Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Sechstes Buch. mein Fräulein? antwortete er/ weil das Herz ganz ihr eigen ist/ findet sich nichts in dem-selben/ welches vor ihrer Liebe begehret verborgen zu seyn. Meine Muhtmassung aber ist diese: Als wir der Räuber ingesamt waren mächtig worden/ machte ich mich alsbald hin- weg/ umb etliche Wagen aus der nähe zuhohlen/ noch ehe ich das Fräulein gesehen oder gesprochen hatte/ dann ich merkete/ daß wegen ihrer zurissenen Kleider sie sich in einem Winkel verborgen hielt; Als ich nun nach Verlauff zwo Stunden wieder kam/ traf ich meinen Freund an/ daß er mit dem Fräulein gar ein ernstes Gespräch hielt/ welches ich merkete von Liebeshändeln seyn; worin ich sie dann nicht stören wolte/ sondern Raum ge- nug gönnete; Ausser zweifel aber ist es/ daß mein Freund durch Liebe zu diesem Fräulein sehr gepeiniget wird/ und wann ich mich erkühnen dürfte/ Eure Liebe seinet wegen unter- tähnig zubitten/ daß dieselbe bey dem Fräulein ihm mit einer kräfftigen Vorbitte wolte zu hülffe kommen/ hätte ich nicht zuzweifeln/ er würde zu dem Zweg seiner ehrlichen begier- den leicht gelangen. Mein Freund/ antwortete sie/ gedenket Eure Liebe/ daß dieser Fürst meiner Vorbitte bey dem Fräulein in dieser Sache bedürffe? hat er ihr doch ihren teuresten Schaz/ die Keuscheit-Ehre gerettet und erhalten/ wie solte sie dann sich ihm in ehelicher Liebe nicht wollen ergeben/ angesehen des hohen Fürstlichen Standes/ in welchem dieser ihr Liebhaber lebet/ wann gleich der hohe Verdienst nicht dar währe? reize derwegen mein Durchl. Fürst seinen Freund nur an zur beharlichen Ansuchung/ alsdann wird er seinen Zweg schon ohn meine hülffe erhalten/ wiewol Eure Liebe spüren sol/ daß dero Vorbitte bey mir gültig gewesen ist. Baldrich wuste sich in dieser Fräulein art nit zuschicken/ durfte ihm auch die Gedanken machen/ er selbst würde hierunter zur eiferigen Nachstellung ange- frischet/ welches ihn auch so muhtig machete/ daß er willens wahr/ umb ehelich Liebe aus- drüklich anzuhalten/ deren er biß daher noch keine Erwähnung getahn hatte/ aber sie wah- ren schon bey des Stathalters Hofe angelanget/ und traten die Diener herzu/ ihnen die Gutsche auffzumachen. Die ganze Geselschafft ging hinauff in den Gast Saal/ woselbst der Stathalter nebest den vornehmesten Herren der Stad sie empfingen/ und zehn lange Tische mehrenteils in bunter Reihe besetzet wurden. Nach gehaltener Mahlzeit teileten Herkules und Ladisla die aus Persen übergebrachten grossen Schätze aus/ über deren gros- se Menge sich jederman zum höchsten verwunderte/ insonderheit aber entschuldigten sich Fr. Sophia und Fr. Ursul/ daß sie solches annehmen solten/ da sie doch ihren Gemahlen nicht hätten können in der fremde Geselschafft leisten. Leches und die übrigen empfingen auch neben ihren Eheliebsten die beygelegten Gelder und andere Sachen; nur vor Gallus fand sich nichts/ dessen Ladisla sich verwunderte/ und nicht anders meynete/ es würde von den Morgenländischen Fürsten wegen der Eile vergessen seyn/ deßwegen er zu ihm sage- te: Machet euch keine Gedanken Gallus/ finde ich gleich euren Anteil hier nicht/ soler euch doch unverrücket bleiben/ wie ihr solches mit euren geträuen Diensten wol verdienet ha- bet. Ach Gnädigster Herr/ antwortete er/ was könte ich doch vor einige Gnade verdienet haben? wolte Eure Durchl. mit mir nach Verdienst handeln/ so müste ich heut dem Räu- ber Fannius Geselschafft geleistet haben. Auff welche Rede/ die er kaum endigen kunte/ drungen ihm die Trähnen so häuffig aus den Augen/ daß er einen Abtrit nehmen muste/ auch Ladisla selbst vor Mitleiden ihm keine Antwort geben kunte. Er stellete sich aber bald wieder
