die Gesundheit des Volkes ist die Volksvermehrung heute eine raschere und stetigere als im Mittelalter. Sie bleibt bewahrt von jenen schweren Rückschlägen, welche Mißernten, Seuchen, Hungersnöte damals so häufig hervorbrachten. Die Wanderungen nach den großen Städten und Industrie- bezirken saugen darum vielfach nur einen Bevölkerungs- überschuß auf, der an den Orten wo er entstanden ist, nicht Nahrungsspielraum genug finden würde. Sie ver- langsamen an diesen Stellen die Verdichtung der Be- völkerung oder hindern sie vollständig, während auf der anderen Seite in den Agglomerationspunkten sich ihrer fortgesetzten raschen Vermehrung wirtschaftliche Hindernisse nicht entgegensetzen. Im Mittelalter dagegen verteilte sich die Zuwanderung auf eine außerordentlich große Zahl über das ganze Land in gewissen Abständen zerstreuter um- mauerter Wohnplätze. Sie dauerte überall nur so lange, bis eine Stadt voll war. Hatte sie so viel Einwohner, als sie zur Besetzung ihrer Mauern und Türme und zur Füllung aller Nahrungszweige brauchte, so konnten andere nicht mehr Platz finden. Stadterweiterungen sind aller- dings auch im Mittelalter vielfach vorgekommen; sie hängen mit der zunehmenden Berufsbildung und Berufsteilung zu- sammen; aber Großstädte hat das Mittelalter nicht aus- gebildet und bei seiner Wirtschafts- und Verkehrsordnung nicht ausbilden können. Es hat dem Lande oftmals die Bevölkerung entzogen, die es zur Bebauung des Bodens bedurfte, um dann doch bei den häufigen großen Be-
die Geſundheit des Volkes iſt die Volksvermehrung heute eine raſchere und ſtetigere als im Mittelalter. Sie bleibt bewahrt von jenen ſchweren Rückſchlägen, welche Mißernten, Seuchen, Hungersnöte damals ſo häufig hervorbrachten. Die Wanderungen nach den großen Städten und Induſtrie- bezirken ſaugen darum vielfach nur einen Bevölkerungs- überſchuß auf, der an den Orten wo er entſtanden iſt, nicht Nahrungsſpielraum genug finden würde. Sie ver- langſamen an dieſen Stellen die Verdichtung der Be- völkerung oder hindern ſie vollſtändig, während auf der anderen Seite in den Agglomerationspunkten ſich ihrer fortgeſetzten raſchen Vermehrung wirtſchaftliche Hinderniſſe nicht entgegenſetzen. Im Mittelalter dagegen verteilte ſich die Zuwanderung auf eine außerordentlich große Zahl über das ganze Land in gewiſſen Abſtänden zerſtreuter um- mauerter Wohnplätze. Sie dauerte überall nur ſo lange, bis eine Stadt voll war. Hatte ſie ſo viel Einwohner, als ſie zur Beſetzung ihrer Mauern und Türme und zur Füllung aller Nahrungszweige brauchte, ſo konnten andere nicht mehr Platz finden. Stadterweiterungen ſind aller- dings auch im Mittelalter vielfach vorgekommen; ſie hängen mit der zunehmenden Berufsbildung und Berufsteilung zu- ſammen; aber Großſtädte hat das Mittelalter nicht aus- gebildet und bei ſeiner Wirtſchafts- und Verkehrsordnung nicht ausbilden können. Es hat dem Lande oftmals die Bevölkerung entzogen, die es zur Bebauung des Bodens bedurfte, um dann doch bei den häufigen großen Be-
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die Geſundheit des Volkes iſt die Volksvermehrung heute
eine raſchere und ſtetigere als im Mittelalter. Sie bleibt
bewahrt von jenen ſchweren Rückſchlägen, welche Mißernten,
Seuchen, Hungersnöte damals ſo häufig hervorbrachten.
Die Wanderungen nach den großen Städten und Induſtrie-
bezirken ſaugen darum vielfach nur einen Bevölkerungs-
überſchuß auf, der an den Orten wo er entſtanden iſt,
nicht Nahrungsſpielraum genug finden würde. Sie ver-
langſamen an dieſen Stellen die Verdichtung der Be-
völkerung oder hindern ſie vollſtändig, während auf der
anderen Seite in den Agglomerationspunkten ſich ihrer
fortgeſetzten raſchen Vermehrung wirtſchaftliche Hinderniſſe
nicht entgegenſetzen. Im Mittelalter dagegen verteilte ſich
die Zuwanderung auf eine außerordentlich große Zahl über
das ganze Land in gewiſſen Abſtänden zerſtreuter um-
mauerter Wohnplätze. Sie dauerte überall nur ſo lange,
bis eine Stadt voll war. Hatte ſie ſo viel Einwohner,
als ſie zur Beſetzung ihrer Mauern und Türme und zur
Füllung aller Nahrungszweige brauchte, ſo konnten andere
nicht mehr Platz finden. Stadterweiterungen ſind aller-
dings auch im Mittelalter vielfach vorgekommen; ſie hängen
mit der zunehmenden Berufsbildung und Berufsteilung zu-
ſammen; aber Großſtädte hat das Mittelalter nicht aus-
gebildet und bei ſeiner Wirtſchafts- und Verkehrsordnung
nicht ausbilden können. Es hat dem Lande oftmals die
Bevölkerung entzogen, die es zur Bebauung des Bodens
bedurfte, um dann doch bei den häufigen großen Be-
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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