Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
ein Mühlwerk gefallen und die Glieder würden mir
langsam systematisch von der kalten physischen Ge-
walt abgedreht. So mechanisch getödtet zu werden!
Camille.
Und dann da liegen, allein, kalt, steif in dem
feuchten Dunst der Fäulniß! Vielleicht, daß Einem
der Tod das Leben langsam aus den Fibern mar-
tert, mit Bewußtsein vielleicht, sich wegzufaulen!
Philippeau.
Seid ruhig, meine Freunde. Wir sind wie die
Herbstzeitlose, welche erst nach dem Winter Samen
trägt. Von Blumen, die versetzt werden, unterschei-
den wir uns nur dadurch, daß wir über dem Ver-
such ein wenig stinken. Ist das so arg?
Danton.
Eine erbauliche Aussicht! Von einem Misthaufen
auf den andern. Nicht wahr, die göttliche Klassen-
theorie? Von Prima nach Secunda, von Secunda
nach Tertia und so weiter? Ich habe die Schul-
bänke satt, ich habe mir Gesäßschwielen wie ein
Affe darauf gesessen.
Philippeau.
Was willst du denn?
ein Mühlwerk gefallen und die Glieder würden mir
langſam ſyſtematiſch von der kalten phyſiſchen Ge-
walt abgedreht. So mechaniſch getödtet zu werden!
Camille.
Und dann da liegen, allein, kalt, ſteif in dem
feuchten Dunſt der Fäulniß! Vielleicht, daß Einem
der Tod das Leben langſam aus den Fibern mar-
tert, mit Bewußtſein vielleicht, ſich wegzufaulen!
Philippeau.
Seid ruhig, meine Freunde. Wir ſind wie die
Herbſtzeitloſe, welche erſt nach dem Winter Samen
trägt. Von Blumen, die verſetzt werden, unterſchei-
den wir uns nur dadurch, daß wir über dem Ver-
ſuch ein wenig ſtinken. Iſt das ſo arg?
Danton.
Eine erbauliche Ausſicht! Von einem Miſthaufen
auf den andern. Nicht wahr, die göttliche Klaſſen-
theorie? Von Prima nach Secunda, von Secunda
nach Tertia und ſo weiter? Ich habe die Schul-
bänke ſatt, ich habe mir Geſäßſchwielen wie ein
Affe darauf geſeſſen.
Philippeau.
Was willſt du denn?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#DAN">
            <p><pb facs="#f0124" n="120"/>
ein Mühlwerk gefallen und die Glieder würden mir<lb/>
lang&#x017F;am &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch von der kalten phy&#x017F;i&#x017F;chen Ge-<lb/>
walt abgedreht. So mechani&#x017F;ch getödtet zu werden!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CAM">
            <speaker><hi rendition="#g">Camille</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Und dann da liegen, allein, kalt, &#x017F;teif in dem<lb/>
feuchten Dun&#x017F;t der Fäulniß! Vielleicht, daß Einem<lb/>
der Tod das Leben lang&#x017F;am aus den Fibern mar-<lb/>
tert, mit Bewußt&#x017F;ein vielleicht, &#x017F;ich wegzufaulen!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PHI">
            <speaker><hi rendition="#g">Philippeau</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Seid ruhig, meine Freunde. Wir &#x017F;ind wie die<lb/>
Herb&#x017F;tzeitlo&#x017F;e, welche er&#x017F;t nach dem Winter Samen<lb/>
trägt. Von Blumen, die ver&#x017F;etzt werden, unter&#x017F;chei-<lb/>
den wir uns nur dadurch, daß wir über dem Ver-<lb/>
&#x017F;uch ein wenig &#x017F;tinken. I&#x017F;t das &#x017F;o arg?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#DAN">
            <speaker><hi rendition="#g">Danton</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Eine erbauliche Aus&#x017F;icht! Von einem Mi&#x017F;thaufen<lb/>
auf den andern. Nicht wahr, die göttliche Kla&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
theorie? Von Prima nach Secunda, von Secunda<lb/>
nach Tertia und &#x017F;o weiter? Ich habe die Schul-<lb/>
bänke &#x017F;att, ich habe mir Ge&#x017F;äß&#x017F;chwielen wie ein<lb/>
Affe darauf ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#PHI">
            <speaker><hi rendition="#g">Philippeau</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Was will&#x017F;t du denn?</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0124] ein Mühlwerk gefallen und die Glieder würden mir langſam ſyſtematiſch von der kalten phyſiſchen Ge- walt abgedreht. So mechaniſch getödtet zu werden! Camille. Und dann da liegen, allein, kalt, ſteif in dem feuchten Dunſt der Fäulniß! Vielleicht, daß Einem der Tod das Leben langſam aus den Fibern mar- tert, mit Bewußtſein vielleicht, ſich wegzufaulen! Philippeau. Seid ruhig, meine Freunde. Wir ſind wie die Herbſtzeitloſe, welche erſt nach dem Winter Samen trägt. Von Blumen, die verſetzt werden, unterſchei- den wir uns nur dadurch, daß wir über dem Ver- ſuch ein wenig ſtinken. Iſt das ſo arg? Danton. Eine erbauliche Ausſicht! Von einem Miſthaufen auf den andern. Nicht wahr, die göttliche Klaſſen- theorie? Von Prima nach Secunda, von Secunda nach Tertia und ſo weiter? Ich habe die Schul- bänke ſatt, ich habe mir Geſäßſchwielen wie ein Affe darauf geſeſſen. Philippeau. Was willſt du denn?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/124
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/124>, abgerufen am 11.12.2024.