gesetzt sind, oder wo es dem Käufer freigestellt wird, eine Geldsumme zu zahlen in quo potuerit.
Wenn Lamprecht über das französische Wirtschafts- leben des elften Jahrhunderts sagt, daß man nur im Not- falle kaufte 1), so gilt das in der Hauptsache auch vom Ver- kaufe. Der Tausch ist ein der geschlossenen Hauswirtschaft fremdes Element, dessen Eindringen sie so lange und so zäh als möglich Widerstand entgegengesetzt. Der Kauf ist regelmäßig Barkauf, an feierliche, schwerfällige Formen ge- bunden. Das älteste römische Stadtrecht schreibt vor, daß der Kauf vor fünf mannbaren römischen Bürgern als Zeugen stattzufinden hat: dem Verkäufer wird das Rohkupfer, in welchem der Kaufpreis besteht, durch einen gelernten Wag- meister (libripens) zugewogen; der Käufer ergreift mit solennen Worten von der gekauften Sache Besitz. Man halte damit zusammen die umständliche Symbolik des alten deutschen Verkehrsrechts, und man wird sich leicht über- zeugen, daß in der Wirtschaftsepoche, welche diesen starren Rechtsformalismus geschaffen hat, Kauf und Verkauf, Pacht und Miete nicht Geschäfte des täglichen Lebens sein konnten. In die innere Ordnung der Einzelwirtschaft drang dem- gemäß auch der Tauschwert nicht bestimmend ein; diese kannte nur Bedarfsproduktion und wo solche nicht aus- reichte, das Geschenk, die freiwillige Gabe, nötigenfalls auch den Raub. Die Ausbildung der Gastfreundschaft, die Legiti-
1) Französ. Wirtschaftsleben S. 132. Vgl. auch Lamprecht's Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, II, S. 374 ff.
geſetzt ſind, oder wo es dem Käufer freigeſtellt wird, eine Geldſumme zu zahlen in quo potuerit.
Wenn Lamprecht über das franzöſiſche Wirtſchafts- leben des elften Jahrhunderts ſagt, daß man nur im Not- falle kaufte 1), ſo gilt das in der Hauptſache auch vom Ver- kaufe. Der Tauſch iſt ein der geſchloſſenen Hauswirtſchaft fremdes Element, deſſen Eindringen ſie ſo lange und ſo zäh als möglich Widerſtand entgegengeſetzt. Der Kauf iſt regelmäßig Barkauf, an feierliche, ſchwerfällige Formen ge- bunden. Das älteſte römiſche Stadtrecht ſchreibt vor, daß der Kauf vor fünf mannbaren römiſchen Bürgern als Zeugen ſtattzufinden hat: dem Verkäufer wird das Rohkupfer, in welchem der Kaufpreis beſteht, durch einen gelernten Wag- meiſter (libripens) zugewogen; der Käufer ergreift mit ſolennen Worten von der gekauften Sache Beſitz. Man halte damit zuſammen die umſtändliche Symbolik des alten deutſchen Verkehrsrechts, und man wird ſich leicht über- zeugen, daß in der Wirtſchaftsepoche, welche dieſen ſtarren Rechtsformalismus geſchaffen hat, Kauf und Verkauf, Pacht und Miete nicht Geſchäfte des täglichen Lebens ſein konnten. In die innere Ordnung der Einzelwirtſchaft drang dem- gemäß auch der Tauſchwert nicht beſtimmend ein; dieſe kannte nur Bedarfsproduktion und wo ſolche nicht aus- reichte, das Geſchenk, die freiwillige Gabe, nötigenfalls auch den Raub. Die Ausbildung der Gaſtfreundſchaft, die Legiti-
1) Franzöſ. Wirtſchaftsleben S. 132. Vgl. auch Lamprecht’s Deutſches Wirtſchaftsleben im Mittelalter, II, S. 374 ff.
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geſetzt ſind, oder wo es dem Käufer freigeſtellt wird, eine
Geldſumme zu zahlen in quo potuerit.
Wenn Lamprecht über das franzöſiſche Wirtſchafts-
leben des elften Jahrhunderts ſagt, daß man nur im Not-
falle kaufte 1), ſo gilt das in der Hauptſache auch vom Ver-
kaufe. Der Tauſch iſt ein der geſchloſſenen Hauswirtſchaft
fremdes Element, deſſen Eindringen ſie ſo lange und ſo
zäh als möglich Widerſtand entgegengeſetzt. Der Kauf iſt
regelmäßig Barkauf, an feierliche, ſchwerfällige Formen ge-
bunden. Das älteſte römiſche Stadtrecht ſchreibt vor, daß
der Kauf vor fünf mannbaren römiſchen Bürgern als Zeugen
ſtattzufinden hat: dem Verkäufer wird das Rohkupfer, in
welchem der Kaufpreis beſteht, durch einen gelernten Wag-
meiſter (libripens) zugewogen; der Käufer ergreift mit
ſolennen Worten von der gekauften Sache Beſitz. Man
halte damit zuſammen die umſtändliche Symbolik des alten
deutſchen Verkehrsrechts, und man wird ſich leicht über-
zeugen, daß in der Wirtſchaftsepoche, welche dieſen ſtarren
Rechtsformalismus geſchaffen hat, Kauf und Verkauf, Pacht
und Miete nicht Geſchäfte des täglichen Lebens ſein konnten.
In die innere Ordnung der Einzelwirtſchaft drang dem-
gemäß auch der Tauſchwert nicht beſtimmend ein; dieſe
kannte nur Bedarfsproduktion und wo ſolche nicht aus-
reichte, das Geſchenk, die freiwillige Gabe, nötigenfalls auch
den Raub. Die Ausbildung der Gaſtfreundſchaft, die Legiti-
1) Franzöſ. Wirtſchaftsleben S. 132. Vgl. auch Lamprecht’s
Deutſches Wirtſchaftsleben im Mittelalter, II, S. 374 ff.
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/53>, abgerufen am 08.07.2024.
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