Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

der Frankfurter Messe sogar Holzklötze noch im XV. Ih.)
als Gewichte benutzt. Um dennoch eine sichere Bestimmung
der ausgetauschten Gütermengen zu erzielen, entzog man den
Beteiligten die Handhabung der Maße und legte sie in die
Hände besonderer Beamten, deren Heranziehung bei jedem
Verkaufe eines Fremden obligatorisch war. Das Amt der
Unterkäufer war es, Käufer und Verkäufer zusammenzu-
bringen, bei der Preisbestimmung zu vermitteln, die Ware
auf etwaige Fehler zu prüfen, dem Käufer auszusuchen so-
viel er gekauft hatte und für die richtige Lieferung besorgt
zu sein. Eigene Geschäfte waren dem Unterkäufer verboten;
er durfte nicht einmal von dem fremden Verkäufer, den er
zu beherbergen pflegte, unverkauft gebliebene Warenreste bei
der Abreise erwerben.

Dieses System des direkten Austausches findet sich bis
auf die feinsten Einzelheiten durchgebildet, wenn auch mit
manchen lokalen Besonderheiten, in allen mittelalterlichen
Städten. Man muß daraus schließen, daß die thatsächlichen
Verhältnisse, denen seine Grundgedanken entsprungen sind,
durchaus zwingender Natur waren. Wie weit es wirklich
durchführbar war, läßt sich nur übersehen, wenn wir die
Frage beantworten können, wie weit der Handel dabei
Raum gefunden hatte.

Außer Zweifel steht, daß es in den Städten einen an-
sässigen Kleinhandel gab. Zu ihm gehörten alle, welche
"Pfennwerte verkaufen für den armen Mann". Um das
zu verstehen, muß man sich gegenwärtig halten, daß alle

der Frankfurter Meſſe ſogar Holzklötze noch im XV. Ih.)
als Gewichte benutzt. Um dennoch eine ſichere Beſtimmung
der ausgetauſchten Gütermengen zu erzielen, entzog man den
Beteiligten die Handhabung der Maße und legte ſie in die
Hände beſonderer Beamten, deren Heranziehung bei jedem
Verkaufe eines Fremden obligatoriſch war. Das Amt der
Unterkäufer war es, Käufer und Verkäufer zuſammenzu-
bringen, bei der Preisbeſtimmung zu vermitteln, die Ware
auf etwaige Fehler zu prüfen, dem Käufer auszuſuchen ſo-
viel er gekauft hatte und für die richtige Lieferung beſorgt
zu ſein. Eigene Geſchäfte waren dem Unterkäufer verboten;
er durfte nicht einmal von dem fremden Verkäufer, den er
zu beherbergen pflegte, unverkauft gebliebene Warenreſte bei
der Abreiſe erwerben.

Dieſes Syſtem des direkten Austauſches findet ſich bis
auf die feinſten Einzelheiten durchgebildet, wenn auch mit
manchen lokalen Beſonderheiten, in allen mittelalterlichen
Städten. Man muß daraus ſchließen, daß die thatſächlichen
Verhältniſſe, denen ſeine Grundgedanken entſprungen ſind,
durchaus zwingender Natur waren. Wie weit es wirklich
durchführbar war, läßt ſich nur überſehen, wenn wir die
Frage beantworten können, wie weit der Handel dabei
Raum gefunden hatte.

