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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Siebendes Buch.
Freund/ Eure Liebe wird mir zu sonderlichem gefallen dieses wenige zu sich nehmen/ und
die erste Mahlzeit mit mir halten/ unter dem Wunsche/ daß deren mehr und bessere erfol-
gen mögen. Er hingegen hielt inständig an/ weil das Glük ihm so viel Licht gegönnet/ das
Schreiben erst zulesen/ ob etwa er daher seiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speise
zunehmen hätte/ alsdann wolte er der Leibes Kost gerne etliche Tage entbehren; über wel-
che Worte sie eine sonderliche Liebesbewägung in ihrem Herzen empfand/ daß sie zusagen
sich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fürst/ wessen besorget er sich doch widriges
an meiner Seite/ da er mich auff seiner Schoß hält? findet sich etwas in meinem Schrei-
ben/ daß ihm behäglich und zuträglich ist/ wird es ja unter so kurzer Zeit weder schädlich
werden noch verschwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speisen verschmähet/ und
im essen und trinken mir nicht Geselschafft leistet/ wil im rechten Ernste ich den Brieff vor
morgen Abend nicht lesen/ oder ihn wol gar ungelesen zureissen. Ey mein Fräulein/ ant-
wortete er; wie könte eure Liebe eine solche Grausamkeit an den allerliebesten Buchstaben
verüben/ die von so angenehmer Hand in schwesterlichem Vertrauen geschrieben sind?
Jedoch bin ich schuldig einen bereitwilligsten Gehorsam zuerzeigen/ und wil über mein
Vermögen essen und trinken/ auff daß in dessen Wegerung Eure Liebe hernähst nicht ge-
legenheit und ursach suche/ des lieben Briefes Lesungs weiter aufzuschieben. Mein Freund/
antwortete sie/ hat sehr grosse Hoffnung auff diesen Brief gesetzet/ und möchte vielleicht
wol ein solches darinnen enthalten seyn/ welches zuleisten/ uns/ wegen abwesenheit von den
unsern beiderseits unmöglich währe. Solches kan nicht seyn/ antwortete er/ in Betrach-
tung/ daß unsere Fr. Schwester bey Auffsetzung solches Briefes der gewissen Hoffnung
gelebete/ wir würden diesen Abend bey ihr und der ganzen Fürstlichen Geselschafft anlan-
gen. Zum wenigsten hat sie nicht muhtmassen können/ daß wir beyde uns allein in solcher
Einsamkeit beyeinander finden würden. Ein solches gestehe ich/ sagte sie/ werde auch desto
williger seyn/ des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulassen. Fingen hierauff beyderseits
an mit gutem Lust der Speisen zugeniessen/ und rühmete Frl. Klara/ daß die ganze Zeit ih-
rer Gefängniß über/ ihr die Speisen nicht den tausendsten teil so wol geschmäcket hätten.
Bald ergriff sie auch das Trinkgeschir/ und brachte ihm eins auff Großfürstin Valisken
Gesundheit und Wolergehen/ wiewol ich nicht zweifele/ sagte sie/ alle die meinen neben ihr/
werden unsers aussebleibens herzlich bekümmert seyn/ wo sie uns nicht wol gar als erschla-
gene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine frische Mahlzeit mit einander/
bey welcher Arbianes sich immerzu an ihren liebreichen Augelein speisete/ so viel er diesel-
ben bey der tunkelen Leuchte beschauen kunte. So bald das Fräulein rühmete/ daß sie sich
allerdinge gesättiget hätte/ hielt er auff ein neues an/ das Brieflein zuverlesen/ dessen sie
nur zum Scherze/ umb sein Vornehmen zuerforschen/ sich wegerte/ vorgebend/ sie hätte
bey dem tunkeln Wasser- oder Knatterlichte kaum die Speisen erkennen können/ wie sie
dann so klein geschriebene Buchstaben dabey lesen solte? Aber weil sie sahe/ daß nach kurz-
gebehtener Verzeihung er sich erkühnen wolte/ den Brief aus ihrem Busem hervor zulan-
gen/ kam sie diesem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entfüh-
rung das erste wahr) selber zuvor/ nam das Schreiben in die Hand/ und entschuldigte sich/
daß sie so viel Herzens nicht hätte/ es zuerbrechen. Ließ auch gerne geschehen/ daß er solches

verrich-
u u u ij

Siebendes Buch.
