Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer Zeit die Stadtherren, später die städtischen Räte geregelt haben, läuft auf die beiden Grundsätze hinaus, daß soweit als irgend möglich öffentlich und aus erster Hand ge- kauft werden müsse und daß alles, was in der Stadt selbst produziert werden könne, darin auch produziert werden solle. Für einheimische Industrie- produkte war der Zwischenhandel jedermann, auch den Hand- werkern selbst, untersagt; für die auswärtige Zufuhr war er nur dann gestattet, wenn dieselbe bereits zu Markte ge- standen hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel war immer die reichliche und preiswürdige Versorgung der einheimischen Konsumenten und die volle Befriedigung der fremden Kunden des städtischen Gewerbes.
Zufuhr- und Absatzgebiet des städtischen Marktes fielen zusammen. Die Bewohner der Landschaft brachten Lebens- mittel und Rohstoffe herein und kauften für den Erlös die Arbeit des städtischen Handwerkers, entweder unmittelbar in Gestalt des Lohnwerks oder mittelbar in Gestalt fertiger Produkte, die vorher stückweise bestellt oder auf dem offenen Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden 1). Bürger und Bauer standen also in einem gegenseitigen Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer wieder der andere, und ein großer Teil dieses Wechsel- verkehrs vollzog sich ohne das Dazwischentreten des Geldes
1) Vgl. unten S. 97 ff.
4 *
Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer Zeit die Stadtherren, ſpäter die ſtädtiſchen Räte geregelt haben, läuft auf die beiden Grundſätze hinaus, daß ſoweit als irgend möglich öffentlich und aus erſter Hand ge- kauft werden müſſe und daß alles, was in der Stadt ſelbſt produziert werden könne, darin auch produziert werden ſolle. Für einheimiſche Induſtrie- produkte war der Zwiſchenhandel jedermann, auch den Hand- werkern ſelbſt, unterſagt; für die auswärtige Zufuhr war er nur dann geſtattet, wenn dieſelbe bereits zu Markte ge- ſtanden hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel war immer die reichliche und preiswürdige Verſorgung der einheimiſchen Konſumenten und die volle Befriedigung der fremden Kunden des ſtädtiſchen Gewerbes.
Zufuhr- und Abſatzgebiet des ſtädtiſchen Marktes fielen zuſammen. Die Bewohner der Landſchaft brachten Lebens- mittel und Rohſtoffe herein und kauften für den Erlös die Arbeit des ſtädtiſchen Handwerkers, entweder unmittelbar in Geſtalt des Lohnwerks oder mittelbar in Geſtalt fertiger Produkte, die vorher ſtückweiſe beſtellt oder auf dem offenen Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden 1). Bürger und Bauer ſtanden alſo in einem gegenſeitigen Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer wieder der andere, und ein großer Teil dieſes Wechſel- verkehrs vollzog ſich ohne das Dazwiſchentreten des Geldes
1) Vgl. unten S. 97 ff.
4 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0065"n="51"/><p>Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer<lb/>
Zeit die Stadtherren, ſpäter die ſtädtiſchen Räte geregelt<lb/>
haben, läuft auf die beiden Grundſätze hinaus, daß ſoweit<lb/>
als irgend möglich <hirendition="#g">öffentlich und aus erſter Hand ge-<lb/>
kauft werden müſſe und daß alles, was in der<lb/>
Stadt ſelbſt produziert werden könne, darin auch<lb/>
produziert werden ſolle</hi>. Für einheimiſche Induſtrie-<lb/>
produkte war der Zwiſchenhandel jedermann, auch den Hand-<lb/>
werkern ſelbſt, unterſagt; für die auswärtige Zufuhr war<lb/>
er nur dann geſtattet, wenn dieſelbe bereits zu Markte ge-<lb/>ſtanden hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel<lb/>
war immer die reichliche und preiswürdige Verſorgung der<lb/>
einheimiſchen Konſumenten und die volle Befriedigung der<lb/>
fremden Kunden des ſtädtiſchen Gewerbes.</p><lb/><p>Zufuhr- und Abſatzgebiet des ſtädtiſchen Marktes fielen<lb/>
zuſammen. Die Bewohner der Landſchaft brachten Lebens-<lb/>
mittel und Rohſtoffe herein und kauften für den Erlös die<lb/>
Arbeit des ſtädtiſchen Handwerkers, entweder unmittelbar<lb/>
in Geſtalt des Lohnwerks oder mittelbar in Geſtalt fertiger<lb/>
Produkte, die vorher ſtückweiſe beſtellt oder auf dem offenen<lb/>
Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden <noteplace="foot"n="1)">Vgl. unten S. 97 ff.</note>.<lb/>
Bürger und Bauer ſtanden alſo in einem gegenſeitigen<lb/>
Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer<lb/>
wieder der andere, und ein großer Teil dieſes Wechſel-<lb/>
verkehrs vollzog ſich ohne das Dazwiſchentreten des Geldes<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4 *</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0065]
Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer
Zeit die Stadtherren, ſpäter die ſtädtiſchen Räte geregelt
haben, läuft auf die beiden Grundſätze hinaus, daß ſoweit
als irgend möglich öffentlich und aus erſter Hand ge-
kauft werden müſſe und daß alles, was in der
Stadt ſelbſt produziert werden könne, darin auch
produziert werden ſolle. Für einheimiſche Induſtrie-
produkte war der Zwiſchenhandel jedermann, auch den Hand-
werkern ſelbſt, unterſagt; für die auswärtige Zufuhr war
er nur dann geſtattet, wenn dieſelbe bereits zu Markte ge-
ſtanden hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel
war immer die reichliche und preiswürdige Verſorgung der
einheimiſchen Konſumenten und die volle Befriedigung der
fremden Kunden des ſtädtiſchen Gewerbes.
Zufuhr- und Abſatzgebiet des ſtädtiſchen Marktes fielen
zuſammen. Die Bewohner der Landſchaft brachten Lebens-
mittel und Rohſtoffe herein und kauften für den Erlös die
Arbeit des ſtädtiſchen Handwerkers, entweder unmittelbar
in Geſtalt des Lohnwerks oder mittelbar in Geſtalt fertiger
Produkte, die vorher ſtückweiſe beſtellt oder auf dem offenen
Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden 1).
Bürger und Bauer ſtanden alſo in einem gegenſeitigen
Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer
wieder der andere, und ein großer Teil dieſes Wechſel-
verkehrs vollzog ſich ohne das Dazwiſchentreten des Geldes
1) Vgl. unten S. 97 ff.
4 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/65>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.