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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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Eine Großstadt übt auf die Bevölkerung der kleineren
Städte dieselbe Anziehungskraft aus wie die letzteren auf
die Bevölkerung des platten Landes. Die Uebergänge aus
einem Sozial- und Wirtschaftskreise in den andern gestalten
sich auf diese Weise weniger schroff, und es findet so eine
allmähliche Hebung der wandernden Massen und eine von
Generation zu Generation fortschreitende Vorbereitung für
die Anforderungen des großstädtischen Lebens statt, welche
im Bereiche des letzteren die unvermeidlichen Anpassungs-
kämpfe mildern muß.

Wenn die Städte nach dem Gesagten heute einen ähn-
lichen Neuverteilungsprozeß der Bevölkerung zum Ausdruck
bringen, wie er sich bereits einmal im Mittelalter vollzogen
hat, so ist die Aehnlichkeit zwischen beiden Vorgängen doch
nur eine äußerliche. Handelte es sich im XIV. und XV.
Jahrhundert um die letzten Stadien einer Entwickelung,
deren Endziel die Ausbildung zahlreicher kleiner autonomer
Wirtschaftsgebiete war, von denen eines dem andern in
harmonischer Ausgestaltung der Produktion durchaus ähnlich
war, so handelt es sich im XIX. Jahrhundert um eine
steigende Differenzierung der einzelnen Wohnplätze, ent-
sprechend den Zwecken eines größeren Ganzen: der staatlich
geordneten Volkswirtschaft.

Dieser Prozeß beginnt mit der Ausbildung des mo-
dernen Staates und der modernen Staatsverwaltung.
Während bis dahin jede Stadt alle Zweige des städtischen
Lebens in sich ausgebildet hatte, soweit dieselben nicht von

Eine Großſtadt übt auf die Bevölkerung der kleineren
Städte dieſelbe Anziehungskraft aus wie die letzteren auf
die Bevölkerung des platten Landes. Die Uebergänge aus
einem Sozial- und Wirtſchaftskreiſe in den andern geſtalten
ſich auf dieſe Weiſe weniger ſchroff, und es findet ſo eine
allmähliche Hebung der wandernden Maſſen und eine von
Generation zu Generation fortſchreitende Vorbereitung für
die Anforderungen des großſtädtiſchen Lebens ſtatt, welche
im Bereiche des letzteren die unvermeidlichen Anpaſſungs-
kämpfe mildern muß.

Wenn die Städte nach dem Geſagten heute einen ähn-
lichen Neuverteilungsprozeß der Bevölkerung zum Ausdruck
bringen, wie er ſich bereits einmal im Mittelalter vollzogen
hat, ſo iſt die Aehnlichkeit zwiſchen beiden Vorgängen doch
nur eine äußerliche. Handelte es ſich im XIV. und XV.
Jahrhundert um die letzten Stadien einer Entwickelung,
deren Endziel die Ausbildung zahlreicher kleiner autonomer
Wirtſchaftsgebiete war, von denen eines dem andern in
harmoniſcher Ausgeſtaltung der Produktion durchaus ähnlich
war, ſo handelt es ſich im XIX. Jahrhundert um eine
ſteigende Differenzierung der einzelnen Wohnplätze, ent-
ſprechend den Zwecken eines größeren Ganzen: der ſtaatlich
geordneten Volkswirtſchaft.

Dieſer Prozeß beginnt mit der Ausbildung des mo-
dernen Staates und der modernen Staatsverwaltung.
Während bis dahin jede Stadt alle Zweige des ſtädtiſchen
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[295/0317] Eine Großſtadt übt auf die Bevölkerung der kleineren Städte dieſelbe Anziehungskraft aus wie die letzteren auf die Bevölkerung des platten Landes. Die Uebergänge aus einem Sozial- und Wirtſchaftskreiſe in den andern geſtalten ſich auf dieſe Weiſe weniger ſchroff, und es findet ſo eine allmähliche Hebung der wandernden Maſſen und eine von Generation zu Generation fortſchreitende Vorbereitung für die Anforderungen des großſtädtiſchen Lebens ſtatt, welche im Bereiche des letzteren die unvermeidlichen Anpaſſungs- kämpfe mildern muß. Wenn die Städte nach dem Geſagten heute einen ähn- lichen Neuverteilungsprozeß der Bevölkerung zum Ausdruck bringen, wie er ſich bereits einmal im Mittelalter vollzogen hat, ſo iſt die Aehnlichkeit zwiſchen beiden Vorgängen doch nur eine äußerliche. Handelte es ſich im XIV. und XV. Jahrhundert um die letzten Stadien einer Entwickelung, deren Endziel die Ausbildung zahlreicher kleiner autonomer Wirtſchaftsgebiete war, von denen eines dem andern in harmoniſcher Ausgeſtaltung der Produktion durchaus ähnlich war, ſo handelt es ſich im XIX. Jahrhundert um eine ſteigende Differenzierung der einzelnen Wohnplätze, ent- ſprechend den Zwecken eines größeren Ganzen: der ſtaatlich geordneten Volkswirtſchaft. Dieſer Prozeß beginnt mit der Ausbildung des mo- dernen Staates und der modernen Staatsverwaltung. Während bis dahin jede Stadt alle Zweige des ſtädtiſchen Lebens in ſich ausgebildet hatte, ſoweit dieſelben nicht von

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/317>, abgerufen am 22.11.2024.