Außer Zweifel ſteht, daß es in den Städten einen an-
ſäſſigen Kleinhandel gab. Zu ihm gehörten alle, welche
„Pfennwerte verkaufen für den armen Mann“. Um das
zu verſtehen, muß man ſich gegenwärtig halten, daß alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="55"/>
der Frankfurter Me&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ogar Holzklötze noch im <hi rendition="#aq">XV.</hi> Ih.)<lb/>
als Gewichte benutzt. Um dennoch eine &#x017F;ichere Be&#x017F;timmung<lb/>
der ausgetau&#x017F;chten Gütermengen zu erzielen, entzog man den<lb/>
Beteiligten die Handhabung der Maße und legte &#x017F;ie in die<lb/>
Hände be&#x017F;onderer Beamten, deren Heranziehung bei jedem<lb/>
Verkaufe eines Fremden obligatori&#x017F;ch war. Das Amt der<lb/>
Unterkäufer war es, Käufer und Verkäufer zu&#x017F;ammenzu-<lb/>
bringen, bei der Preisbe&#x017F;timmung zu vermitteln, die Ware<lb/>
auf etwaige Fehler zu prüfen, dem Käufer auszu&#x017F;uchen &#x017F;o-<lb/>
viel er gekauft hatte und für die richtige Lieferung be&#x017F;orgt<lb/>
zu &#x017F;ein. Eigene Ge&#x017F;chäfte waren dem Unterkäufer verboten;<lb/>
er durfte nicht einmal von dem fremden Verkäufer, den er<lb/>
zu beherbergen pflegte, unverkauft gebliebene Warenre&#x017F;te bei<lb/>
der Abrei&#x017F;e erwerben.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es Sy&#x017F;tem des direkten Austau&#x017F;ches findet &#x017F;ich bis<lb/>
auf die fein&#x017F;ten Einzelheiten durchgebildet, wenn auch mit<lb/>
manchen lokalen Be&#x017F;onderheiten, in allen mittelalterlichen<lb/>
Städten. Man muß daraus &#x017F;chließen, daß die that&#x017F;ächlichen<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e, denen &#x017F;eine Grundgedanken ent&#x017F;prungen &#x017F;ind,<lb/>
durchaus zwingender Natur waren. Wie weit es wirklich<lb/>
durchführbar war, läßt &#x017F;ich nur über&#x017F;ehen, wenn wir die<lb/>
Frage beantworten können, wie weit der <hi rendition="#g">Handel</hi> dabei<lb/>
Raum gefunden hatte.</p><lb/>
          <p>Außer Zweifel &#x017F;teht, daß es in den Städten einen an-<lb/>
&#x017F;ä&#x017F;&#x017F;igen <hi rendition="#g">Kleinhandel</hi> gab. Zu ihm gehörten alle, welche<lb/>
&#x201E;Pfennwerte verkaufen für den armen Mann&#x201C;. Um das<lb/>
zu ver&#x017F;tehen, muß man &#x017F;ich gegenwärtig halten, daß alle<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0069] der Frankfurter Meſſe ſogar Holzklötze noch im XV. Ih.) als Gewichte benutzt. Um dennoch eine ſichere Beſtimmung der ausgetauſchten Gütermengen zu erzielen, entzog man den Beteiligten die Handhabung der Maße und legte ſie in die Hände beſonderer Beamten, deren Heranziehung bei jedem Verkaufe eines Fremden obligatoriſch war. Das Amt der Unterkäufer war es, Käufer und Verkäufer zuſammenzu- bringen, bei der Preisbeſtimmung zu vermitteln, die Ware auf etwaige Fehler zu prüfen, dem Käufer auszuſuchen ſo- viel er gekauft hatte und für die richtige Lieferung beſorgt zu ſein. Eigene Geſchäfte waren dem Unterkäufer verboten; er durfte nicht einmal von dem fremden Verkäufer, den er zu beherbergen pflegte, unverkauft gebliebene Warenreſte bei der Abreiſe erwerben. Dieſes Syſtem des direkten Austauſches findet ſich bis auf die feinſten Einzelheiten durchgebildet, wenn auch mit manchen lokalen Beſonderheiten, in allen mittelalterlichen Städten. Man muß daraus ſchließen, daß die thatſächlichen Verhältniſſe, denen ſeine Grundgedanken entſprungen ſind, durchaus zwingender Natur waren. Wie weit es wirklich durchführbar war, läßt ſich nur überſehen, wenn wir die Frage beantworten können, wie weit der Handel dabei Raum gefunden hatte. Außer Zweifel ſteht, daß es in den Städten einen an- ſäſſigen Kleinhandel gab. Zu ihm gehörten alle, welche „Pfennwerte verkaufen für den armen Mann“. Um das zu verſtehen, muß man ſich gegenwärtig halten, daß alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/69
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/69>, abgerufen am 24.11.2024.