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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Siebendes Buch.
O ja Fr. Mutter sagte Valiska/ es ist kein einiger Mensch/ der nicht solte Sünde an sich
haben; dann ob gleich die unmündigen kleinen Kinder mit Gedanken/ Worten und Tah-
ten noch nicht sündigen/ so haben sie doch die böse Art durch die fleischliche Geburt von ihren
Eltern geerbet/ da an stat des geistlichen ebenbildes Gottes/ worzu anfangs der Mensch er-
schaffen ist/ eine durchgehende Verderbung alle unsere geistliche Seelen- und Leibeskräfte
eingenommen hat/ so daß an stat der erkentnis Gottes eine klägliche Blindheit; an stat der
Liebe Gottes/ eine wiederstrebende Frecheit; an stat des willens zum guten/ eine starke Be-
gierde zur boßheit uns angeerbet wird/ welcher verderbte Saame in dem kindlichen Alter
in uns verborgen lieget/ und mit den Jahren je mehr und mehr hervorbricht. Aber dieses
sind hohe und eurer Vernunft verborgene Sachen/ davon meine Fr. Mutter noch zur Zeit
den Verstand nicht begreiffen kan/ und ich doch nicht zweiffeln wil/ daß wann der barmher-
zige Gott uns glükliche Wiederkunft gönnen wird/ wir von diesen und andern zur Selig-
keit gehörigen Sachen ausführlicher reden wollen. Die Fürsten ingesamt/ nach dem sie ge-
wapnet und ihre Völker zum Auffbruch fertig wahren/ nahmen des anderen Tages nach
empfangener bösen Zeitung von der alten Königin Abscheid auff ein kürzes/ verliessen Fr.
Agathen und Brelen bey den jungen Herlein/ und gingen mit dem Heer auf Teutschland
zu/ da sie ritten/ und das Frauenzimmer auff dem Elefanten fort zohe/ welcher allenthalben
in Städten und auff dem Lande nit vor ein Tihr sondern vor einen Teuffel gehalten ward.
Valiska nam auff den Fall der glüklichen Erlösung viel Kleinot und Kleider mit sich/ wel-
ches Arbianes an seinem Orte auch nicht verseumete/ und ward zur bezahlung des Heers
eine grosse Baarschaft auf Maul Eseln mit geführet. Auff der Reise hielten sie täglich zwey-
mahl Behtstunde/ und sungen allerhand geistreiche Lieder/ welche Herkules mehrenteils
selber gemacht hatte/ unter welchen dieses ihr täglicher Morgensegen wahr:

[Spaltenumbruch]
1 WAs sol ich dir vor dank/ mein Jesus bringen/
Vor den Brun deiner Gütigkeit/
Den du mir läst ohn unterlaß neu springen/
Und mich in freier Sicherheit
Beschirmest; O Herr deine Gunst
Hat ja in mir die Finsternis gebrochen
Und allen falschen Götzendunst/
Wodurch ich bin von Sünden loßgesprochen.
2 Du hast mich Herr durch deiner Engel wache
In dieser ungestümen Nacht/
(Da seinen Grim der hocherzürnte Drache
Ohn zweiffel mir gar nahe bracht)
Beschützet/ daß mir weder Fuß
Noch Häupt von ihm veletzet ist/ deßwegen
Empfind' ich/ daß ich billich muß
Dir O mein Heyl der Lippen Opffer legen.
3 Vergib mir Gott/ was ich gesündigt habe/
Vergib umb deines Sohnes Blut/
Und gönne/ daß mich solches kräfftig labe
In rechter Glaub- und liebes-Glut;
[Spaltenumbruch] Laß mich dir heut befohlen seyn/
Damit dein Schuz den Feinden mich entreisse/
Und schreib'ins Lebens-Buch mich ein/
Demnach ich ja nach deinem Nahmen heisse.
4 Angst und Gefahr/ versehrung meiner Glieder/
Unehr/ und was mir schaden kan/
Wend'ab von mir/ laß deinen Geist hernider/
Und zeug mir wahren Glauben an/
Daß nicht mein Fleisch in frecher Lust
Die Boßheit dir zu wieder möge stärken/
Erfülle mein Gemüht und Brust
Mit frömmigkeit und allen guten Werken.
5 Dir geb'ich mein Gemahl/ mein eigen Leben/
Mein'Eltern/ Brüder/ Schwester/ Kind;
Gib allen/ was du mir schon hast gegeben/
Daß keiner von uns geistlich-blind
Verderbe; laß des lebens Geist
In ihnen das Verständnis auch enttzünden/
Daß ich nach Wunsch/ wie du Herr weist/
Sie alle mög'in deinem Reiche finden.
6 O Va-

Siebendes Buch.
O ja Fr. Mutter ſagte Valiſka/ es iſt kein einiger Menſch/ der nicht ſolte Suͤnde an ſich
haben; dann ob gleich die unmuͤndigen kleinen Kinder mit Gedanken/ Worten und Tah-
ten noch nicht ſuͤndigen/ ſo haben ſie doch die boͤſe Art durch die fleiſchliche Geburt von ihrẽ
Eltern geerbet/ da an ſtat des geiſtlichen ebenbildes Gottes/ worzu anfangs der Menſch er-
ſchaffen iſt/ eine durchgehende Verderbung alle unſere geiſtliche Seelen- und Leibeskraͤfte
eingenommen hat/ ſo daß an ſtat der erkentnis Gottes eine klaͤgliche Blindheit; an ſtat der
Liebe Gottes/ eine wiederſtrebende Frecheit; an ſtat des willens zum guten/ eine ſtarke Be-
gierde zur boßheit uns angeerbet wird/ welcher verderbte Saame in dem kindlichen Alter
in uns verborgen lieget/ und mit den Jahren je mehr und mehr hervorbricht. Aber dieſes
ſind hohe und eurer Vernunft verborgene Sachen/ davon meine Fr. Mutter noch zur Zeit
den Verſtand nicht begreiffen kan/ und ich doch nicht zweiffeln wil/ daß wañ der barmher-
zige Gott uns gluͤkliche Wiederkunft goͤnnen wird/ wir von dieſen und andern zur Selig-
keit gehoͤrigen Sachen ausfuͤhrlicher reden wollen. Die Fuͤrſten ingeſamt/ nach dem ſie ge-
wapnet und ihre Voͤlker zum Auffbruch fertig wahren/ nahmen des anderen Tages nach
empfangener boͤſen Zeitung von der alten Koͤnigin Abſcheid auff ein kuͤrzes/ verlieſſen Fr.
Agathen und Brelen bey den jungen Herlein/ und gingen mit dem Heer auf Teutſchland
zu/ da ſie ritten/ und das Frauenzimmer auff dem Elefanten fort zohe/ welcher allenthalben
in Staͤdten und auff dem Lande nit vor ein Tihr ſondern vor einen Teuffel gehalten ward.
Valiſka nam auff den Fall der glüklichen Erloͤſung viel Kleinot und Kleider mit ſich/ wel-
ches Arbianes an ſeinem Orte auch nicht verſeumete/ und ward zur bezahlung des Heers
eine groſſe Baarſchaft auf Maul Eſeln mit gefuͤhret. Auff deꝛ Reiſe hielten ſie taͤglich zwey-
mahl Behtſtunde/ und ſungen allerhand geiſtreiche Lieder/ welche Herkules mehrenteils
ſelber gemacht hatte/ unter welchen dieſes ihr taͤglicher Morgenſegen wahr:

[Spaltenumbruch]
1 WAs ſol ich dir vor dank/ mein Jeſus bringẽ/
Vor den Brun deiner Guͤtigkeit/
Den du mir laͤſt ohn unterlaß neu ſpringen/
Und mich in freier Sicherheit
Beſchirmeſt; O Herr deine Gunſt
Hat ja in mir die Finſternis gebrochen
Und allen falſchen Goͤtzendunſt/
Wodurch ich bin von Suͤnden loßgeſprochen.
2 Du haſt mich Herr durch deiner Engel wache
In dieſer ungeſtuͤmen Nacht/
(Da ſeinen Grim der hocherzuͤrnte Drache
Ohn zweiffel mir gar nahe bracht)
Beſchuͤtzet/ daß mir weder Fuß
Noch Haͤupt von ihm veletzet iſt/ deßwegen
Empfind’ ich/ daß ich billich muß
Dir O mein Heyl der Lippen Opffer legen.
3 Vergib mir Gott/ was ich geſuͤndigt habe/
Vergib umb deines Sohnes Blut/
Und goͤnne/ daß mich ſolches kraͤfftig labe
In rechter Glaub- und liebes-Glut;
[Spaltenumbruch] Laß mich dir heut befohlen ſeyn/
Damit dein Schuz den Feinden mich entreiſſe/
Und ſchreib’ins Lebens-Buch mich ein/
Demnach ich ja nach deinem Nahmen heiſſe.
4 Angſt und Gefahr/ verſehrung meiner Glieder/
Unehr/ und was mir ſchaden kan/
Wend’ab von mir/ laß deinen Geiſt hernider/
Und zeug mir wahren Glauben an/
Daß nicht mein Fleiſch in frecher Luſt
Die Boßheit dir zu wieder moͤge ſtaͤrken/
Erfuͤlle mein Gemuͤht und Bruſt
Mit froͤmmigkeit und allen guten Werken.
5 Dir geb’ich mein Gemahl/ mein eigen Leben/
Mein’Eltern/ Bruͤder/ Schweſter/ Kind;
Gib allen/ was du mir ſchon haſt gegeben/
Daß keiner von uns geiſtlich-blind
Verderbe; laß des lebens Geiſt
In ihnen das Verſtaͤndnis auch enttzuͤnden/
Daß ich nach Wunſch/ wie du Herr weiſt/
Sie alle moͤg’in deinem Reiche finden.
