Europas als -- freilich noch recht beschränktes -- Nach- richtenpublikationsmittel die geschriebene Zeitung entstehen und sich mehr als zwei Jahrhunderte hindurch erhalten. Was aber das Merkwürdigste an der Sache ist, besteht darin, daß eine gewerbsmäßige Herstellung dieser handschrift- lichen Nachrichtenblätter sich nirgends über die Zeit der Er- findung der Buchdruckerkunst zurückverfolgen läßt. Mit dieser Beobachtung drängt sich von selbst die Frage auf, warum man nicht die Druckerpresse in den Dienst der regel- mäßigen Nachrichtenpublikation nahm.
Die Frage beantwortet sich einfach aus der Beobach- tung, daß auch in jungen Kolonialländern mit einer euro- päischen Bevölkerung, die in ihrer Heimat bereits an ge- druckte Zeitungen gewöhnt gewesen war, die geschriebenen Nachrichtenblätter den gedruckten vorausgehen. So in den Vereinigten Staaten von Amerika noch im Anfang des XVIII. Jahrhunderts 1), so in der Kolonie West-Australien noch im Jahre 1830 2). Diese Thatsache beweist, daß es viel weniger der Druck der Zensur gewesen sein kann, welcher die Verwendung der Presse zur Nachrichtenpubli- kation solange verhindert hat, als der Mangel eines ge- nügend großen Leserkreises, welcher den für den Ersatz der Druckkosten nötigen Absatz garantiert hätte.
Allerdings sind einzelne Nummern jener geschriebenen
1)Frederic Hudson, Journalism in the United States from 1690 to 1830, New-York 1873, p. 51 ff.
2)Andrews a. a. O., II, S. 312 f.
Europas als — freilich noch recht beſchränktes — Nach- richtenpublikationsmittel die geſchriebene Zeitung entſtehen und ſich mehr als zwei Jahrhunderte hindurch erhalten. Was aber das Merkwürdigſte an der Sache iſt, beſteht darin, daß eine gewerbsmäßige Herſtellung dieſer handſchrift- lichen Nachrichtenblätter ſich nirgends über die Zeit der Er- findung der Buchdruckerkunſt zurückverfolgen läßt. Mit dieſer Beobachtung drängt ſich von ſelbſt die Frage auf, warum man nicht die Druckerpreſſe in den Dienſt der regel- mäßigen Nachrichtenpublikation nahm.
Die Frage beantwortet ſich einfach aus der Beobach- tung, daß auch in jungen Kolonialländern mit einer euro- päiſchen Bevölkerung, die in ihrer Heimat bereits an ge- druckte Zeitungen gewöhnt geweſen war, die geſchriebenen Nachrichtenblätter den gedruckten vorausgehen. So in den Vereinigten Staaten von Amerika noch im Anfang des XVIII. Jahrhunderts 1), ſo in der Kolonie Weſt-Auſtralien noch im Jahre 1830 2). Dieſe Thatſache beweiſt, daß es viel weniger der Druck der Zenſur geweſen ſein kann, welcher die Verwendung der Preſſe zur Nachrichtenpubli- kation ſolange verhindert hat, als der Mangel eines ge- nügend großen Leſerkreiſes, welcher den für den Erſatz der Druckkoſten nötigen Abſatz garantiert hätte.
Allerdings ſind einzelne Nummern jener geſchriebenen
1)Frederic Hudson, Journalism in the United States from 1690 to 1830, New-York 1873, p. 51 ff.
2)Andrews a. a. O., II, S. 312 f.
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[197/0219]
Europas als — freilich noch recht beſchränktes — Nach-
richtenpublikationsmittel die geſchriebene Zeitung entſtehen
und ſich mehr als zwei Jahrhunderte hindurch erhalten.
Was aber das Merkwürdigſte an der Sache iſt, beſteht
darin, daß eine gewerbsmäßige Herſtellung dieſer handſchrift-
lichen Nachrichtenblätter ſich nirgends über die Zeit der Er-
findung der Buchdruckerkunſt zurückverfolgen läßt. Mit
dieſer Beobachtung drängt ſich von ſelbſt die Frage auf,
warum man nicht die Druckerpreſſe in den Dienſt der regel-
mäßigen Nachrichtenpublikation nahm.
Die Frage beantwortet ſich einfach aus der Beobach-
tung, daß auch in jungen Kolonialländern mit einer euro-
päiſchen Bevölkerung, die in ihrer Heimat bereits an ge-
druckte Zeitungen gewöhnt geweſen war, die geſchriebenen
Nachrichtenblätter den gedruckten vorausgehen. So in den
Vereinigten Staaten von Amerika noch im Anfang des
XVIII. Jahrhunderts 1), ſo in der Kolonie Weſt-Auſtralien
noch im Jahre 1830 2). Dieſe Thatſache beweiſt, daß es
viel weniger der Druck der Zenſur geweſen ſein kann,
welcher die Verwendung der Preſſe zur Nachrichtenpubli-
kation ſolange verhindert hat, als der Mangel eines ge-
nügend großen Leſerkreiſes, welcher den für den Erſatz der
Druckkoſten nötigen Abſatz garantiert hätte.
Allerdings ſind einzelne Nummern jener geſchriebenen
1) Frederic Hudson, Journalism in the United States
from 1690 to 1830, New-York 1873, p. 51 ff.
2) Andrews a. a. O., II, S. 312 f.
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/219>, abgerufen am 31.07.2024.
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