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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
zeit vor jedermänniglich möchte verborgen halten; welche Erinnerung aber gar unnötig
wahr; dann hätte einiger Mensch ausser meiner geträuen Libussen dieser meiner Liebe inne
werden sollen/ würde mirsunerträglicher als der Tod selbst gewesen seyn. Jedoch halte
ich wol/ daß mein Bruder unser Vorhaben in etwaß gespüret/ weil er aber gemerket/ daß
dessen Meldung zutuhn/ meinem Herkules zuwider wahr/ halte ichs gänzlich davor/ er ha-
be seinem Herzen selbst gebohten/ es nicht zuwissen/ damit er ihm ja nicht möchte zuwider
handeln. Ich wahr willens/ das obgeahnete ihm zubeantworten/ aber meine Fr. Mutter
trat zu uns/ und fragete/ wovon wir mit einander Unterredung hielten; da ich ihr zur Ant-
wort gab: Ich erkündigte mich/ wie meine Frl. Wase/ Frl. Schulda in Schweden lebe-
te/ und wie es beydes meinem Bruder und Oheim bißher daselbst ergangen währe. Dei-
nem Bruder und deinem Oheim? sagte sie; warumb nennestu Fürst Herkules nicht auch
deinen Bruder? nachdemmahl du ja weist/ daß er und Ladisla mir gleiche liebe Söhne sind/
und ich zwischen ihnen durchaus keinen Unterscheid mache; darumb soltu ihn forthin nit
anders als deinen Bruder halten/ auch gleich jetzo solches mit einem züchtigen wolzugelas-
senen Kusse und schwesterlichen umfahen bestätigen. Auff welchen Befehl ich mich darzu
erkühnete/ welches ohn ihre Gegenwart zutuhn/ ich das Herz nicht hätte haben können; a-
ber hier kunte ich ehrenhalben nicht anders/ da ich meinen Herkules also anredete: Weil
die Erbarkeit mir gebeut/ meinen Eltern zugehorsamen/ als wird mein Herr Oheim mir
nach diesem die Kühnheit nicht verargen/ wann ich ihm den Bruder-Nahmen zulegen
werde/ da hinwiederumb ich von ihm des Schwester Nahmens gewärtig bin. Mein Her-
kules wahr fast nicht bey ihm selber// so durchging ihn die Vergnügung/ und weil ihm eh-
renhalben anders nicht gebühren wolte/ nahm er mich wieder zur Vergeltung in seine Ar-
me/ da er dann nach geliefertem züchtigen Kusse zu mir sagete: Vortrefliches Fräulein; O
wolte der Himmel/ ich hätte einige Wirdigkeit an mir/ den süssen Bruder Namen von ihrer
Liebe anzunehmen; nun weiß ich aber schon vorhin wol/ daß dieser mein Wunsch weiter als
mein vermögen reichet/ es währe dann/ dz dieselbe den Abgang meiner Geringfügigkeit mit
dem Reichtuhm ihres überflusses ersetzen wolte; jedoch werde ich mich nit scheuhen/ vor diß-
mahl unverschämt zuseyn/ und die mir zugelegte Ehre ihrer schwesterlichen hohen Gewo-
genheit anzunehmen/ insonderheit/ weil meine gnädigste Fr. Mutter dessen die Gebieterin
ist. Ihr bleibet der ihr seid/ sagte sie zu ihm/ ungeachtet ihr von mir gnug vernommen habt/
wie sehr mir eure unmässige Ehrerbietigkeit gegen mein Kind zu wieder ist/ werde auch nit
unterlassen/ euch erster gelegenheit bey euren Eltern hierüber hart gnug anzuklagen. Ich
hoffe gänzlich/ antwortete er/ meine geliebte Eltern werden mir vielmehr gebieten/ meine
wirdige Frl. Schwester zu ehren/ als sie mich darumb straffen solten; habe aber an eure
Hocheit ich mich anderwerts versündiget/ wil ich selbst lieber mein Ankläger seyn/ als durch
verleugnen mich der gebührlichen Straffe entbrechen; wie ich dann nicht zweiffele/ ihre
Hocheit werde mich erstes Tages gnädigst erlauben/ nach meinen Eltern zu reiten/ weil sie
nach meiner gegenwart verlangen tragen/ und hoffe ich/ mein geliebter Bruder Ladisla wer-
de nunmehr sich nicht wegern/ hieselbst zuverbleiben/ biß wir etwa unsere Ritterschaft fort-
setzen möchten. Je mein herzen Sohn/ sagte sie; wollet ihr dann schon umb abscheid anhal-
ten/ da ihr kaum mich gegrüsset habet? was ist euch alhie so hart entgegen/ daß lasset mich

wissen/
a a a iij

Sechſtes Buch.
