Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.
hören und die Republik muß anfangen. -- In un- sern Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Nothwehr an die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seinen Naturtrieb durchsetzen können. Er mag vernünftig oder unvernünftig, ge- bildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir Alle sind Narren, und Keiner hat das Recht, einem Andern seine eigen- thümliche Narrheit aufzudringen und ihm ein Ge- setz daraus zu machen. -- Jeder muß in seiner Art genießen können, jedoch so, daß Keiner auf Unkosten eines Andern genießen oder ihn in seinem eigen- thümlichen Genuß stören darf. Camille. Die Staatsform muß ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß sich darin ausdrücken. Die Gestalt mag nun schön oder häß- lich sein, sie hat einmal das Recht, zu sein wie sie ist, wir sind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuschneiden. -- Wir werden den Leuten, welche über die nackten Schultern der allerliebsten
hören und die Republik muß anfangen. — In un- ſern Staatsgrundſätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Nothwehr an die der Strafe treten. Jeder muß ſich geltend machen und ſeinen Naturtrieb durchſetzen können. Er mag vernünftig oder unvernünftig, ge- bildet oder ungebildet, gut oder böſe ſein, das geht den Staat nichts an. Wir Alle ſind Narren, und Keiner hat das Recht, einem Andern ſeine eigen- thümliche Narrheit aufzudringen und ihm ein Ge- ſetz daraus zu machen. — Jeder muß in ſeiner Art genießen können, jedoch ſo, daß Keiner auf Unkoſten eines Andern genießen oder ihn in ſeinem eigen- thümlichen Genuß ſtören darf. Camille. Die Staatsform muß ein durchſichtiges Gewand ſein, das ſich dicht an den Leib des Volkes ſchmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß ſich darin ausdrücken. Die Geſtalt mag nun ſchön oder häß- lich ſein, ſie hat einmal das Recht, zu ſein wie ſie iſt, wir ſind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuſchneiden. — Wir werden den Leuten, welche über die nackten Schultern der allerliebſten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#HERA"> <p><pb facs="#f0014" n="10"/> hören und die Republik muß anfangen. — In un-<lb/> ſern Staatsgrundſätzen muß das Recht an die Stelle<lb/> der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend<lb/> und die Nothwehr an die der Strafe treten. Jeder muß<lb/> ſich geltend machen und ſeinen Naturtrieb durchſetzen<lb/> können. Er mag vernünftig oder unvernünftig, ge-<lb/> bildet oder ungebildet, gut oder böſe ſein, das geht<lb/> den Staat nichts an. Wir Alle ſind Narren, und<lb/> Keiner hat das Recht, einem Andern ſeine eigen-<lb/> thümliche Narrheit aufzudringen und ihm ein Ge-<lb/> ſetz daraus zu machen. — Jeder muß in ſeiner Art<lb/> genießen können, jedoch ſo, daß Keiner auf Unkoſten<lb/> eines Andern genießen oder ihn in ſeinem eigen-<lb/> thümlichen Genuß ſtören darf.</p> </sp><lb/> <sp who="#CAM"> <speaker><hi rendition="#g">Camille</hi>.</speaker><lb/> <p>Die Staatsform muß ein durchſichtiges Gewand<lb/> ſein, das ſich dicht an den Leib des Volkes ſchmiegt.<lb/> Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der<lb/> Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß ſich darin<lb/> ausdrücken. Die Geſtalt mag nun ſchön oder häß-<lb/> lich ſein, ſie hat einmal das Recht, zu ſein wie ſie<lb/> iſt, wir ſind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach<lb/> Belieben zuzuſchneiden. — Wir werden den Leuten,<lb/> welche über die nackten Schultern der allerliebſten<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [10/0014]
hören und die Republik muß anfangen. — In un-
ſern Staatsgrundſätzen muß das Recht an die Stelle
der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend
und die Nothwehr an die der Strafe treten. Jeder muß
ſich geltend machen und ſeinen Naturtrieb durchſetzen
können. Er mag vernünftig oder unvernünftig, ge-
bildet oder ungebildet, gut oder böſe ſein, das geht
den Staat nichts an. Wir Alle ſind Narren, und
Keiner hat das Recht, einem Andern ſeine eigen-
thümliche Narrheit aufzudringen und ihm ein Ge-
ſetz daraus zu machen. — Jeder muß in ſeiner Art
genießen können, jedoch ſo, daß Keiner auf Unkoſten
eines Andern genießen oder ihn in ſeinem eigen-
thümlichen Genuß ſtören darf.
Camille.
Die Staatsform muß ein durchſichtiges Gewand
ſein, das ſich dicht an den Leib des Volkes ſchmiegt.
Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der
Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß ſich darin
ausdrücken. Die Geſtalt mag nun ſchön oder häß-
lich ſein, ſie hat einmal das Recht, zu ſein wie ſie
iſt, wir ſind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach
Belieben zuzuſchneiden. — Wir werden den Leuten,
welche über die nackten Schultern der allerliebſten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |