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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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Die Arbeitszerlegung setzt einen Stand von besitzlosen Lohn-
arbeitern voraus. Er geht hervor aus dem durch die kapi-
talistische Gestaltung der Arbeitsteilung konkurrenzunfähig
gewordenen Teile des Handwerkerstandes und aus der land-
losen bäuerlichen Bevölkerung.

Gerade beim Gewerbe wird die Abhängigkeit der Ar-
beitsteilung vom Besitze besonders sichtbar. Im Mittel-
alter vermehrte jeder Fortschritt der industriellen Arbeits-
teilung die Zahl der städtischen "Nahrungen", weil er das
Betriebskapital verringerte; in der Gegenwart vermindert
der Fortschritt der Arbeitsteilung die Zahl der Selbständigen,
weil er das Anlage- oder das Betriebskapital oder beides
vermehrt. Im Mittelalter suchte man jedes gewerbliche
Produkt möglichst lange in einem Betriebe festzuhalten, um
möglichst viel Arbeit darin zu verkörpern; in der Gegen-
wart wird das Betriebskapital vermöge der Arbeitszerlegung
möglichst rasch durch den einzelnen Produktionsabschnitt
hindurchgetrieben, um das Verhältnis zwischen ausgelegtem
Zins und erzieltem Kapitalprofit möglichst günstig zu ge-
stalten. Im Mittelalter zwang die Kapitalarmut zur Be-
rufsteilung, in der Gegenwart treibt der Kapitalreichtum
zur Arbeitszerlegung und Arbeitsverschiebung.

So haben die großen Züge unserer sozialen Berufs-
gliederung sich historisch aus der verschiedenen Verteilung
des Eigentums entwickelt, und sie ruhen fortgesetzt auf
dieser Grundlage, die durch unsere heutige Wirtschafts-
organisation immer mehr befestigt wird. Das letztere er-

Die Arbeitszerlegung ſetzt einen Stand von beſitzloſen Lohn-
arbeitern voraus. Er geht hervor aus dem durch die kapi-
taliſtiſche Geſtaltung der Arbeitsteilung konkurrenzunfähig
gewordenen Teile des Handwerkerſtandes und aus der land-
loſen bäuerlichen Bevölkerung.

Gerade beim Gewerbe wird die Abhängigkeit der Ar-
beitsteilung vom Beſitze beſonders ſichtbar. Im Mittel-
alter vermehrte jeder Fortſchritt der induſtriellen Arbeits-
teilung die Zahl der ſtädtiſchen „Nahrungen“, weil er das
Betriebskapital verringerte; in der Gegenwart vermindert
der Fortſchritt der Arbeitsteilung die Zahl der Selbſtändigen,
weil er das Anlage- oder das Betriebskapital oder beides
vermehrt. Im Mittelalter ſuchte man jedes gewerbliche
Produkt möglichſt lange in einem Betriebe feſtzuhalten, um
möglichſt viel Arbeit darin zu verkörpern; in der Gegen-
wart wird das Betriebskapital vermöge der Arbeitszerlegung
möglichſt raſch durch den einzelnen Produktionsabſchnitt
hindurchgetrieben, um das Verhältnis zwiſchen ausgelegtem
Zins und erzieltem Kapitalprofit möglichſt günſtig zu ge-
ſtalten. Im Mittelalter zwang die Kapitalarmut zur Be-
rufsteilung, in der Gegenwart treibt der Kapitalreichtum
zur Arbeitszerlegung und Arbeitsverſchiebung.

So haben die großen Züge unſerer ſozialen Berufs-
gliederung ſich hiſtoriſch aus der verſchiedenen Verteilung
des Eigentums entwickelt, und ſie ruhen fortgeſetzt auf
dieſer Grundlage, die durch unſere heutige Wirtſchafts-
organiſation immer mehr befeſtigt wird. Das letztere er-

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[155/0177] Die Arbeitszerlegung ſetzt einen Stand von beſitzloſen Lohn- arbeitern voraus. Er geht hervor aus dem durch die kapi- taliſtiſche Geſtaltung der Arbeitsteilung konkurrenzunfähig gewordenen Teile des Handwerkerſtandes und aus der land- loſen bäuerlichen Bevölkerung. Gerade beim Gewerbe wird die Abhängigkeit der Ar- beitsteilung vom Beſitze beſonders ſichtbar. Im Mittel- alter vermehrte jeder Fortſchritt der induſtriellen Arbeits- teilung die Zahl der ſtädtiſchen „Nahrungen“, weil er das Betriebskapital verringerte; in der Gegenwart vermindert der Fortſchritt der Arbeitsteilung die Zahl der Selbſtändigen, weil er das Anlage- oder das Betriebskapital oder beides vermehrt. Im Mittelalter ſuchte man jedes gewerbliche Produkt möglichſt lange in einem Betriebe feſtzuhalten, um möglichſt viel Arbeit darin zu verkörpern; in der Gegen- wart wird das Betriebskapital vermöge der Arbeitszerlegung möglichſt raſch durch den einzelnen Produktionsabſchnitt hindurchgetrieben, um das Verhältnis zwiſchen ausgelegtem Zins und erzieltem Kapitalprofit möglichſt günſtig zu ge- ſtalten. Im Mittelalter zwang die Kapitalarmut zur Be- rufsteilung, in der Gegenwart treibt der Kapitalreichtum zur Arbeitszerlegung und Arbeitsverſchiebung. So haben die großen Züge unſerer ſozialen Berufs- gliederung ſich hiſtoriſch aus der verſchiedenen Verteilung des Eigentums entwickelt, und ſie ruhen fortgeſetzt auf dieſer Grundlage, die durch unſere heutige Wirtſchafts- organiſation immer mehr befeſtigt wird. Das letztere er-

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/177>, abgerufen am 23.11.2024.