Sechſtes Buch. mein Fraͤulein? antwortete er/ weil das Herz ganz ihr eigen iſt/ findet ſich nichts in dem-ſelben/ welches vor ihrer Liebe begehret verborgen zu ſeyn. Meine Muhtmaſſung aber iſt dieſe: Als wir der Raͤuber ingeſamt waren maͤchtig worden/ machte ich mich alsbald hin- weg/ umb etliche Wagen aus der naͤhe zuhohlen/ noch ehe ich das Fraͤulein geſehen oder geſprochen hatte/ dann ich merkete/ daß wegen ihrer zuriſſenen Kleider ſie ſich in einem Winkel verborgen hielt; Als ich nun nach Verlauff zwo Stunden wieder kam/ traf ich meinen Freund an/ daß er mit dem Fraͤulein gar ein ernſtes Geſpraͤch hielt/ welches ich merkete von Liebeshaͤndeln ſeyn; worin ich ſie dann nicht ſtoͤren wolte/ ſondern Raum ge- nug goͤnnete; Auſſer zweifel aber iſt es/ daß mein Freund durch Liebe zu dieſem Fraͤulein ſehr gepeiniget wird/ und wann ich mich erkuͤhnen dürfte/ Eure Liebe ſeinet wegen unter- taͤhnig zubitten/ daß dieſelbe bey dem Fraͤulein ihm mit einer kraͤfftigen Vorbitte wolte zu huͤlffe kommen/ haͤtte ich nicht zuzweifeln/ er wuͤrde zu dem Zweg ſeiner ehrlichen begier- den leicht gelangen. Mein Freund/ antwortete ſie/ gedenket Eure Liebe/ daß dieſer Fuͤrſt meiner Vorbitte bey dem Fraͤulein in dieſer Sache beduͤrffe? hat er ihr doch ihren teureſtẽ Schaz/ die Keuſcheit-Ehre gerettet und erhalten/ wie ſolte ſie dann ſich ihm in ehelicher Liebe nicht wollen ergeben/ angeſehen des hohen Fuͤrſtlichen Standes/ in welchem dieſer ihr Liebhaber lebet/ wann gleich der hohe Verdienſt nicht dar waͤhre? reize derwegen mein Durchl. Fuͤrſt ſeinen Freund nur an zur beharlichen Anſuchung/ alsdann wird er ſeinen Zweg ſchon ohn meine huͤlffe erhalten/ wiewol Eure Liebe ſpuͤren ſol/ daß dero Vorbitte bey mir guͤltig geweſen iſt. Baldrich wuſte ſich in dieſer Fraͤulein art nit zuſchicken/ durfte ihm auch die Gedanken machen/ er ſelbſt würde hierunter zur eiferigen Nachſtellung ange- friſchet/ welches ihn auch ſo muhtig machete/ daß er willens wahr/ umb ehelich Liebe aus- druͤklich anzuhalten/ deren er biß daher noch keine Erwaͤhnung getahn hatte/ aber ſie wah- ren ſchon bey des Stathalters Hofe angelanget/ und traten die Diener herzu/ ihnen die Gutſche auffzumachen. Die ganze Geſelſchafft ging hinauff in den Gaſt Saal/ woſelbſt der Stathalter nebeſt den vornehmeſten Herren der Stad ſie empfingen/ und zehn lange Tiſche mehrenteils in bunter Reihe beſetzet wurden. Nach gehaltener Mahlzeit teileten Herkules und Ladiſla die aus Perſen übergebrachtẽ groſſen Schaͤtze aus/ uͤber deren groſ- ſe Menge ſich jederman zum hoͤchſten verwunderte/ inſonderheit aber entſchuldigten ſich Fr. Sophia und Fr. Urſul/ daß ſie ſolches annehmen ſolten/ da ſie doch ihren Gemahlen nicht haͤtten koͤnnen in der fremde Geſelſchafft leiſten. Leches und die uͤbrigen empfingen auch neben ihren Eheliebſten die beygelegten Gelder und andere Sachen; nur vor Gallus fand ſich nichts/ deſſen Ladiſla ſich verwunderte/ und nicht anders meynete/ es wuͤrde von den Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten wegen der Eile vergeſſen ſeyn/ deßwegen er zu ihm ſage- te: Machet euch keine Gedanken Gallus/ finde ich gleich euren Anteil hier nicht/ ſoler euch doch unverruͤcket bleiben/ wie ihr ſolches mit euren getraͤuen Dienſten wol verdienet ha- bet. Ach Gnaͤdigſter Herr/ antwortete er/ was koͤnte ich doch vor einige Gnade verdienet haben? wolte Eure Durchl. mit mir nach Verdienſt handeln/ ſo muͤſte ich heut dem Raͤu- ber Fannius Geſelſchafft geleiſtet haben. Auff welche Rede/ die er kaum endigen kunte/ drungen ihm die Traͤhnen ſo haͤuffig aus den Augen/ daß er einen Abtrit nehmen muſte/ auch Ladiſla ſelbſt vor Mitleiden ihm keine Antwort geben kunte. Er ſtellete ſich aber bald wieder
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Sechſtes Buch.
