in Kasten und Truhe, in Keller und Speicher als eine Art Versicherungsfonds lagert.
Zu dem letzteren gehört auch das Geld. Soweit es im Tausche gebraucht wird, ist es für den Empfänger in der Regel nicht vorläufiger, sondern definitiver Gegenwert. Seine Hauptrolle spielt es nicht auf dem Boden der Tausch- vermittlung, sondern auf dem der Wertaufbewahrung, der Wertmessung und Wertübertragung. Darlehen von einer Wirtschaft an die andere finden zwar statt; aber sie sind in der Regel unverzinslich und dienen konsumtiven Zwecken. Der Produktivkredit verträgt sich mit dieser Wirtschafts- weise nicht. Wo sich das verzinsliche Gelddarlehen ein- drängt, erscheint es als etwas Unnatürliches und zieht, wie man aus der griechischen und römischen Geschichte weiß, das Verderben des Schuldners nach sich. Das kanonische Zinsverbot entsprang darum nicht moraltheologischer Be- liebung, sondern ökonomischer Notwendigkeit.
Wo sich eine direkte Staatssteuer ausgebildet hat, ist es regelmäßig eine außerordentliche Vermögenssteuer, meist von grundsteuerartigem Charakter. So die athenische eisphora, das römische tributum civium und der mitteralterliche Schoß oder die Bede. Die Idee der Einkommensbesteuerung, so naturgemäß und selbstverständlich sie uns erscheint, würde für unsere Vorfahren schlechterdings unfaßbar gewesen sein.
Die geschlossene Hauswirtschaft wird durch eine Jahr- hunderte dauernde Umbildung übergeführt in die Wirt-
in Kaſten und Truhe, in Keller und Speicher als eine Art Verſicherungsfonds lagert.
Zu dem letzteren gehört auch das Geld. Soweit es im Tauſche gebraucht wird, iſt es für den Empfänger in der Regel nicht vorläufiger, ſondern definitiver Gegenwert. Seine Hauptrolle ſpielt es nicht auf dem Boden der Tauſch- vermittlung, ſondern auf dem der Wertaufbewahrung, der Wertmeſſung und Wertübertragung. Darlehen von einer Wirtſchaft an die andere finden zwar ſtatt; aber ſie ſind in der Regel unverzinslich und dienen konſumtiven Zwecken. Der Produktivkredit verträgt ſich mit dieſer Wirtſchafts- weiſe nicht. Wo ſich das verzinsliche Gelddarlehen ein- drängt, erſcheint es als etwas Unnatürliches und zieht, wie man aus der griechiſchen und römiſchen Geſchichte weiß, das Verderben des Schuldners nach ſich. Das kanoniſche Zinsverbot entſprang darum nicht moraltheologiſcher Be- liebung, ſondern ökonomiſcher Notwendigkeit.
Wo ſich eine direkte Staatsſteuer ausgebildet hat, iſt es regelmäßig eine außerordentliche Vermögensſteuer, meiſt von grundſteuerartigem Charakter. So die atheniſche εἰςφορά, das römiſche tributum civium und der mitteralterliche Schoß oder die Bede. Die Idee der Einkommensbeſteuerung, ſo naturgemäß und ſelbſtverſtändlich ſie uns erſcheint, würde für unſere Vorfahren ſchlechterdings unfaßbar geweſen ſein.
Die geſchloſſene Hauswirtſchaft wird durch eine Jahr- hunderte dauernde Umbildung übergeführt in die Wirt-
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in Kaſten und Truhe, in Keller und Speicher als eine Art
Verſicherungsfonds lagert.
Zu dem letzteren gehört auch das Geld. Soweit es
im Tauſche gebraucht wird, iſt es für den Empfänger in
der Regel nicht vorläufiger, ſondern definitiver Gegenwert.
Seine Hauptrolle ſpielt es nicht auf dem Boden der Tauſch-
vermittlung, ſondern auf dem der Wertaufbewahrung, der
Wertmeſſung und Wertübertragung. Darlehen von einer
Wirtſchaft an die andere finden zwar ſtatt; aber ſie ſind
in der Regel unverzinslich und dienen konſumtiven Zwecken.
Der Produktivkredit verträgt ſich mit dieſer Wirtſchafts-
weiſe nicht. Wo ſich das verzinsliche Gelddarlehen ein-
drängt, erſcheint es als etwas Unnatürliches und zieht, wie
man aus der griechiſchen und römiſchen Geſchichte weiß,
das Verderben des Schuldners nach ſich. Das kanoniſche
Zinsverbot entſprang darum nicht moraltheologiſcher Be-
liebung, ſondern ökonomiſcher Notwendigkeit.
Wo ſich eine direkte Staatsſteuer ausgebildet hat, iſt
es regelmäßig eine außerordentliche Vermögensſteuer, meiſt
von grundſteuerartigem Charakter. So die atheniſche εἰςφορά,
das römiſche tributum civium und der mitteralterliche Schoß
oder die Bede. Die Idee der Einkommensbeſteuerung, ſo
naturgemäß und ſelbſtverſtändlich ſie uns erſcheint, würde
für unſere Vorfahren ſchlechterdings unfaßbar geweſen ſein.
Die geſchloſſene Hauswirtſchaft wird durch eine Jahr-
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/56>, abgerufen am 31.07.2024.
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