neuer Nachrichten zugleich zu einem Händler mit öffentlicher Meinung wurde.
Das hatte zunächst kein weiteres Bedenken, als daß der Verleger in den Stand gesetzt wurde, das Risiko seiner Unternehmung zum Teil auf eine Parteiorganisation, eine Interessentengruppe, eine Regierung abzuwälzen. Gefiel die Tendenz des Blattes den Lesern nicht, so hörten sie auf, es zu kaufen; ihr Bedürfnis blieb also doch in letzter Linie für den Inhalt der Zeitungen maßgebend.
Die allmählich fortschreitende Verbreitung der gedruckten Zeitungen führte jedoch bald auch ihre Benutzung zu öffent- lichen Bekanntmachungen der Behörden herbei, und daran schloß sich im ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts die Ausbildung des privaten Annoncenwesens. Dasselbe hat gegenwärtig durch die sog. Annoncen-Expeditionen eine ähnliche Organisation erlangt, wie die politische Nachrichten- sammlung durch die Korrespondenzbureaux.
Durch die Aufnahme des Inseratenwesens geriet die Zeitung in eine eigentümliche Zwitterstellung. Sie bringt für den Abonnementspreis nicht mehr bloß Nachrichten und Ansichten zur Veröffentlichung, an die sich ein allgemeines Interesse knüpft, sondern sie dient auch dem Privatverkehr und dem Privatinteresse durch Anzeigen jeder Art, welche ihr speziell vergolten werden. Sie verkauft neue Nachrichten an ihre Leser, und sie verkauft ihren Leserkreis an jedes zahlungsfähige Privatinteresse. Auf demselben Blatte, oft auf derselben Seite, wo die höchsten Interessen der Mensch-
neuer Nachrichten zugleich zu einem Händler mit öffentlicher Meinung wurde.
Das hatte zunächſt kein weiteres Bedenken, als daß der Verleger in den Stand geſetzt wurde, das Riſiko ſeiner Unternehmung zum Teil auf eine Parteiorganiſation, eine Intereſſentengruppe, eine Regierung abzuwälzen. Gefiel die Tendenz des Blattes den Leſern nicht, ſo hörten ſie auf, es zu kaufen; ihr Bedürfnis blieb alſo doch in letzter Linie für den Inhalt der Zeitungen maßgebend.
Die allmählich fortſchreitende Verbreitung der gedruckten Zeitungen führte jedoch bald auch ihre Benutzung zu öffent- lichen Bekanntmachungen der Behörden herbei, und daran ſchloß ſich im erſten Viertel des vorigen Jahrhunderts die Ausbildung des privaten Annoncenweſens. Dasſelbe hat gegenwärtig durch die ſog. Annoncen-Expeditionen eine ähnliche Organiſation erlangt, wie die politiſche Nachrichten- ſammlung durch die Korreſpondenzbureaux.
Durch die Aufnahme des Inſeratenweſens geriet die Zeitung in eine eigentümliche Zwitterſtellung. Sie bringt für den Abonnementspreis nicht mehr bloß Nachrichten und Anſichten zur Veröffentlichung, an die ſich ein allgemeines Intereſſe knüpft, ſondern ſie dient auch dem Privatverkehr und dem Privatintereſſe durch Anzeigen jeder Art, welche ihr ſpeziell vergolten werden. Sie verkauft neue Nachrichten an ihre Leſer, und ſie verkauft ihren Leſerkreis an jedes zahlungsfähige Privatintereſſe. Auf demſelben Blatte, oft auf derſelben Seite, wo die höchſten Intereſſen der Menſch-
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[205/0227]
neuer Nachrichten zugleich zu einem Händler mit öffentlicher
Meinung wurde.
Das hatte zunächſt kein weiteres Bedenken, als daß
der Verleger in den Stand geſetzt wurde, das Riſiko ſeiner
Unternehmung zum Teil auf eine Parteiorganiſation, eine
Intereſſentengruppe, eine Regierung abzuwälzen. Gefiel
die Tendenz des Blattes den Leſern nicht, ſo hörten ſie
auf, es zu kaufen; ihr Bedürfnis blieb alſo doch in letzter
Linie für den Inhalt der Zeitungen maßgebend.
Die allmählich fortſchreitende Verbreitung der gedruckten
Zeitungen führte jedoch bald auch ihre Benutzung zu öffent-
lichen Bekanntmachungen der Behörden herbei, und daran
ſchloß ſich im erſten Viertel des vorigen Jahrhunderts die
Ausbildung des privaten Annoncenweſens. Dasſelbe
hat gegenwärtig durch die ſog. Annoncen-Expeditionen eine
ähnliche Organiſation erlangt, wie die politiſche Nachrichten-
ſammlung durch die Korreſpondenzbureaux.
Durch die Aufnahme des Inſeratenweſens geriet die
Zeitung in eine eigentümliche Zwitterſtellung. Sie bringt
für den Abonnementspreis nicht mehr bloß Nachrichten und
Anſichten zur Veröffentlichung, an die ſich ein allgemeines
Intereſſe knüpft, ſondern ſie dient auch dem Privatverkehr
und dem Privatintereſſe durch Anzeigen jeder Art, welche
ihr ſpeziell vergolten werden. Sie verkauft neue Nachrichten
an ihre Leſer, und ſie verkauft ihren Leſerkreis an jedes
zahlungsfähige Privatintereſſe. Auf demſelben Blatte, oft
auf derſelben Seite, wo die höchſten Intereſſen der Menſch-
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/227>, abgerufen am 24.11.2024.
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