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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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nossenschaften, die Klöster, das Bildungswesen; später
kommen die Stadt- und Domschulen auf; der Neuzeit eigen-
tümlich ist die Konzentration und Spezifikation des Unter-
richtswesens in staatlichen Anstalten. Noch deutlicher tritt
diese Entwicklung an den Verteidigungseinrichtungen
hervor. Bei vielen Völkern, die noch jetzt auf der Stufe
der isolierten Wirtschaft stehen, ist jedes einzelne Haus be-
festigt (Pfahlbauten der Malayen, der Polynesier), im
frühern Mittelalter ist der Fronhof mit Wall und Graben
geschützt. Auf der zweiten Wirtschaftsstufe ist jede Stadt
eine Festung. Auf der dritten sichern wenige Grenz-
festungen den ganzen Staat, und es ist bezeichnend ge-
nug, daß Louvois, der Schöpfer des ersten Grenzbefesti-
gungssystems, ein Zeitgenosse Colberts war, des Begründers
der neueren französischen Volkswirtschaft.

Diese Parallelen ließen sich noch lange fortsetzen. Wie
in einer neubezogenen Wohnung es sich zunächst darum
handeln wird, eine vorläufige Ordnung herzustellen, so wird
auch bei dem Gegenstande dieses Vortrags kein Billigdenkender
erwarten, daß alles erschöpft und jede Einzelheit an ihren
gehörigen Platz gestellt sei. Ich fühle selbst am besten, wie
ungenügend durchgearbeitet noch die Erscheinungskreise der
beiden älteren Entwicklungsstufen sind und wie sehr ihr
ökonomischer Begriffsinhalt noch der genaueren Feststellung
bedarf. Aber es mag für diesmal genügen, wenn die Ge-
setzmäßigkeit der Entwickelung im Ganzen und Einzelnen
klar zu Tage getreten ist.

noſſenſchaften, die Klöſter, das Bildungsweſen; ſpäter
kommen die Stadt- und Domſchulen auf; der Neuzeit eigen-
tümlich iſt die Konzentration und Spezifikation des Unter-
richtsweſens in ſtaatlichen Anſtalten. Noch deutlicher tritt
dieſe Entwicklung an den Verteidigungseinrichtungen
hervor. Bei vielen Völkern, die noch jetzt auf der Stufe
der iſolierten Wirtſchaft ſtehen, iſt jedes einzelne Haus be-
feſtigt (Pfahlbauten der Malayen, der Polyneſier), im
frühern Mittelalter iſt der Fronhof mit Wall und Graben
geſchützt. Auf der zweiten Wirtſchaftsſtufe iſt jede Stadt
eine Feſtung. Auf der dritten ſichern wenige Grenz-
feſtungen den ganzen Staat, und es iſt bezeichnend ge-
nug, daß Louvois, der Schöpfer des erſten Grenzbefeſti-
gungsſyſtems, ein Zeitgenoſſe Colberts war, des Begründers
der neueren franzöſiſchen Volkswirtſchaft.

Dieſe Parallelen ließen ſich noch lange fortſetzen. Wie
in einer neubezogenen Wohnung es ſich zunächſt darum
handeln wird, eine vorläufige Ordnung herzuſtellen, ſo wird
auch bei dem Gegenſtande dieſes Vortrags kein Billigdenkender
erwarten, daß alles erſchöpft und jede Einzelheit an ihren
gehörigen Platz geſtellt ſei. Ich fühle ſelbſt am beſten, wie
ungenügend durchgearbeitet noch die Erſcheinungskreiſe der
beiden älteren Entwicklungsſtufen ſind und wie ſehr ihr
ökonomiſcher Begriffsinhalt noch der genaueren Feſtſtellung
bedarf. Aber es mag für diesmal genügen, wenn die Ge-
ſetzmäßigkeit der Entwickelung im Ganzen und Einzelnen
klar zu Tage getreten iſt.

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[75 *[75*]/0097] noſſenſchaften, die Klöſter, das Bildungsweſen; ſpäter kommen die Stadt- und Domſchulen auf; der Neuzeit eigen- tümlich iſt die Konzentration und Spezifikation des Unter- richtsweſens in ſtaatlichen Anſtalten. Noch deutlicher tritt dieſe Entwicklung an den Verteidigungseinrichtungen hervor. Bei vielen Völkern, die noch jetzt auf der Stufe der iſolierten Wirtſchaft ſtehen, iſt jedes einzelne Haus be- feſtigt (Pfahlbauten der Malayen, der Polyneſier), im frühern Mittelalter iſt der Fronhof mit Wall und Graben geſchützt. Auf der zweiten Wirtſchaftsſtufe iſt jede Stadt eine Feſtung. Auf der dritten ſichern wenige Grenz- feſtungen den ganzen Staat, und es iſt bezeichnend ge- nug, daß Louvois, der Schöpfer des erſten Grenzbefeſti- gungsſyſtems, ein Zeitgenoſſe Colberts war, des Begründers der neueren franzöſiſchen Volkswirtſchaft. Dieſe Parallelen ließen ſich noch lange fortſetzen. Wie in einer neubezogenen Wohnung es ſich zunächſt darum handeln wird, eine vorläufige Ordnung herzuſtellen, ſo wird auch bei dem Gegenſtande dieſes Vortrags kein Billigdenkender erwarten, daß alles erſchöpft und jede Einzelheit an ihren gehörigen Platz geſtellt ſei. Ich fühle ſelbſt am beſten, wie ungenügend durchgearbeitet noch die Erſcheinungskreiſe der beiden älteren Entwicklungsſtufen ſind und wie ſehr ihr ökonomiſcher Begriffsinhalt noch der genaueren Feſtſtellung bedarf. Aber es mag für diesmal genügen, wenn die Ge- ſetzmäßigkeit der Entwickelung im Ganzen und Einzelnen klar zu Tage getreten iſt.

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 75 *[75*]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/97>, abgerufen am 23.11.2024.