Staatsgebietes; die einzige soziale Organisation von inter- nationalem Charakter ist die Kirche.
Und jener Staat selbst wieder, wie ärmlich, wie schwach nimmt er sich aus gegenüber der reichen Machtfülle des modernen Staates! Gar vieles, was heute der Zwangs- gewalt der politischen Gemeinschaft unterworfen ist, war im Mittelalter der freien Selbstbethätigung der Gesellschaft überlassen. Die wichtigsten Gemeinschaftszwecke mußten engumgrenzten lokalen Verbänden zur Erfüllung anheim- gegeben werden. Ja diese kleinen organisierten sozialen Gruppen gewinnen oft eine Kraftfülle und Bedeutung, die Viele verleitet, sie als politische Gestaltungen, als Staaten im Staate anzusehen, was sie, wenigstens ursprünglich, durchaus nicht sind.
Dies gilt in vollem Maße von den Städten.
Ursprünglich nichts anderes als bäuerliche Nieder- lassungen, welche sich von den Dörfern nur durch ihre Be- festigung unterscheiden, werden sie bald der Sitz der Märkte und des freien Verkehrs und im Anschluß an diesen auch der bürgerlichen Freiheit. Sie werden der Zufluchtsort der tüchtigeren Elemente der hörigen Landbevölkerung, und sie entwickeln in ihrem Schooße rasch nach einander zwei neue Berufsstände, welche der Gesellschaft bis dahin gefehlt hatten, den Handwerker- und den Handelsstand. Sie bilden neben dem Grundbesitz, wenn auch nicht unabhängig von ihm, eine neue Art von Vermögen aus, das mobile Kapital.
So sind die Städte durch und durch soziale Bildungen:
Staatsgebietes; die einzige ſoziale Organiſation von inter- nationalem Charakter iſt die Kirche.
Und jener Staat ſelbſt wieder, wie ärmlich, wie ſchwach nimmt er ſich aus gegenüber der reichen Machtfülle des modernen Staates! Gar vieles, was heute der Zwangs- gewalt der politiſchen Gemeinſchaft unterworfen iſt, war im Mittelalter der freien Selbſtbethätigung der Geſellſchaft überlaſſen. Die wichtigſten Gemeinſchaftszwecke mußten engumgrenzten lokalen Verbänden zur Erfüllung anheim- gegeben werden. Ja dieſe kleinen organiſierten ſozialen Gruppen gewinnen oft eine Kraftfülle und Bedeutung, die Viele verleitet, ſie als politiſche Geſtaltungen, als Staaten im Staate anzuſehen, was ſie, wenigſtens urſprünglich, durchaus nicht ſind.
Dies gilt in vollem Maße von den Städten.
Urſprünglich nichts anderes als bäuerliche Nieder- laſſungen, welche ſich von den Dörfern nur durch ihre Be- feſtigung unterſcheiden, werden ſie bald der Sitz der Märkte und des freien Verkehrs und im Anſchluß an dieſen auch der bürgerlichen Freiheit. Sie werden der Zufluchtsort der tüchtigeren Elemente der hörigen Landbevölkerung, und ſie entwickeln in ihrem Schooße raſch nach einander zwei neue Berufsſtände, welche der Geſellſchaft bis dahin gefehlt hatten, den Handwerker- und den Handelsſtand. Sie bilden neben dem Grundbeſitz, wenn auch nicht unabhängig von ihm, eine neue Art von Vermögen aus, das mobile Kapital.
So ſind die Städte durch und durch ſoziale Bildungen:
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Staatsgebietes; die einzige ſoziale Organiſation von inter-
nationalem Charakter iſt die Kirche.
Und jener Staat ſelbſt wieder, wie ärmlich, wie ſchwach
nimmt er ſich aus gegenüber der reichen Machtfülle des
modernen Staates! Gar vieles, was heute der Zwangs-
gewalt der politiſchen Gemeinſchaft unterworfen iſt, war
im Mittelalter der freien Selbſtbethätigung der Geſellſchaft
überlaſſen. Die wichtigſten Gemeinſchaftszwecke mußten
engumgrenzten lokalen Verbänden zur Erfüllung anheim-
gegeben werden. Ja dieſe kleinen organiſierten ſozialen
Gruppen gewinnen oft eine Kraftfülle und Bedeutung, die
Viele verleitet, ſie als politiſche Geſtaltungen, als Staaten
im Staate anzuſehen, was ſie, wenigſtens urſprünglich,
durchaus nicht ſind.
Dies gilt in vollem Maße von den Städten.
Urſprünglich nichts anderes als bäuerliche Nieder-
laſſungen, welche ſich von den Dörfern nur durch ihre Be-
feſtigung unterſcheiden, werden ſie bald der Sitz der Märkte
und des freien Verkehrs und im Anſchluß an dieſen auch
der bürgerlichen Freiheit. Sie werden der Zufluchtsort
der tüchtigeren Elemente der hörigen Landbevölkerung, und
ſie entwickeln in ihrem Schooße raſch nach einander zwei
neue Berufsſtände, welche der Geſellſchaft bis dahin gefehlt
hatten, den Handwerker- und den Handelsſtand. Sie bilden
neben dem Grundbeſitz, wenn auch nicht unabhängig von
ihm, eine neue Art von Vermögen aus, das mobile Kapital.
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/235>, abgerufen am 31.07.2024.
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