mein Fraͤulein? antwortete er/ weil das Herz ganz ihr eigen iſt/ findet ſich nichts in dem-
ſelben/ welches vor ihrer Liebe begehret verborgen zu ſeyn. Meine Muhtmaſſung aber iſt
dieſe: Als wir der Raͤuber ingeſamt waren maͤchtig worden/ machte ich mich alsbald hin-
weg/ umb etliche Wagen aus der naͤhe zuhohlen/ noch ehe ich das Fraͤulein geſehen oder
geſprochen hatte/ dann ich merkete/ daß wegen ihrer zuriſſenen Kleider ſie ſich in einem
Winkel verborgen hielt; Als ich nun nach Verlauff zwo Stunden wieder kam/ traf ich
meinen Freund an/ daß er mit dem Fraͤulein gar ein ernſtes Geſpraͤch hielt/ welches ich
merkete von Liebeshaͤndeln ſeyn; worin ich ſie dann nicht ſtoͤren wolte/ ſondern Raum ge-
nug goͤnnete; Auſſer zweifel aber iſt es/ daß mein Freund durch Liebe zu dieſem Fraͤulein
ſehr gepeiniget wird/ und wann ich mich erkuͤhnen dürfte/ Eure Liebe ſeinet wegen unter-
taͤhnig zubitten/ daß dieſelbe bey dem Fraͤulein ihm mit einer kraͤfftigen Vorbitte wolte zu
huͤlffe kommen/ haͤtte ich nicht zuzweifeln/ er wuͤrde zu dem Zweg ſeiner ehrlichen begier-
den leicht gelangen. Mein Freund/ antwortete ſie/ gedenket Eure Liebe/ daß dieſer Fuͤrſt
meiner Vorbitte bey dem Fraͤulein in dieſer Sache beduͤrffe? hat er ihr doch ihren teureſtẽ
Schaz/ die Keuſcheit-Ehre gerettet und erhalten/ wie ſolte ſie dann ſich ihm in ehelicher
Liebe nicht wollen ergeben/ angeſehen des hohen Fuͤrſtlichen Standes/ in welchem dieſer
ihr Liebhaber lebet/ wann gleich der hohe Verdienſt nicht dar waͤhre? reize derwegen mein
Durchl. Fuͤrſt ſeinen Freund nur an zur beharlichen Anſuchung/ alsdann wird er ſeinen
Zweg ſchon ohn meine huͤlffe erhalten/ wiewol Eure Liebe ſpuͤren ſol/ daß dero Vorbitte
bey mir guͤltig geweſen iſt. Baldrich wuſte ſich in dieſer Fraͤulein art nit zuſchicken/ durfte
ihm auch die Gedanken machen/ er ſelbſt würde hierunter zur eiferigen Nachſtellung ange-
friſchet/ welches ihn auch ſo muhtig machete/ daß er willens wahr/ umb ehelich Liebe aus-
druͤklich anzuhalten/ deren er biß daher noch keine Erwaͤhnung getahn hatte/ aber ſie wah-
ren ſchon bey des Stathalters Hofe angelanget/ und traten die Diener herzu/ ihnen die
Gutſche auffzumachen. Die ganze Geſelſchafft ging hinauff in den Gaſt Saal/ woſelbſt
der Stathalter nebeſt den vornehmeſten Herren der Stad ſie empfingen/ und zehn lange
Tiſche mehrenteils in bunter Reihe beſetzet wurden. Nach gehaltener Mahlzeit teileten
Herkules und Ladiſla die aus Perſen übergebrachtẽ groſſen Schaͤtze aus/ uͤber deren groſ-
ſe Menge ſich jederman zum hoͤchſten verwunderte/ inſonderheit aber entſchuldigten ſich
Fr. Sophia und Fr. Urſul/ daß ſie ſolches annehmen ſolten/ da ſie doch ihren Gemahlen
nicht haͤtten koͤnnen in der fremde Geſelſchafft leiſten. Leches und die uͤbrigen empfingen
auch neben ihren Eheliebſten die beygelegten Gelder und andere Sachen; nur vor Gallus
fand ſich nichts/ deſſen Ladiſla ſich verwunderte/ und nicht anders meynete/ es wuͤrde von
den Morgenlaͤndiſchen Fuͤrſten wegen der Eile vergeſſen ſeyn/ deßwegen er zu ihm ſage-
te: Machet euch keine Gedanken Gallus/ finde ich gleich euren Anteil hier nicht/ ſoler euch
doch unverruͤcket bleiben/ wie ihr ſolches mit euren getraͤuen Dienſten wol verdienet ha-
bet. Ach Gnaͤdigſter Herr/ antwortete er/ was koͤnte ich doch vor einige Gnade verdienet
haben? wolte Eure Durchl. mit mir nach Verdienſt handeln/ ſo muͤſte ich heut dem Raͤu-
ber Fannius Geſelſchafft geleiſtet haben. Auff welche Rede/ die er kaum endigen kunte/
drungen ihm die Traͤhnen ſo haͤuffig aus den Augen/ daß er einen Abtrit nehmen muſte/
auch Ladiſla ſelbſt vor Mitleiden ihm keine Antwort geben kunte. Er ſtellete ſich aber bald
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/314>, abgerufen am 19.07.2024. |