Thatsachen zu sammeln und morphologisch darzustellen; dann
aber werden die Erscheinungen in ihrem Wesen richtig be-
grifflich festgestellt, logisch analysiert und auf ihren Kausal-
zusammenhang untersucht werden müssen. Man wird also
mit der gleichen Methode vorzudringen haben, welche die
"klassische Nationalökonomie" auf die Wirtschaft der Gegen-
wart angewendet hat. Für einige Seiten der antiken Oiken-
wirtschaft ist dies in meisterhafter Weise schon durch
Rodbertus geschehen; für die Wirtschaft des Mittelalters
war Aehnliches bis jetzt kaum versucht. Gelingen kann das
Unternehmen nur, wenn sich Forscher finden, welche sich
ganz in die thatsächlichen Voraussetzungen vergangener Wirt-
schaftsepochen und in das ökonomische Denken der Vor-
fahren zu versenken vermögen; niemals aber, wenn die
halb erkannten, halb rationalistisch rekonstruierten Wirtschafts-
zustände der Vergangenheit sich fortgesetzt in den Kategorien
der modernen Verkehrslehre bespiegeln.
Nur auf diesem Wege scheint mir die wirtschafts-
geschichtliche Forschung für die Theorie der heutigen Volks-
wirtschaft und diese für die Wirtschaftsgeschichte fruchtbar
werden zu können; nur so dürfte die Gesetzmäßigkeit der
wirtschaftlichen Entwicklung und des volkswirtschaftlichen
Geschehens zugleich der Erkenntnis näher gebracht werden.
Thatſachen zu ſammeln und morphologiſch darzuſtellen; dann
aber werden die Erſcheinungen in ihrem Weſen richtig be-
grifflich feſtgeſtellt, logiſch analyſiert und auf ihren Kauſal-
zuſammenhang unterſucht werden müſſen. Man wird alſo
mit der gleichen Methode vorzudringen haben, welche die
„klaſſiſche Nationalökonomie“ auf die Wirtſchaft der Gegen-
wart angewendet hat. Für einige Seiten der antiken Oiken-
wirtſchaft iſt dies in meiſterhafter Weiſe ſchon durch
Rodbertus geſchehen; für die Wirtſchaft des Mittelalters
war Aehnliches bis jetzt kaum verſucht. Gelingen kann das
Unternehmen nur, wenn ſich Forſcher finden, welche ſich
ganz in die thatſächlichen Vorausſetzungen vergangener Wirt-
ſchaftsepochen und in das ökonomiſche Denken der Vor-
fahren zu verſenken vermögen; niemals aber, wenn die
halb erkannten, halb rationaliſtiſch rekonſtruierten Wirtſchafts-
zuſtände der Vergangenheit ſich fortgeſetzt in den Kategorien
der modernen Verkehrslehre beſpiegeln.
Nur auf dieſem Wege ſcheint mir die wirtſchafts-
geſchichtliche Forſchung für die Theorie der heutigen Volks-
wirtſchaft und dieſe für die Wirtſchaftsgeſchichte fruchtbar
werden zu können; nur ſo dürfte die Geſetzmäßigkeit der
wirtſchaftlichen Entwicklung und des volkswirtſchaftlichen
Geſchehens zugleich der Erkenntnis näher gebracht werden.
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Thatſachen zu ſammeln und morphologiſch darzuſtellen; dann
aber werden die Erſcheinungen in ihrem Weſen richtig be-
grifflich feſtgeſtellt, logiſch analyſiert und auf ihren Kauſal-
zuſammenhang unterſucht werden müſſen. Man wird alſo
mit der gleichen Methode vorzudringen haben, welche die
„klaſſiſche Nationalökonomie“ auf die Wirtſchaft der Gegen-
wart angewendet hat. Für einige Seiten der antiken Oiken-
wirtſchaft iſt dies in meiſterhafter Weiſe ſchon durch
Rodbertus geſchehen; für die Wirtſchaft des Mittelalters
war Aehnliches bis jetzt kaum verſucht. Gelingen kann das
Unternehmen nur, wenn ſich Forſcher finden, welche ſich
ganz in die thatſächlichen Vorausſetzungen vergangener Wirt-
ſchaftsepochen und in das ökonomiſche Denken der Vor-
fahren zu verſenken vermögen; niemals aber, wenn die
halb erkannten, halb rationaliſtiſch rekonſtruierten Wirtſchafts-
zuſtände der Vergangenheit ſich fortgeſetzt in den Kategorien
der modernen Verkehrslehre beſpiegeln.
Nur auf dieſem Wege ſcheint mir die wirtſchafts-
geſchichtliche Forſchung für die Theorie der heutigen Volks-
wirtſchaft und dieſe für die Wirtſchaftsgeſchichte fruchtbar
werden zu können; nur ſo dürfte die Geſetzmäßigkeit der
wirtſchaftlichen Entwicklung und des volkswirtſchaftlichen
Geſchehens zugleich der Erkenntnis näher gebracht werden.