6 O Va-
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[480/0486] Siebendes Buch. O ja Fr. Mutter ſagte Valiſka/ es iſt kein einiger Menſch/ der nicht ſolte Suͤnde an ſich haben; dann ob gleich die unmuͤndigen kleinen Kinder mit Gedanken/ Worten und Tah- ten noch nicht ſuͤndigen/ ſo haben ſie doch die boͤſe Art durch die fleiſchliche Geburt von ihrẽ Eltern geerbet/ da an ſtat des geiſtlichen ebenbildes Gottes/ worzu anfangs der Menſch er- ſchaffen iſt/ eine durchgehende Verderbung alle unſere geiſtliche Seelen- und Leibeskraͤfte eingenommen hat/ ſo daß an ſtat der erkentnis Gottes eine klaͤgliche Blindheit; an ſtat der Liebe Gottes/ eine wiederſtrebende Frecheit; an ſtat des willens zum guten/ eine ſtarke Be- gierde zur boßheit uns angeerbet wird/ welcher verderbte Saame in dem kindlichen Alter in uns verborgen lieget/ und mit den Jahren je mehr und mehr hervorbricht. Aber dieſes ſind hohe und eurer Vernunft verborgene Sachen/ davon meine Fr. Mutter noch zur Zeit den Verſtand nicht begreiffen kan/ und ich doch nicht zweiffeln wil/ daß wañ der barmher- zige Gott uns gluͤkliche Wiederkunft goͤnnen wird/ wir von dieſen und andern zur Selig- keit gehoͤrigen Sachen ausfuͤhrlicher reden wollen. Die Fuͤrſten ingeſamt/ nach dem ſie ge- wapnet und ihre Voͤlker zum Auffbruch fertig wahren/ nahmen des anderen Tages nach empfangener boͤſen Zeitung von der alten Koͤnigin Abſcheid auff ein kuͤrzes/ verlieſſen Fr. Agathen und Brelen bey den jungen Herlein/ und gingen mit dem Heer auf Teutſchland zu/ da ſie ritten/ und das Frauenzimmer auff dem Elefanten fort zohe/ welcher allenthalben in Staͤdten und auff dem Lande nit vor ein Tihr ſondern vor einen Teuffel gehalten ward. Valiſka nam auff den Fall der glüklichen Erloͤſung viel Kleinot und Kleider mit ſich/ wel- ches Arbianes an ſeinem Orte auch nicht verſeumete/ und ward zur bezahlung des Heers eine groſſe Baarſchaft auf Maul Eſeln mit gefuͤhret. Auff deꝛ Reiſe hielten ſie taͤglich zwey- mahl Behtſtunde/ und ſungen allerhand geiſtreiche Lieder/ welche Herkules mehrenteils ſelber gemacht hatte/ unter welchen dieſes ihr taͤglicher Morgenſegen wahr: 1 WAs ſol ich dir vor dank/ mein Jeſus bringẽ/ Vor den Brun deiner Guͤtigkeit/ Den du mir laͤſt ohn unterlaß neu ſpringen/ Und mich in freier Sicherheit Beſchirmeſt; O Herr deine Gunſt Hat ja in mir die Finſternis gebrochen Und allen falſchen Goͤtzendunſt/ Wodurch ich bin von Suͤnden loßgeſprochen. 2 Du haſt mich Herr durch deiner Engel wache In dieſer ungeſtuͤmen Nacht/ (Da ſeinen Grim der hocherzuͤrnte Drache Ohn zweiffel mir gar nahe bracht) Beſchuͤtzet/ daß mir weder Fuß Noch Haͤupt von ihm veletzet iſt/ deßwegen Empfind’ ich/ daß ich billich muß Dir O mein Heyl der Lippen Opffer legen. 3 Vergib mir Gott/ was ich geſuͤndigt habe/ Vergib umb deines Sohnes Blut/ Und goͤnne/ daß mich ſolches kraͤfftig labe In rechter Glaub- und liebes-Glut; Laß mich dir heut befohlen ſeyn/ Damit dein Schuz den Feinden mich entreiſſe/ Und ſchreib’ins Lebens-Buch mich ein/ Demnach ich ja nach deinem Nahmen heiſſe. 4 Angſt und Gefahr/ verſehrung meiner Glieder/ Unehr/ und was mir ſchaden kan/ Wend’ab von mir/ laß deinen Geiſt hernider/ Und zeug mir wahren Glauben an/ Daß nicht mein Fleiſch in frecher Luſt Die Boßheit dir zu wieder moͤge ſtaͤrken/ Erfuͤlle mein Gemuͤht und Bruſt Mit froͤmmigkeit und allen guten Werken. 5 Dir geb’ich mein Gemahl/ mein eigen Leben/ Mein’Eltern/ Bruͤder/ Schweſter/ Kind; Gib allen/ was du mir ſchon haſt gegeben/ Daß keiner von uns geiſtlich-blind Verderbe; laß des lebens Geiſt In ihnen das Verſtaͤndnis auch enttzuͤnden/ Daß ich nach Wunſch/ wie du Herr weiſt/ Sie alle moͤg’in deinem Reiche finden. 6 O Va-

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/486>, abgerufen am 22.11.2024.