Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.
Venus stückweise bei allen Grisetten im Palais- Royal zusammen; er macht Mosaik, wie er sagt. Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade ist. Es ist ein Jammer, daß die Natur die Schön- heit, wie Medea ihren Bruder, zerstückt, und sie so in Fragmenten in die Körper gesenkt hat. -- Gehn wir in's Palais-Royal! (Beide ab.) Ein Zimmer. Danton. Marion. Marion. Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen! Danton. Du könntest deine Lippen besser gebrauchen. Marion. Nein, laß mich einmal so. Meine Mutter war eine kluge Frau; sie sagte mir immer: die Keusch- heit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute in's Haus kamen, und von manchen Dingen zu sprechen an- fingen, hieß sie mich aus dem Zimmer gehen; frug ich, was die Leute gewollt hatten, so sagte sie: ich solle mich schämen; gab sie mir ein Buch zu lesen,
Venus ſtückweiſe bei allen Griſetten im Palais- Royal zuſammen; er macht Moſaik, wie er ſagt. Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade iſt. Es iſt ein Jammer, daß die Natur die Schön- heit, wie Medea ihren Bruder, zerſtückt, und ſie ſo in Fragmenten in die Körper geſenkt hat. — Gehn wir in’s Palais-Royal! (Beide ab.) Ein Zimmer. Danton. Marion. Marion. Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen! Danton. Du könnteſt deine Lippen beſſer gebrauchen. Marion. Nein, laß mich einmal ſo. Meine Mutter war eine kluge Frau; ſie ſagte mir immer: die Keuſch- heit ſei eine ſchöne Tugend. Wenn Leute in’s Haus kamen, und von manchen Dingen zu ſprechen an- fingen, hieß ſie mich aus dem Zimmer gehen; frug ich, was die Leute gewollt hatten, ſo ſagte ſie: ich ſolle mich ſchämen; gab ſie mir ein Buch zu leſen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#LAC"> <p><pb n="32" facs="#f0036"/> Venus ſtückweiſe bei allen Griſetten im Palais-<lb/> Royal zuſammen; er macht Moſaik, wie er ſagt.<lb/> Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade<lb/> iſt. Es iſt ein Jammer, daß die Natur die Schön-<lb/> heit, wie Medea ihren Bruder, zerſtückt, und ſie ſo<lb/> in Fragmenten in die Körper geſenkt hat. — Gehn<lb/> wir in’s Palais-Royal!</p> <stage>(Beide ab.)</stage> </sp> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ein Zimmer</hi>.</hi> </head><lb/> <stage><hi rendition="#g">Danton. Marion</hi>.</stage><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marion</hi>.</speaker><lb/> <p>Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will<lb/> dir erzählen!</p> </sp><lb/> <sp who="#DAN"> <speaker><hi rendition="#g">Danton</hi>.</speaker><lb/> <p>Du könnteſt deine Lippen beſſer gebrauchen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MAR"> <speaker><hi rendition="#g">Marion</hi>.</speaker><lb/> <p>Nein, laß mich einmal ſo. Meine Mutter war<lb/> eine kluge Frau; ſie ſagte mir immer: die Keuſch-<lb/> heit ſei eine ſchöne Tugend. Wenn Leute in’s Haus<lb/> kamen, und von manchen Dingen zu ſprechen an-<lb/> fingen, hieß ſie mich aus dem Zimmer gehen; frug<lb/> ich, was die Leute gewollt hatten, ſo ſagte ſie: ich<lb/> ſolle mich ſchämen; gab ſie mir ein Buch zu leſen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0036]
Venus ſtückweiſe bei allen Griſetten im Palais-
Royal zuſammen; er macht Moſaik, wie er ſagt.
Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade
iſt. Es iſt ein Jammer, daß die Natur die Schön-
heit, wie Medea ihren Bruder, zerſtückt, und ſie ſo
in Fragmenten in die Körper geſenkt hat. — Gehn
wir in’s Palais-Royal!(Beide ab.)
Ein Zimmer.
Danton. Marion.
Marion.
Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will
dir erzählen!
Danton.
Du könnteſt deine Lippen beſſer gebrauchen.
Marion.
Nein, laß mich einmal ſo. Meine Mutter war
eine kluge Frau; ſie ſagte mir immer: die Keuſch-
heit ſei eine ſchöne Tugend. Wenn Leute in’s Haus
kamen, und von manchen Dingen zu ſprechen an-
fingen, hieß ſie mich aus dem Zimmer gehen; frug
ich, was die Leute gewollt hatten, ſo ſagte ſie: ich
ſolle mich ſchämen; gab ſie mir ein Buch zu leſen,
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Zitationshilfe: | Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/36>, abgerufen am 03.03.2025. |