturalistisch, so lange dieser Eintritt sich nicht im Akte des Geschehens und bis in die Elemente einer Beobachtung wahrnehmen läßt. Wenn dies aber möglich würde, so würde das Supranatu- ralistische aufhören und dieses in die Ordnung einer höheren Reihe der Erscheinungen treten, für welche auf dem Wege der Beobachtung auch Gesetze zu suchen wären." Wer bürgt uns nach einer solchen Entdeckung dafür, daß dergleichen Verwandlungen nicht auch in jetziger Zeit öfter vorkommen, daß ihnen vielleicht neben der gleichartigen Zeugung eine Bedeutung zukommt, von welcher wir bis jetzt keine Ahnung haben!
Wenn aber selbst heute noch Verhältnisse aufkommen können, unter denen ein so außerordentlicher Vorgang in der niederen Thierwelt möglich wird, oder unter denen eine Holothurie eine Schnecke gebiert -- welcher mit
des unmittelbaren Uebergangs oder Hervorgangs einer Thierart aus einer andern beſteht, ſie würde ein ſeltenes, aber in hiſtoriſcher Zeit beobachtetes Beiſpiel einer auf natürlichen Umſtänden beruhenden Neuſchöpfung, kurz eines Metamorphoſengeſetzes ſein, welchem vielleicht in vor- weltlicher Zeit eine größere Bedeutung und Macht zukam, als heute; ſie würde zeigen, daß ſelbſt heute noch das Geſetz der gleichartigen Zeugung Ausnahmen erleidet. „Der Eintritt verſchiedener Thierarten in die Schöpfung,‟ ſagt Müller, „iſt zwar gewiß, nämlich ein Faktum der Paläontologie, aber ſupranaturaliſtiſch, ſo lange dieſer Eintritt ſich nicht im Akte des Geſchehens und bis in die Elemente einer Beobachtung wahrnehmen läßt. Wenn dies aber möglich würde, ſo würde das Supranatu- raliſtiſche aufhören und dieſes in die Ordnung einer höheren Reihe der Erſcheinungen treten, für welche auf dem Wege der Beobachtung auch Geſetze zu ſuchen wären.‟ Wer bürgt uns nach einer ſolchen Entdeckung dafür, daß dergleichen Verwandlungen nicht auch in jetziger Zeit öfter vorkommen, daß ihnen vielleicht neben der gleichartigen Zeugung eine Bedeutung zukommt, von welcher wir bis jetzt keine Ahnung haben!
Wenn aber ſelbſt heute noch Verhältniſſe aufkommen können, unter denen ein ſo außerordentlicher Vorgang in der niederen Thierwelt möglich wird, oder unter denen eine Holothurie eine Schnecke gebiert — welcher mit
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des unmittelbaren Uebergangs oder Hervorgangs einer
Thierart aus einer andern beſteht, ſie würde ein ſeltenes,
aber in hiſtoriſcher Zeit beobachtetes Beiſpiel einer auf
natürlichen Umſtänden beruhenden Neuſchöpfung, kurz
eines Metamorphoſengeſetzes ſein, welchem vielleicht in vor-
weltlicher Zeit eine größere Bedeutung und Macht zukam,
als heute; ſie würde zeigen, daß ſelbſt heute noch das
Geſetz der gleichartigen Zeugung Ausnahmen erleidet.
„Der Eintritt verſchiedener Thierarten in die Schöpfung,‟
ſagt Müller, „iſt zwar gewiß, nämlich ein Faktum der
Paläontologie, aber ſupranaturaliſtiſch, ſo lange dieſer
Eintritt ſich nicht im Akte des Geſchehens und bis in
die Elemente einer Beobachtung wahrnehmen läßt. Wenn
dies aber möglich würde, ſo würde das Supranatu-
raliſtiſche aufhören und dieſes in die Ordnung einer
höheren Reihe der Erſcheinungen treten, für welche auf
dem Wege der Beobachtung auch Geſetze zu ſuchen wären.‟
Wer bürgt uns nach einer ſolchen Entdeckung dafür,
daß dergleichen Verwandlungen nicht auch in jetziger
Zeit öfter vorkommen, daß ihnen vielleicht neben der
gleichartigen Zeugung eine Bedeutung zukommt, von
welcher wir bis jetzt keine Ahnung haben!
Wenn aber ſelbſt heute noch Verhältniſſe aufkommen
können, unter denen ein ſo außerordentlicher Vorgang in
der niederen Thierwelt möglich wird, oder unter denen
eine Holothurie eine Schnecke gebiert — welcher mit
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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