Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

durch individuelles Geschick und Schicksal gekommen, sondern
mit durch seine körperliche und geistige Verfassung, seine
Nerven, seine Muskeln, welche auf erblicher Veranlagung
beruhen, durch eine Kausalkette von vielen Generationen
bestimmt sind. Nur eine sekundäre Folge der
sozialen Differenzierung sei die Verschie-
denheit des sozialen Ranges und Besitzes
der Ehre und des Einkommens
" 1).

Sie werden vielleicht erwarten, daß der Beweis für
diese überraschenden Sätze auf biologischem Wege zu führen
versucht worden sei. Allein abgesehen von einer flüchtigen
Berührung biologischer Analogien wird diese Bahn ver-
mieden. Und doch wäre es gewiß ratsam gewesen, sie
weiter zu verfolgen, weil sie unausbleiblich zu einem Punkte
hätte führen müssen, wo der Begriff der Vererbung defi-
niert und sein Gebiet gegen das der Nachahmung und
Erziehung abgegrenzt werden mußte 2).

Auch wir werden darum diesen Weg zu vermeiden haben
und uns auf eine Prüfung des großen historischen und
ethnographischen Materials einlassen müssen, das Schmoller
für seine Behauptungen anführt.

1) Vergl. die Aufsätze Schmollers über die Arbeitsteilung in seinem
Jahrbuch XIII, S. 1003--1074. XIV, S. 45--105 und eine kurze
Zusammenfassung des Ergebnisses in den Preußischen Jahrbüchern,
Bd. LXIX, S. 464.
2) Man findet einen derartigen Versuch, der freilich schwächlich
genug ausgefallen ist, bei Felix, Entwickelungsgeschichte des Eigen-
tums I, S. 130 ff.

durch individuelles Geſchick und Schickſal gekommen, ſondern
mit durch ſeine körperliche und geiſtige Verfaſſung, ſeine
Nerven, ſeine Muskeln, welche auf erblicher Veranlagung
beruhen, durch eine Kauſalkette von vielen Generationen
beſtimmt ſind. Nur eine ſekundäre Folge der
ſozialen Differenzierung ſei die Verſchie-
denheit des ſozialen Ranges und Beſitzes
der Ehre und des Einkommens
1).

Sie werden vielleicht erwarten, daß der Beweis für
dieſe überraſchenden Sätze auf biologiſchem Wege zu führen
verſucht worden ſei. Allein abgeſehen von einer flüchtigen
Berührung biologiſcher Analogien wird dieſe Bahn ver-
mieden. Und doch wäre es gewiß ratſam geweſen, ſie
weiter zu verfolgen, weil ſie unausbleiblich zu einem Punkte
hätte führen müſſen, wo der Begriff der Vererbung defi-
niert und ſein Gebiet gegen das der Nachahmung und
Erziehung abgegrenzt werden mußte 2).

Auch wir werden darum dieſen Weg zu vermeiden haben
und uns auf eine Prüfung des großen hiſtoriſchen und
ethnographiſchen Materials einlaſſen müſſen, das Schmoller
für ſeine Behauptungen anführt.

