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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
me rieff/ kunte ihn aber nicht ermuntern/ biß es zimlich helle wahr. Baldrich/ nachdem es
stille worden wahr/ redete seinen Gesellen an/ und sagete zu ihm: Bruder was habe ich hin-
te eine elende Angstnacht gehabt/ und wundert mich/ daß mir dz Herz vor furcht und schrec-
ken nicht gar zersprungen ist. So bin ichs nicht allein gewesen/ antwortete Siegward/ der
sich von den erzörneten Landgöttern hat müssen rechtschaffen ängsten lassen. Daß währe
wunder/ sagte jener/ dann eben diß hat mich so heftig gepeiniget. Sie macheten/ daß die bey-
den Leibdiener zuvor auffstehen und einen Abtrit nehmen musten/ hernach gabs ihre erzäh-
lung/ daß beyden ein gleichmässiges begegnet wahr/ und sie es daher vor keine Träumerey/
sondern warhafte begebniß hielten/ welches die Furcht in ihnen vermehrete/ daß sie nicht
wusten wessen sie sich verhalten solten. Der abscheid wahr/ daß sie gar früh sich bey der
Groß Fürstin solten anfinden/ umb den Inhalt des Christlichen Glaubens von ihr zuver-
nehmen; aber solches wolte die Furcht vor den erzürneten Göttern ihnen nicht zulassen;
und gleichwol wolten sie an ihrer verheissung nicht gerne fehlen; endlich wurden sie eins/
sich dessen bey der Groß Fürstin durch ein Brieflein zu entschuldigen/ welches Siegward
auffsetzete/ und ihr solches bey seinem Diener zusendete. Dieser begegnete Frl. Sibyllen
ihrer Leibmagd/ und baht/ die Groß Fürstin zuvermögen/ daß sie dieses Schreiben nebest
Fr. Sophien in geheim lesen möchte; welches diese Dienerin wol bestellete/ und die Groß-
Fürstin nicht ohn verwundern zu sich nam/ trat mit Fr. Sophien in ein Nebengemach/
und lasen folgendes mit höchster bestürzung.

Durchleuchtigste Groß Fürstin/ Gn Fr. Wase; ob zwar einem jeden redlichen Ritter/ die
Schuldigkeit/ sein Versprechen zu leisten/ oblieget/ und wir beyde zu ends benante uns gleich jetzo
einstellen solten/ den Inhalt des Christlichen Glaubens zuvernehmen/ so fället uns doch eine so wich-
tige Verhinderung darzwischen/ welche zu unser entschuldigung uns dünket gnug seyn; weil aber sel-
biges der Feder zu weitläufftig fallen würde/ es umbständlich anzuführen/ möchten wir wünschen/ die
Gelegenheit zu haben/ euren Liebden es mündlich zuerzählen/ und zugleich ihres rahts uns zugebrau-
chen/ als erschrockene Leute/ welchen der Götter dräuung diese Nacht kaum das Leben übrig gelassen
hat; wie solches anmelden werden/ euer Liebden untertähnigst-gehorsamste; Siegward und Baldrich.

Da wird der lose Teuffel sein Spiel diese Nacht wol rechtschaffen gehabt haben/ sag-
te die Groß Fürstin; ließ den beyden Fürsten mündlich sagen/ sie wolte nach ihrem begeh-
ren bald bey ihnen seyn/ ging doch zuvor hin zu ihrem Gemahl und Bruder/ und gab ihnen
den Brieff zuverlesen/ welche darüber nicht wenig erschraken/ es mit ihr überlegeten/ und
ihre meynung ihr zuverstehen gaben; worauff sie zu den beyden Fürsten auff ihr Gemach
sich verfügete/ und Fr. Sophien mit sich nam. Als sie zu ihnen hinein traten/ entsetzeten sie
sich über ihrer bleichen todten Farbe/ und traurigen Gestalt/ und nach wünschung eines
glükseligen morgens/ fragete die Groß Fürstin/ was vor anfechtung sie gehabt hätten. Es
hatten sich die Fürsten in etwas erhohlet/ zweifelten doch/ ob durch erzählung der Begebnis
sie ihre Götter nicht beleidigen würden/ massen die begierde nach dem Christentuhm ihnen
gar vergangen wahr; endlich fing Baldrich also an: Durchleuchtigste Frr. Wasen; daß
nicht ohn wichtige Ursachen wir unser Versprechen zuleisten unterlassen haben/ mögen sie
uns wol sicherlich trauen/ und ob wir uns zwar fürchten/ durch die erzählung unser Aben-
teur noch in eine schlimmere zu fallen/ können wir doch nicht umbhin/ ihren Liebden es zu
offenbahren; sagte also alles her was sich begeben hatte/ und verwunderte sich über alle mas-

