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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer
Zeit die Stadtherren, später die städtischen Räte geregelt
haben, läuft auf die beiden Grundsätze hinaus, daß soweit
als irgend möglich öffentlich und aus erster Hand ge-
kauft werden müsse und daß alles, was in der
Stadt selbst produziert werden könne, darin auch
produziert werden solle
. Für einheimische Industrie-
produkte war der Zwischenhandel jedermann, auch den Hand-
werkern selbst, untersagt; für die auswärtige Zufuhr war
er nur dann gestattet, wenn dieselbe bereits zu Markte ge-
standen hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel
war immer die reichliche und preiswürdige Versorgung der
einheimischen Konsumenten und die volle Befriedigung der
fremden Kunden des städtischen Gewerbes.

Zufuhr- und Absatzgebiet des städtischen Marktes fielen
zusammen. Die Bewohner der Landschaft brachten Lebens-
mittel und Rohstoffe herein und kauften für den Erlös die
Arbeit des städtischen Handwerkers, entweder unmittelbar
in Gestalt des Lohnwerks oder mittelbar in Gestalt fertiger
Produkte, die vorher stückweise bestellt oder auf dem offenen
Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden 1).
Bürger und Bauer standen also in einem gegenseitigen
Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer
wieder der andere, und ein großer Teil dieses Wechsel-
verkehrs vollzog sich ohne das Dazwischentreten des Geldes

1) Vgl. unten S. 97 ff.
4 *

Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer
Zeit die Stadtherren, ſpäter die ſtädtiſchen Räte geregelt
haben, läuft auf die beiden Grundſätze hinaus, daß ſoweit
als irgend möglich öffentlich und aus erſter Hand ge-
kauft werden müſſe und daß alles, was in der
Stadt ſelbſt produziert werden könne, darin auch
produziert werden ſolle
. Für einheimiſche Induſtrie-
produkte war der Zwiſchenhandel jedermann, auch den Hand-
werkern ſelbſt, unterſagt; für die auswärtige Zufuhr war
er nur dann geſtattet, wenn dieſelbe bereits zu Markte ge-
ſtanden hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel
war immer die reichliche und preiswürdige Verſorgung der
einheimiſchen Konſumenten und die volle Befriedigung der
fremden Kunden des ſtädtiſchen Gewerbes.

Zufuhr- und Abſatzgebiet des ſtädtiſchen Marktes fielen
zuſammen. Die Bewohner der Landſchaft brachten Lebens-
mittel und Rohſtoffe herein und kauften für den Erlös die
Arbeit des ſtädtiſchen Handwerkers, entweder unmittelbar
in Geſtalt des Lohnwerks oder mittelbar in Geſtalt fertiger
Produkte, die vorher ſtückweiſe beſtellt oder auf dem offenen
Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden 1).
Bürger und Bauer ſtanden alſo in einem gegenſeitigen
Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer
wieder der andere, und ein großer Teil dieſes Wechſel-
verkehrs vollzog ſich ohne das Dazwiſchentreten des Geldes

1) Vgl. unten S. 97 ff.
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[51/0065] Das ganze mittelalterliche Marktrecht, wie es in älterer Zeit die Stadtherren, ſpäter die ſtädtiſchen Räte geregelt haben, läuft auf die beiden Grundſätze hinaus, daß ſoweit als irgend möglich öffentlich und aus erſter Hand ge- kauft werden müſſe und daß alles, was in der Stadt ſelbſt produziert werden könne, darin auch produziert werden ſolle. Für einheimiſche Induſtrie- produkte war der Zwiſchenhandel jedermann, auch den Hand- werkern ſelbſt, unterſagt; für die auswärtige Zufuhr war er nur dann geſtattet, wenn dieſelbe bereits zu Markte ge- ſtanden hatte und unverkauft geblieben war. Das Ziel war immer die reichliche und preiswürdige Verſorgung der einheimiſchen Konſumenten und die volle Befriedigung der fremden Kunden des ſtädtiſchen Gewerbes. Zufuhr- und Abſatzgebiet des ſtädtiſchen Marktes fielen zuſammen. Die Bewohner der Landſchaft brachten Lebens- mittel und Rohſtoffe herein und kauften für den Erlös die Arbeit des ſtädtiſchen Handwerkers, entweder unmittelbar in Geſtalt des Lohnwerks oder mittelbar in Geſtalt fertiger Produkte, die vorher ſtückweiſe beſtellt oder auf dem offenen Markte am Stande des Preiswerkers entnommen wurden 1). Bürger und Bauer ſtanden alſo in einem gegenſeitigen Kundenverhältnis: was der eine erzeugte, brauchte immer wieder der andere, und ein großer Teil dieſes Wechſel- verkehrs vollzog ſich ohne das Dazwiſchentreten des Geldes 1) Vgl. unten S. 97 ff. 4 *

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/65>, abgerufen am 24.11.2024.