zeit vor jedermaͤnniglich moͤchte verborgen halten; welche Erinnerung aber gar unnoͤtig
wahr; dann haͤtte einiger Menſch auſſer meiner getraͤuen Libuſſen dieſer meiner Liebe iñe
werden ſollen/ wuͤrde mirsunertraͤglicher als der Tod ſelbſt geweſen ſeyn. Jedoch halte
ich wol/ daß mein Bruder unſer Vorhaben in etwaß geſpuͤret/ weil er aber gemerket/ daß
deſſen Meldung zutuhn/ meinem Herkules zuwider wahr/ halte ichs gaͤnzlich davor/ er ha-
be ſeinem Herzen ſelbſt gebohten/ es nicht zuwiſſen/ damit er ihm ja nicht moͤchte zuwider
handeln. Ich wahr willens/ das obgeahnete ihm zubeantworten/ aber meine Fr. Mutter
trat zu uns/ und fragete/ wovon wir mit einander Unterredung hielten; da ich ihr zur Ant-
wort gab: Ich erkuͤndigte mich/ wie meine Frl. Waſe/ Frl. Schulda in Schweden lebe-
te/ und wie es beydes meinem Bruder und Oheim bißher daſelbſt ergangen waͤhre. Dei-
nem Bruder und deinem Oheim? ſagte ſie; warumb nenneſtu Fuͤrſt Herkules nicht auch
deinẽ Bruder? nachdemmahl du ja weiſt/ daß er und Ladiſla mir gleiche liebe Soͤhne ſind/
und ich zwiſchen ihnen durchaus keinen Unterſcheid mache; darumb ſoltu ihn forthin nit
anders als deinen Bruder halten/ auch gleich jetzo ſolches mit einem zuͤchtigen wolzugelaſ-
ſenen Kuſſe und ſchweſterlichen umfahen beſtaͤtigen. Auff welchen Befehl ich mich darzu
erkuͤhnete/ welches ohn ihre Gegenwart zutuhn/ ich das Herz nicht haͤtte haben koͤnnen; a-
ber hier kunte ich ehrenhalben nicht anders/ da ich meinen Herkules alſo anredete: Weil
die Erbarkeit mir gebeut/ meinen Eltern zugehorſamen/ als wird mein Herr Oheim mir
nach dieſem die Kuͤhnheit nicht verargen/ wann ich ihm den Bruder-Nahmen zulegen
werde/ da hinwiederumb ich von ihm des Schweſter Nahmens gewaͤrtig bin. Mein Her-
kules wahr faſt nicht bey ihm ſelber// ſo durchging ihn die Vergnuͤgung/ und weil ihm eh-
renhalben anders nicht gebuͤhren wolte/ nahm er mich wieder zur Vergeltung in ſeine Ar-
me/ da er dañ nach geliefertem zuͤchtigen Kuſſe zu mir ſagete: Vortrefliches Fraͤulein; O
wolte der Him̃el/ ich haͤtte einige Wirdigkeit an mir/ den ſuͤſſen Bruder Namen von ihrer
Liebe anzunehmẽ; nun weiß ich aber ſchon vorhin wol/ daß dieſer mein Wunſch weiter als
mein vermoͤgen reichet/ es waͤhre dañ/ dz dieſelbe den Abgang meiner Geringfuͤgigkeit mit
dem Reichtuhm ihres uͤberfluſſes eꝛſetzen wolte; jedoch werde ich mich nit ſcheuhẽ/ vor diß-
mahl unverſchaͤmt zuſeyn/ und die mir zugelegte Ehre ihrer ſchweſterlichen hohen Gewo-
genheit anzunehmen/ inſonderheit/ weil meine gnaͤdigſte Fr. Mutter deſſen die Gebieterin
iſt. Ihr bleibet der ihr ſeid/ ſagte ſie zu ihm/ ungeachtet ihr von mir gnug vernommen habt/
wie ſehr mir eure unmaͤſſige Ehrerbietigkeit gegen mein Kind zu wieder iſt/ werde auch nit
unterlaſſen/ euch erſter gelegenheit bey euren Eltern hieruͤber hart gnug anzuklagen. Ich
hoffe gaͤnzlich/ antwortete er/ meine geliebte Eltern werden mir vielmehr gebieten/ meine
wirdige Frl. Schweſter zu ehren/ als ſie mich darumb ſtraffen ſolten; habe aber an eure
Hocheit ich mich anderwerts verſuͤndiget/ wil ich ſelbſt lieber mein Anklaͤger ſeyn/ als duꝛch
verleugnen mich der gebuͤhrlichen Straffe entbrechen; wie ich dann nicht zweiffele/ ihre
Hocheit werde mich erſtes Tages gnaͤdigſt erlauben/ nach meinen Eltern zu reiten/ weil ſie
nach meiner gegenwart verlangen tragen/ uñ hoffe ich/ mein geliebter Bruder Ladiſla wer-
de nunmehr ſich nicht wegern/ hieſelbſt zuverbleiben/ biß wir etwa unſere Ritterſchaft fort-
ſetzen moͤchten. Je mein herzen Sohn/ ſagte ſie; wollet ihr dann ſchon umb abſcheid anhal-
ten/ da ihr kaum mich gegruͤſſet habet? was iſt euch alhie ſo hart entgegen/ daß laſſet mich