Freund/ Eure Liebe wird mir zu ſonderlichem gefallen dieſes wenige zu ſich nehmen/ und
die erſte Mahlzeit mit mir halten/ unter dem Wunſche/ daß deren mehr und beſſere erfol-
gen moͤgen. Er hingegen hielt inſtaͤndig an/ weil das Gluͤk ihm ſo viel Licht gegoͤnnet/ das
Schreiben erſt zuleſen/ ob etwa er daher ſeiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speiſe
zunehmen haͤtte/ alsdann wolte er der Leibes Koſt gerne etliche Tage entbehren; uͤber wel-
che Worte ſie eine ſonderliche Liebesbewaͤgung in ihrem Herzen empfand/ daß ſie zuſagẽ
ſich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fuͤrſt/ weſſen beſorget er ſich doch widriges
an meiner Seite/ da er mich auff ſeiner Schoß haͤlt? findet ſich etwas in meinem Schrei-
ben/ daß ihm behaͤglich und zutraͤglich iſt/ wird es ja unter ſo kurzer Zeit weder ſchaͤdlich
werden noch verſchwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speiſen verſchmaͤhet/ und
im eſſen und trinken mir nicht Geſelſchafft leiſtet/ wil im rechten Ernſte ich den Brieff vor
morgen Abend nicht leſen/ oder ihn wol gar ungeleſen zureiſſen. Ey mein Fraͤulein/ ant-
wortete er; wie koͤnte eure Liebe eine ſolche Grauſamkeit an den allerliebeſten Buchſtaben
veruͤben/ die von ſo angenehmer Hand in ſchweſterlichem Vertrauen geſchrieben ſind?
Jedoch bin ich ſchuldig einen bereitwilligſten Gehorſam zuerzeigen/ und wil uͤber mein
Vermoͤgen eſſen und trinken/ auff daß in deſſen Wegerung Eure Liebe hernaͤhſt nicht ge-
legenheit uñ urſach ſuche/ des lieben Briefes Leſungs weiter aufzuſchieben. Mein Freund/
antwortete ſie/ hat ſehr groſſe Hoffnung auff dieſen Brief geſetzet/ und moͤchte vielleicht
wol ein ſolches daꝛinnen enthalten ſeyn/ welches zuleiſten/ uns/ wegen abweſenheit von den
unſern beiderſeits unmoͤglich waͤhre. Solches kan nicht ſeyn/ antwortete er/ in Betrach-
tung/ daß unſere Fr. Schweſter bey Auffſetzung ſolches Briefes der gewiſſen Hoffnung
gelebete/ wir wuͤrden dieſen Abend bey ihr und der ganzen Fuͤrſtlichen Geſelſchafft anlan-
gen. Zum wenigſten hat ſie nicht muhtmaſſen koͤnnen/ daß wir beyde uns allein in ſolcher
Einſamkeit beyeinander finden wuͤrden. Ein ſolches geſtehe ich/ ſagte ſie/ werde auch deſto
williger ſeyn/ des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulaſſen. Fingen hierauff beyderſeits
an mit gutem Luſt der Speiſen zugenieſſen/ und ruͤhmete Frl. Klara/ daß die ganze Zeit ih-
rer Gefaͤngniß über/ ihr die Speiſen nicht den tauſendſten teil ſo wol geſchmaͤcket haͤtten.
Bald ergriff ſie auch das Trinkgeſchir/ und brachte ihm eins auff Großfuͤrſtin Valiſken
Geſundheit und Wolergehen/ wiewol ich nicht zweifele/ ſagte ſie/ alle die meinen neben ihr/
werden unſers auſſebleibens herzlich bekuͤmmert ſeyn/ wo ſie uns nicht wol gar als erſchla-
gene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine friſche Mahlzeit mit einander/
bey welcher Arbianes ſich immerzu an ihren liebreichen Augelein ſpeiſete/ ſo viel er dieſel-
ben bey der tunkelen Leuchte beſchauen kunte. So bald das Fraͤulein ruͤhmete/ daß ſie ſich
allerdinge geſaͤttiget haͤtte/ hielt er auff ein neues an/ das Brieflein zuverleſen/ deſſen ſie
nur zum Scherze/ umb ſein Vornehmen zuerforſchen/ ſich wegerte/ vorgebend/ ſie haͤtte
bey dem tunkeln Waſſer- oder Knatterlichte kaum die Speiſen erkennen koͤnnen/ wie ſie
dann ſo klein geſchriebene Buchſtaben dabey leſen ſolte? Aber weil ſie ſahe/ daß nach kurz-
gebehtener Verzeihung er ſich erkuͤhnen wolte/ den Brief aus ihrem Buſem hervor zulan-
gen/ kam ſie dieſem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entfuͤh-
rung das erſte wahr) ſelber zuvor/ nam das Schreiben in die Hand/ und entſchuldigte ſich/
daß ſie ſo viel Herzens nicht haͤtte/ es zuerbrechen. Ließ auch gerne geſchehen/ daß er ſolches

verrich-