se/

Sechſtes Buch.
me rieff/ kunte ihn aber nicht ermuntern/ biß es zimlich helle wahr. Baldrich/ nachdem es
ſtille worden wahr/ redete ſeinen Geſellen an/ und ſagete zu ihm: Bruder was habe ich hin-
te eine elende Angſtnacht gehabt/ uñ wundert mich/ daß mir dz Herz vor furcht und ſchrec-
ken nicht gar zerſprungen iſt. So bin ichs nicht allein geweſen/ antwortete Siegward/ der
ſich von den erzoͤrneten Landgoͤttern hat muͤſſen rechtſchaffen aͤngſten laſſen. Daß waͤhre
wunder/ ſagte jener/ dañ eben diß hat mich ſo heftig gepeiniget. Sie macheten/ daß die bey-
den Leibdiener zuvor auffſtehen und einen Abtrit nehmen muſten/ hernach gabs ihre erzaͤh-
lung/ daß beyden ein gleichmaͤſſiges begegnet wahr/ und ſie es daher vor keine Traͤumerey/
ſondern warhafte begebniß hielten/ welches die Furcht in ihnen vermehrete/ daß ſie nicht
wuſten weſſen ſie ſich verhalten ſolten. Der abſcheid wahr/ daß ſie gar fruͤh ſich bey der
Groß Fuͤrſtin ſolten anfinden/ umb den Inhalt des Chriſtlichen Glaubens von ihr zuver-
nehmen; aber ſolches wolte die Furcht vor den erzuͤrneten Goͤttern ihnen nicht zulaſſen;
und gleichwol wolten ſie an ihrer verheiſſung nicht gerne fehlen; endlich wurden ſie eins/
ſich deſſen bey der Groß Fuͤrſtin durch ein Brieflein zu entſchuldigen/ welches Siegward
auffſetzete/ und ihr ſolches bey ſeinem Diener zuſendete. Dieſer begegnete Frl. Sibyllen
ihrer Leibmagd/ und baht/ die Groß Fuͤrſtin zuvermoͤgen/ daß ſie dieſes Schreiben nebeſt
Fr. Sophien in geheim leſen moͤchte; welches dieſe Dienerin wol beſtellete/ und die Groß-
Fuͤrſtin nicht ohn verwundern zu ſich nam/ trat mit Fr. Sophien in ein Nebengemach/
und laſen folgendes mit hoͤchſter beſtuͤrzung.

Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ Gn Fr. Waſe; ob zwar einem jeden redlichen Ritter/ die
Schuldigkeit/ ſein Verſprechen zu leiſten/ oblieget/ und wir beyde zu ends benante uns gleich jetzo
einſtellen ſolten/ den Inhalt des Chriſtlichen Glaubens zuvernehmen/ ſo faͤllet uns doch eine ſo wich-
tige Verhinderung darzwiſchen/ welche zu unſer entſchuldigung uns duͤnket gnug ſeyn; weil aber ſel-
biges der Feder zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde/ es umbſtaͤndlich anzufuͤhren/ moͤchten wir wuͤnſchen/ die
Gelegenheit zu haben/ euren Liebden es muͤndlich zuerzaͤhlen/ und zugleich ihres rahts uns zugebrau-
chen/ als erſchrockene Leute/ welchen der Goͤtter draͤuung dieſe Nacht kaum das Leben uͤbrig gelaſſen
hat; wie ſolches anmelden werden/ euer Liebden untertaͤhnigſt-gehorſamſte; Siegward uñ Baldrich.