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[373/0379] Sechſtes Buch. zeit vor jedermaͤnniglich moͤchte verborgen halten; welche Erinnerung aber gar unnoͤtig wahr; dann haͤtte einiger Menſch auſſer meiner getraͤuen Libuſſen dieſer meiner Liebe iñe werden ſollen/ wuͤrde mirsunertraͤglicher als der Tod ſelbſt geweſen ſeyn. Jedoch halte ich wol/ daß mein Bruder unſer Vorhaben in etwaß geſpuͤret/ weil er aber gemerket/ daß deſſen Meldung zutuhn/ meinem Herkules zuwider wahr/ halte ichs gaͤnzlich davor/ er ha- be ſeinem Herzen ſelbſt gebohten/ es nicht zuwiſſen/ damit er ihm ja nicht moͤchte zuwider handeln. Ich wahr willens/ das obgeahnete ihm zubeantworten/ aber meine Fr. Mutter trat zu uns/ und fragete/ wovon wir mit einander Unterredung hielten; da ich ihr zur Ant- wort gab: Ich erkuͤndigte mich/ wie meine Frl. Waſe/ Frl. Schulda in Schweden lebe- te/ und wie es beydes meinem Bruder und Oheim bißher daſelbſt ergangen waͤhre. Dei- nem Bruder und deinem Oheim? ſagte ſie; warumb nenneſtu Fuͤrſt Herkules nicht auch deinẽ Bruder? nachdemmahl du ja weiſt/ daß er und Ladiſla mir gleiche liebe Soͤhne ſind/ und ich zwiſchen ihnen durchaus keinen Unterſcheid mache; darumb ſoltu ihn forthin nit anders als deinen Bruder halten/ auch gleich jetzo ſolches mit einem zuͤchtigen wolzugelaſ- ſenen Kuſſe und ſchweſterlichen umfahen beſtaͤtigen. Auff welchen Befehl ich mich darzu erkuͤhnete/ welches ohn ihre Gegenwart zutuhn/ ich das Herz nicht haͤtte haben koͤnnen; a- ber hier kunte ich ehrenhalben nicht anders/ da ich meinen Herkules alſo anredete: Weil die Erbarkeit mir gebeut/ meinen Eltern zugehorſamen/ als wird mein Herr Oheim mir nach dieſem die Kuͤhnheit nicht verargen/ wann ich ihm den Bruder-Nahmen zulegen werde/ da hinwiederumb ich von ihm des Schweſter Nahmens gewaͤrtig bin. Mein Her- kules wahr faſt nicht bey ihm ſelber// ſo durchging ihn die Vergnuͤgung/ und weil ihm eh- renhalben anders nicht gebuͤhren wolte/ nahm er mich wieder zur Vergeltung in ſeine Ar- me/ da er dañ nach geliefertem zuͤchtigen Kuſſe zu mir ſagete: Vortrefliches Fraͤulein; O wolte der Him̃el/ ich haͤtte einige Wirdigkeit an mir/ den ſuͤſſen Bruder Namen von ihrer Liebe anzunehmẽ; nun weiß ich aber ſchon vorhin wol/ daß dieſer mein Wunſch weiter als mein vermoͤgen reichet/ es waͤhre dañ/ dz dieſelbe den Abgang meiner Geringfuͤgigkeit mit dem Reichtuhm ihres uͤberfluſſes eꝛſetzen wolte; jedoch werde ich mich nit ſcheuhẽ/ vor diß- mahl unverſchaͤmt zuſeyn/ und die mir zugelegte Ehre ihrer ſchweſterlichen hohen Gewo- genheit anzunehmen/ inſonderheit/ weil meine gnaͤdigſte Fr. Mutter deſſen die Gebieterin iſt. Ihr bleibet der ihr ſeid/ ſagte ſie zu ihm/ ungeachtet ihr von mir gnug vernommen habt/ wie ſehr mir eure unmaͤſſige Ehrerbietigkeit gegen mein Kind zu wieder iſt/ werde auch nit unterlaſſen/ euch erſter gelegenheit bey euren Eltern hieruͤber hart gnug anzuklagen. Ich hoffe gaͤnzlich/ antwortete er/ meine geliebte Eltern werden mir vielmehr gebieten/ meine wirdige Frl. Schweſter zu ehren/ als ſie mich darumb ſtraffen ſolten; habe aber an eure Hocheit ich mich anderwerts verſuͤndiget/ wil ich ſelbſt lieber mein Anklaͤger ſeyn/ als duꝛch verleugnen mich der gebuͤhrlichen Straffe entbrechen; wie ich dann nicht zweiffele/ ihre Hocheit werde mich erſtes Tages gnaͤdigſt erlauben/ nach meinen Eltern zu reiten/ weil ſie nach meiner gegenwart verlangen tragen/ uñ hoffe ich/ mein geliebter Bruder Ladiſla wer- de nunmehr ſich nicht wegern/ hieſelbſt zuverbleiben/ biß wir etwa unſere Ritterſchaft fort- ſetzen moͤchten. Je mein herzen Sohn/ ſagte ſie; wollet ihr dann ſchon umb abſcheid anhal- ten/ da ihr kaum mich gegruͤſſet habet? was iſt euch alhie ſo hart entgegen/ daß laſſet mich wiſſen/ a a a iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/379>, abgerufen am 22.11.2024.