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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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mierung des Bettelns, die Verbindung des Nomadenlebens
und des ältesten Seehandels mit dem Raub, die außer-
ordentliche Verbreitung des Feld- und Viehdiebstahls bei rohen
Ackerbauvölkern sind darum gewöhnliche Begleiterscheinungen
der geschlossenen Hauswirtschaft.

Nach dem Gesagten wird es klar geworden sein, daß
bei dieser Art der Bedürfnisbefriedigung die wesentlichen
wirtschaftlichen Erscheinungen sich verschieden gestalten müssen
von den Erscheinungen der modernen Volkswirtschaft. Be-
dürfnis, Arbeit, Produktion, Produktionsmittel, Produkt,
Gebrauchsvorrat, Gebrauchswert, Konsumtion: das sind die
wenigen Begriffe, die im regulären Gang der Dinge den
ökonomischen Erscheinungskreis erschöpfen. Es gibt keine
volkswirtschaftliche Arbeitsteilung und darum keine Berufs-
stände, keine Unternehmungen, kein Kapital im Sinne eines
zu Erwerbszwecken dienenden Gütervorrats. Die Kategorien
Industrie- und Handelskapital, Leih- und Nutzkapital sind
ganz ausgeschlossen. Will man den Ausdruck Kapital nach
verbreiteter Uebung auf Produktionsmittel schlechthin an-
wenden, so muß man ihn jedenfalls auf Werkzeuge und
Geräte (das sog. stehende Kapital) beschränken. Was man
in der neueren Theorie als umlaufendes Kapital zu be-
zeichnen pflegt, ist in der geschlossenen Hauswirtschaft ledig-
lich Gebrauchsvermögen, das der Genußreife entgegen geht:
unfertiges oder halbfertiges Produkt. Es gibt im regel-
mäßigen Verlauf der Wirtschaft auch keine Waren, keinen
Preis, keinen Güterumlauf, keine Einkommensverteilung

mierung des Bettelns, die Verbindung des Nomadenlebens
und des älteſten Seehandels mit dem Raub, die außer-
ordentliche Verbreitung des Feld- und Viehdiebſtahls bei rohen
Ackerbauvölkern ſind darum gewöhnliche Begleiterſcheinungen
der geſchloſſenen Hauswirtſchaft.

Nach dem Geſagten wird es klar geworden ſein, daß
bei dieſer Art der Bedürfnisbefriedigung die weſentlichen
wirtſchaftlichen Erſcheinungen ſich verſchieden geſtalten müſſen
von den Erſcheinungen der modernen Volkswirtſchaft. Be-
dürfnis, Arbeit, Produktion, Produktionsmittel, Produkt,
Gebrauchsvorrat, Gebrauchswert, Konſumtion: das ſind die
wenigen Begriffe, die im regulären Gang der Dinge den
ökonomiſchen Erſcheinungskreis erſchöpfen. Es gibt keine
volkswirtſchaftliche Arbeitsteilung und darum keine Berufs-
ſtände, keine Unternehmungen, kein Kapital im Sinne eines
zu Erwerbszwecken dienenden Gütervorrats. Die Kategorien
Induſtrie- und Handelskapital, Leih- und Nutzkapital ſind
ganz ausgeſchloſſen. Will man den Ausdruck Kapital nach
verbreiteter Uebung auf Produktionsmittel ſchlechthin an-
wenden, ſo muß man ihn jedenfalls auf Werkzeuge und
Geräte (das ſog. ſtehende Kapital) beſchränken. Was man
in der neueren Theorie als umlaufendes Kapital zu be-
zeichnen pflegt, iſt in der geſchloſſenen Hauswirtſchaft ledig-
lich Gebrauchsvermögen, das der Genußreife entgegen geht:
unfertiges oder halbfertiges Produkt. Es gibt im regel-
mäßigen Verlauf der Wirtſchaft auch keine Waren, keinen
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[40/0054] mierung des Bettelns, die Verbindung des Nomadenlebens und des älteſten Seehandels mit dem Raub, die außer- ordentliche Verbreitung des Feld- und Viehdiebſtahls bei rohen Ackerbauvölkern ſind darum gewöhnliche Begleiterſcheinungen der geſchloſſenen Hauswirtſchaft. Nach dem Geſagten wird es klar geworden ſein, daß bei dieſer Art der Bedürfnisbefriedigung die weſentlichen wirtſchaftlichen Erſcheinungen ſich verſchieden geſtalten müſſen von den Erſcheinungen der modernen Volkswirtſchaft. Be- dürfnis, Arbeit, Produktion, Produktionsmittel, Produkt, Gebrauchsvorrat, Gebrauchswert, Konſumtion: das ſind die wenigen Begriffe, die im regulären Gang der Dinge den ökonomiſchen Erſcheinungskreis erſchöpfen. Es gibt keine volkswirtſchaftliche Arbeitsteilung und darum keine Berufs- ſtände, keine Unternehmungen, kein Kapital im Sinne eines zu Erwerbszwecken dienenden Gütervorrats. Die Kategorien Induſtrie- und Handelskapital, Leih- und Nutzkapital ſind ganz ausgeſchloſſen. Will man den Ausdruck Kapital nach verbreiteter Uebung auf Produktionsmittel ſchlechthin an- wenden, ſo muß man ihn jedenfalls auf Werkzeuge und Geräte (das ſog. ſtehende Kapital) beſchränken. Was man in der neueren Theorie als umlaufendes Kapital zu be- zeichnen pflegt, iſt in der geſchloſſenen Hauswirtſchaft ledig- lich Gebrauchsvermögen, das der Genußreife entgegen geht: unfertiges oder halbfertiges Produkt. Es gibt im regel- mäßigen Verlauf der Wirtſchaft auch keine Waren, keinen Preis, keinen Güterumlauf, keine Einkommensverteilung

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/54>, abgerufen am 24.11.2024.