Da wird der loſe Teuffel ſein Spiel dieſe Nacht wol rechtſchaffen gehabt haben/ ſag-
te die Groß Fuͤrſtin; ließ den beyden Fuͤrſten muͤndlich ſagen/ ſie wolte nach ihrem begeh-
ren bald bey ihnen ſeyn/ ging doch zuvor hin zu ihrem Gemahl und Bruder/ und gab ihnen
den Brieff zuverleſen/ welche daruͤber nicht wenig erſchraken/ es mit ihr uͤberlegeten/ und
ihre meynung ihr zuverſtehen gaben; worauff ſie zu den beyden Fuͤrſten auff ihr Gemach
ſich verfuͤgete/ und Fr. Sophien mit ſich nam. Als ſie zu ihnen hinein traten/ entſetzeten ſie
ſich uͤber ihrer bleichen todten Farbe/ und traurigen Geſtalt/ und nach wuͤnſchung eines
gluͤkſeligen morgens/ fragete die Groß Fuͤrſtin/ was vor anfechtung ſie gehabt haͤtten. Es
hatten ſich die Fürſten in etwas erhohlet/ zweifelten doch/ ob durch erzaͤhlung der Begebnis
ſie ihre Goͤtter nicht beleidigen wuͤrden/ maſſen die begierde nach dem Chriſtentuhm ihnen
gar vergangen wahr; endlich fing Baldrich alſo an: Durchleuchtigſte Frr. Waſen; daß
nicht ohn wichtige Urſachen wir unſer Verſprechen zuleiſten unterlaſſen haben/ moͤgen ſie
uns wol ſicherlich trauen/ und ob wir uns zwar fuͤrchten/ durch die erzaͤhlung unſer Aben-
teur noch in eine ſchlimmere zu fallen/ koͤnnen wir doch nicht umbhin/ ihren Liebden es zu
offenbahren; ſagte alſo alles her was ſich begeben hatte/ uñ verwunderte ſich uͤber alle maſ-