1) Vergl. die Aufſätze Schmollers über die Arbeitsteilung in ſeinem
Jahrbuch XIII, S. 1003—1074. XIV, S. 45—105 und eine kurze
Zuſammenfaſſung des Ergebniſſes in den Preußiſchen Jahrbüchern,
Bd. LXIX, S. 464.
2) Man findet einen derartigen Verſuch, der freilich ſchwächlich
genug ausgefallen iſt, bei Felix, Entwickelungsgeſchichte des Eigen-
tums I, S. 130 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0173" n="151"/>
durch individuelles Ge&#x017F;chick und Schick&#x017F;al gekommen, &#x017F;ondern<lb/>
mit durch &#x017F;eine körperliche und gei&#x017F;tige Verfa&#x017F;&#x017F;ung, &#x017F;eine<lb/>
Nerven, &#x017F;eine Muskeln, welche auf erblicher Veranlagung<lb/>
beruhen, durch eine Kau&#x017F;alkette von vielen Generationen<lb/>
be&#x017F;timmt &#x017F;ind. <hi rendition="#g">Nur eine &#x017F;ekundäre Folge der<lb/>
&#x017F;ozialen Differenzierung &#x017F;ei die Ver&#x017F;chie-<lb/>
denheit des &#x017F;ozialen Ranges und Be&#x017F;itzes<lb/>
der Ehre und des Einkommens</hi>&#x201C; <note place="foot" n="1)">Vergl. die Auf&#x017F;ätze Schmollers über die Arbeitsteilung in &#x017F;einem<lb/>
Jahrbuch <hi rendition="#aq">XIII,</hi> S. 1003&#x2014;1074. <hi rendition="#aq">XIV,</hi> S. 45&#x2014;105 und eine kurze<lb/>
Zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;ung des Ergebni&#x017F;&#x017F;es in den Preußi&#x017F;chen Jahrbüchern,<lb/>
Bd. <hi rendition="#aq">LXIX</hi>, S. 464.</note>.</p><lb/>
          <p>Sie werden vielleicht erwarten, daß der Beweis für<lb/>
die&#x017F;e überra&#x017F;chenden Sätze auf biologi&#x017F;chem Wege zu führen<lb/>
ver&#x017F;ucht worden &#x017F;ei. Allein abge&#x017F;ehen von einer flüchtigen<lb/>
Berührung biologi&#x017F;cher Analogien wird die&#x017F;e Bahn ver-<lb/>
mieden. Und doch wäre es gewiß rat&#x017F;am gewe&#x017F;en, &#x017F;ie<lb/>
weiter zu verfolgen, weil &#x017F;ie unausbleiblich zu einem Punkte<lb/>
hätte führen mü&#x017F;&#x017F;en, wo der Begriff der Vererbung defi-<lb/>
niert und &#x017F;ein Gebiet gegen das der Nachahmung und<lb/>
Erziehung abgegrenzt werden mußte <note place="foot" n="2)">Man findet einen derartigen Ver&#x017F;uch, der freilich &#x017F;chwächlich<lb/>
genug ausgefallen i&#x017F;t, bei <hi rendition="#g">Felix</hi>, Entwickelungsge&#x017F;chichte des Eigen-<lb/>
tums <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 130 ff.</note>.</p><lb/>
          <p>Auch wir werden darum die&#x017F;en Weg zu vermeiden haben<lb/>
und uns auf eine Prüfung des großen hi&#x017F;tori&#x017F;chen und<lb/>
ethnographi&#x017F;chen Materials einla&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en, das Schmoller<lb/>
für &#x017F;eine Behauptungen anführt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0173] durch individuelles Geſchick und Schickſal gekommen, ſondern mit durch ſeine körperliche und geiſtige Verfaſſung, ſeine Nerven, ſeine Muskeln, welche auf erblicher Veranlagung beruhen, durch eine Kauſalkette von vielen Generationen beſtimmt ſind. Nur eine ſekundäre Folge der ſozialen Differenzierung ſei die Verſchie- denheit des ſozialen Ranges und Beſitzes der Ehre und des Einkommens“ 1). Sie werden vielleicht erwarten, daß der Beweis für dieſe überraſchenden Sätze auf biologiſchem Wege zu führen verſucht worden ſei. Allein abgeſehen von einer flüchtigen Berührung biologiſcher Analogien wird dieſe Bahn ver- mieden. Und doch wäre es gewiß ratſam geweſen, ſie weiter zu verfolgen, weil ſie unausbleiblich zu einem Punkte hätte führen müſſen, wo der Begriff der Vererbung defi- niert und ſein Gebiet gegen das der Nachahmung und Erziehung abgegrenzt werden mußte 2). Auch wir werden darum dieſen Weg zu vermeiden haben und uns auf eine Prüfung des großen hiſtoriſchen und ethnographiſchen Materials einlaſſen müſſen, das Schmoller für ſeine Behauptungen anführt. 1) Vergl. die Aufſätze Schmollers über die Arbeitsteilung in ſeinem Jahrbuch XIII, S. 1003—1074. XIV, S. 45—105 und eine kurze Zuſammenfaſſung des Ergebniſſes in den Preußiſchen Jahrbüchern, Bd. LXIX, S. 464. 2) Man findet einen derartigen Verſuch, der freilich ſchwächlich genug ausgefallen iſt, bei Felix, Entwickelungsgeſchichte des Eigen- tums I, S. 130 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/173
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/173>, abgerufen am 22.11.2024.