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[523/0529] Siebendes Buch. Freund/ Eure Liebe wird mir zu ſonderlichem gefallen dieſes wenige zu ſich nehmen/ und die erſte Mahlzeit mit mir halten/ unter dem Wunſche/ daß deren mehr und beſſere erfol- gen moͤgen. Er hingegen hielt inſtaͤndig an/ weil das Gluͤk ihm ſo viel Licht gegoͤnnet/ das Schreiben erſt zuleſen/ ob etwa er daher ſeiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speiſe zunehmen haͤtte/ alsdann wolte er der Leibes Koſt gerne etliche Tage entbehren; uͤber wel- che Worte ſie eine ſonderliche Liebesbewaͤgung in ihrem Herzen empfand/ daß ſie zuſagẽ ſich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fuͤrſt/ weſſen beſorget er ſich doch widriges an meiner Seite/ da er mich auff ſeiner Schoß haͤlt? findet ſich etwas in meinem Schrei- ben/ daß ihm behaͤglich und zutraͤglich iſt/ wird es ja unter ſo kurzer Zeit weder ſchaͤdlich werden noch verſchwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speiſen verſchmaͤhet/ und im eſſen und trinken mir nicht Geſelſchafft leiſtet/ wil im rechten Ernſte ich den Brieff vor morgen Abend nicht leſen/ oder ihn wol gar ungeleſen zureiſſen. Ey mein Fraͤulein/ ant- wortete er; wie koͤnte eure Liebe eine ſolche Grauſamkeit an den allerliebeſten Buchſtaben veruͤben/ die von ſo angenehmer Hand in ſchweſterlichem Vertrauen geſchrieben ſind? Jedoch bin ich ſchuldig einen bereitwilligſten Gehorſam zuerzeigen/ und wil uͤber mein Vermoͤgen eſſen und trinken/ auff daß in deſſen Wegerung Eure Liebe hernaͤhſt nicht ge- legenheit uñ urſach ſuche/ des lieben Briefes Leſungs weiter aufzuſchieben. Mein Freund/ antwortete ſie/ hat ſehr groſſe Hoffnung auff dieſen Brief geſetzet/ und moͤchte vielleicht wol ein ſolches daꝛinnen enthalten ſeyn/ welches zuleiſten/ uns/ wegen abweſenheit von den unſern beiderſeits unmoͤglich waͤhre. Solches kan nicht ſeyn/ antwortete er/ in Betrach- tung/ daß unſere Fr. Schweſter bey Auffſetzung ſolches Briefes der gewiſſen Hoffnung gelebete/ wir wuͤrden dieſen Abend bey ihr und der ganzen Fuͤrſtlichen Geſelſchafft anlan- gen. Zum wenigſten hat ſie nicht muhtmaſſen koͤnnen/ daß wir beyde uns allein in ſolcher Einſamkeit beyeinander finden wuͤrden. Ein ſolches geſtehe ich/ ſagte ſie/ werde auch deſto williger ſeyn/ des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulaſſen. Fingen hierauff beyderſeits an mit gutem Luſt der Speiſen zugenieſſen/ und ruͤhmete Frl. Klara/ daß die ganze Zeit ih- rer Gefaͤngniß über/ ihr die Speiſen nicht den tauſendſten teil ſo wol geſchmaͤcket haͤtten. Bald ergriff ſie auch das Trinkgeſchir/ und brachte ihm eins auff Großfuͤrſtin Valiſken Geſundheit und Wolergehen/ wiewol ich nicht zweifele/ ſagte ſie/ alle die meinen neben ihr/ werden unſers auſſebleibens herzlich bekuͤmmert ſeyn/ wo ſie uns nicht wol gar als erſchla- gene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine friſche Mahlzeit mit einander/ bey welcher Arbianes ſich immerzu an ihren liebreichen Augelein ſpeiſete/ ſo viel er dieſel- ben bey der tunkelen Leuchte beſchauen kunte. So bald das Fraͤulein ruͤhmete/ daß ſie ſich allerdinge geſaͤttiget haͤtte/ hielt er auff ein neues an/ das Brieflein zuverleſen/ deſſen ſie nur zum Scherze/ umb ſein Vornehmen zuerforſchen/ ſich wegerte/ vorgebend/ ſie haͤtte bey dem tunkeln Waſſer- oder Knatterlichte kaum die Speiſen erkennen koͤnnen/ wie ſie dann ſo klein geſchriebene Buchſtaben dabey leſen ſolte? Aber weil ſie ſahe/ daß nach kurz- gebehtener Verzeihung er ſich erkuͤhnen wolte/ den Brief aus ihrem Buſem hervor zulan- gen/ kam ſie dieſem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entfuͤh- rung das erſte wahr) ſelber zuvor/ nam das Schreiben in die Hand/ und entſchuldigte ſich/ daß ſie ſo viel Herzens nicht haͤtte/ es zuerbrechen. Ließ auch gerne geſchehen/ daß er ſolches verrich- u u u ij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/529>, abgerufen am 26.11.2024.