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[334/0340] Sechſtes Buch. me rieff/ kunte ihn aber nicht ermuntern/ biß es zimlich helle wahr. Baldrich/ nachdem es ſtille worden wahr/ redete ſeinen Geſellen an/ und ſagete zu ihm: Bruder was habe ich hin- te eine elende Angſtnacht gehabt/ uñ wundert mich/ daß mir dz Herz vor furcht und ſchrec- ken nicht gar zerſprungen iſt. So bin ichs nicht allein geweſen/ antwortete Siegward/ der ſich von den erzoͤrneten Landgoͤttern hat muͤſſen rechtſchaffen aͤngſten laſſen. Daß waͤhre wunder/ ſagte jener/ dañ eben diß hat mich ſo heftig gepeiniget. Sie macheten/ daß die bey- den Leibdiener zuvor auffſtehen und einen Abtrit nehmen muſten/ hernach gabs ihre erzaͤh- lung/ daß beyden ein gleichmaͤſſiges begegnet wahr/ und ſie es daher vor keine Traͤumerey/ ſondern warhafte begebniß hielten/ welches die Furcht in ihnen vermehrete/ daß ſie nicht wuſten weſſen ſie ſich verhalten ſolten. Der abſcheid wahr/ daß ſie gar fruͤh ſich bey der Groß Fuͤrſtin ſolten anfinden/ umb den Inhalt des Chriſtlichen Glaubens von ihr zuver- nehmen; aber ſolches wolte die Furcht vor den erzuͤrneten Goͤttern ihnen nicht zulaſſen; und gleichwol wolten ſie an ihrer verheiſſung nicht gerne fehlen; endlich wurden ſie eins/ ſich deſſen bey der Groß Fuͤrſtin durch ein Brieflein zu entſchuldigen/ welches Siegward auffſetzete/ und ihr ſolches bey ſeinem Diener zuſendete. Dieſer begegnete Frl. Sibyllen ihrer Leibmagd/ und baht/ die Groß Fuͤrſtin zuvermoͤgen/ daß ſie dieſes Schreiben nebeſt Fr. Sophien in geheim leſen moͤchte; welches dieſe Dienerin wol beſtellete/ und die Groß- Fuͤrſtin nicht ohn verwundern zu ſich nam/ trat mit Fr. Sophien in ein Nebengemach/ und laſen folgendes mit hoͤchſter beſtuͤrzung. Durchleuchtigſte Groß Fuͤrſtin/ Gn Fr. Waſe; ob zwar einem jeden redlichen Ritter/ die Schuldigkeit/ ſein Verſprechen zu leiſten/ oblieget/ und wir beyde zu ends benante uns gleich jetzo einſtellen ſolten/ den Inhalt des Chriſtlichen Glaubens zuvernehmen/ ſo faͤllet uns doch eine ſo wich- tige Verhinderung darzwiſchen/ welche zu unſer entſchuldigung uns duͤnket gnug ſeyn; weil aber ſel- biges der Feder zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde/ es umbſtaͤndlich anzufuͤhren/ moͤchten wir wuͤnſchen/ die Gelegenheit zu haben/ euren Liebden es muͤndlich zuerzaͤhlen/ und zugleich ihres rahts uns zugebrau- chen/ als erſchrockene Leute/ welchen der Goͤtter draͤuung dieſe Nacht kaum das Leben uͤbrig gelaſſen hat; wie ſolches anmelden werden/ euer Liebden untertaͤhnigſt-gehorſamſte; Siegward uñ Baldrich. Da wird der loſe Teuffel ſein Spiel dieſe Nacht wol rechtſchaffen gehabt haben/ ſag- te die Groß Fuͤrſtin; ließ den beyden Fuͤrſten muͤndlich ſagen/ ſie wolte nach ihrem begeh- ren bald bey ihnen ſeyn/ ging doch zuvor hin zu ihrem Gemahl und Bruder/ und gab ihnen den Brieff zuverleſen/ welche daruͤber nicht wenig erſchraken/ es mit ihr uͤberlegeten/ und ihre meynung ihr zuverſtehen gaben; worauff ſie zu den beyden Fuͤrſten auff ihr Gemach ſich verfuͤgete/ und Fr. Sophien mit ſich nam. Als ſie zu ihnen hinein traten/ entſetzeten ſie ſich uͤber ihrer bleichen todten Farbe/ und traurigen Geſtalt/ und nach wuͤnſchung eines gluͤkſeligen morgens/ fragete die Groß Fuͤrſtin/ was vor anfechtung ſie gehabt haͤtten. Es hatten ſich die Fürſten in etwas erhohlet/ zweifelten doch/ ob durch erzaͤhlung der Begebnis ſie ihre Goͤtter nicht beleidigen wuͤrden/ maſſen die begierde nach dem Chriſtentuhm ihnen gar vergangen wahr; endlich fing Baldrich alſo an: Durchleuchtigſte Frr. Waſen; daß nicht ohn wichtige Urſachen wir unſer Verſprechen zuleiſten unterlaſſen haben/ moͤgen ſie uns wol ſicherlich trauen/ und ob wir uns zwar fuͤrchten/ durch die erzaͤhlung unſer Aben- teur noch in eine ſchlimmere zu fallen/ koͤnnen wir doch nicht umbhin/ ihren Liebden es zu offenbahren; ſagte alſo alles her was ſich begeben hatte/ uñ verwunderte ſich uͤber alle maſ- ſe/

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/340>, abgerufen am 25.11.2024.