Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
nicht einmal consequent zu gebrauchen weiß oder
wagt, ist ein Stümper.
Mercier.
Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Ur-
sache eine vollkommene Wirkung haben, d. h. kann
etwas Vollkommenes was Vollkommenes schaffen? --
-- Ist das nicht unmöglich, weil das Geschaffene
doch nie seinen Grund in sich haben kann, was
doch, wie Sie sagten, zur Vollkommenheit gehört.
Chaumette.
Schweigen Sie! Schweigen Sie!
Payne.
Beruhige dich, Philosoph. Sie haben Recht;
aber, muß denn Gott einmal schaffen, kann er nur
was Unvollkommenes schaffen, so läßt er es gescheidter
ganz bleiben. Ist's nicht sehr menschlich, uns Gott
nur als schaffend denken zu können? Weil wir
uns immer rühren und schütteln müssen, um uns
nur immer sagen zu können: wir sind! müssen wir
Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? --
Müssen wir, wenn sich unser Geist in das Wesen
einer harmonisch in sich ruhenden, ewigen Seligkeit
versenkt, gleich annehmen, sie müsse den Finger
ausstrecken und über Tisch Brodmännchen kneten, --
nicht einmal conſequent zu gebrauchen weiß oder
wagt, iſt ein Stümper.
Mercier.
Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Ur-
ſache eine vollkommene Wirkung haben, d. h. kann
etwas Vollkommenes was Vollkommenes ſchaffen? —
— Iſt das nicht unmöglich, weil das Geſchaffene
doch nie ſeinen Grund in ſich haben kann, was
doch, wie Sie ſagten, zur Vollkommenheit gehört.
Chaumette.
Schweigen Sie! Schweigen Sie!
Payne.
Beruhige dich, Philoſoph. Sie haben Recht;
aber, muß denn Gott einmal ſchaffen, kann er nur
was Unvollkommenes ſchaffen, ſo läßt er es geſcheidter
ganz bleiben. Iſt’s nicht ſehr menſchlich, uns Gott
nur als ſchaffend denken zu können? Weil wir
uns immer rühren und ſchütteln müſſen, um uns
nur immer ſagen zu können: wir ſind! müſſen wir
Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? —
Müſſen wir, wenn ſich unſer Geiſt in das Weſen
einer harmoniſch in ſich ruhenden, ewigen Seligkeit
verſenkt, gleich annehmen, ſie müſſe den Finger
ausſtrecken und über Tiſch Brodmännchen kneten, —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#PAY">
            <p><pb facs="#f0096" n="92"/>
nicht einmal con&#x017F;equent zu gebrauchen weiß oder<lb/>
wagt, i&#x017F;t ein Stümper.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#MER">
            <speaker><hi rendition="#g">Mercier</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Ur-<lb/>
&#x017F;ache eine vollkommene Wirkung haben, d. h. kann<lb/>
etwas Vollkommenes was Vollkommenes &#x017F;chaffen? &#x2014;<lb/>
&#x2014; I&#x017F;t das nicht unmöglich, weil das Ge&#x017F;chaffene<lb/>
doch nie &#x017F;einen Grund in &#x017F;ich haben kann, was<lb/>
doch, wie Sie &#x017F;agten, zur Vollkommenheit gehört.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CHA">
            <speaker><hi rendition="#g">Chaumette</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Schweigen Sie! Schweigen Sie!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PAY">
            <speaker><hi rendition="#g">Payne</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Beruhige dich, Philo&#x017F;oph. Sie haben Recht;<lb/>
aber, muß denn Gott einmal &#x017F;chaffen, kann er nur<lb/>
was Unvollkommenes &#x017F;chaffen, &#x017F;o läßt er es ge&#x017F;cheidter<lb/>
ganz bleiben. I&#x017F;t&#x2019;s nicht &#x017F;ehr men&#x017F;chlich, uns Gott<lb/>
nur als &#x017F;chaffend denken zu können? Weil wir<lb/>
uns immer rühren und &#x017F;chütteln mü&#x017F;&#x017F;en, um uns<lb/>
nur immer &#x017F;agen zu können: wir &#x017F;ind! mü&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? &#x2014;<lb/>&#x017F;&#x017F;en wir, wenn &#x017F;ich un&#x017F;er Gei&#x017F;t in das We&#x017F;en<lb/>
einer harmoni&#x017F;ch in &#x017F;ich ruhenden, ewigen Seligkeit<lb/>
ver&#x017F;enkt, gleich annehmen, &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;e den Finger<lb/>
aus&#x017F;trecken und über Ti&#x017F;ch Brodmännchen kneten, &#x2014;<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0096] nicht einmal conſequent zu gebrauchen weiß oder wagt, iſt ein Stümper. Mercier. Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Ur- ſache eine vollkommene Wirkung haben, d. h. kann etwas Vollkommenes was Vollkommenes ſchaffen? — — Iſt das nicht unmöglich, weil das Geſchaffene doch nie ſeinen Grund in ſich haben kann, was doch, wie Sie ſagten, zur Vollkommenheit gehört. Chaumette. Schweigen Sie! Schweigen Sie! Payne. Beruhige dich, Philoſoph. Sie haben Recht; aber, muß denn Gott einmal ſchaffen, kann er nur was Unvollkommenes ſchaffen, ſo läßt er es geſcheidter ganz bleiben. Iſt’s nicht ſehr menſchlich, uns Gott nur als ſchaffend denken zu können? Weil wir uns immer rühren und ſchütteln müſſen, um uns nur immer ſagen zu können: wir ſind! müſſen wir Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? — Müſſen wir, wenn ſich unſer Geiſt in das Weſen einer harmoniſch in ſich ruhenden, ewigen Seligkeit verſenkt, gleich annehmen, ſie müſſe den Finger ausſtrecken und über Tiſch Brodmännchen kneten, —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/96
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/96>, abgerufen am 18.12.2024.