Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Sechstes Buch. wurden. Sie empfingen die drey Helden mit frölichen Geberden/ hielten den beyden Vä-tern ihre Söhnlein zu/ und sagte die Großmutter: Da sehet ihr eure wolgestalte liebe Kin- derchen zum ersten mahle/ welche euch der mildreiche Gott in eurem abwesen bescheret hat. Ladisla trat mit grosser Herzensfreude hinzu/ da sein Herkuladisla ihn lieblich anlachete/ und das Abba dreymahl lallete/ noch ehe er ihn anrührete/ worüber ihm die Freudenträhnen aus den Augen hervor drungen/ daß wie feste er sich hielt/ dieselben doch nicht hinterbleiben wol- ten/ nam deswegen das liebe Kindichen auf seine geharnischten Arme/ herzete es etliche mahl und sagte: Der Almächtige Gott und Schöpffer Himmels und der Erden verleihe dir seine Gnade/ und lasse dich in Erkäntniß der Himlischen Warheit auffwachsen/ daß du ein Erbe bleibest des ewigen Lebens. Fr. Sophia und Ursul kahmen aus der Gutsche darzu gangen/ und da sie ihre Gemahlen sich dergestalt mit den Kindern ergetzen sahen/ wurden sie vor Freuden laut weinen/ daß es im ganzen Platze gehöret ward/ und fing Fr. Sophia zu ihrem Söhnlein an: Du mein herzallerliebstes Schäzchen/ an dem ich diese Zeit über alle meines Kummers Vertreibung gehabt/ jezt sihestu deinen Herr Vater zum ersten mahle; aber der barmherzige Gott verleihe mir und dir/ daß er uns ja nimmermehr solcher gestalt entwanderen möge. Der Stathalter trat mit hinzu/ und sagte zu seiner Tochter: Geliebtes Kind/ du hast mir nun zum andern mahle durch dein gar zu kühnes ausfahren grosses Herzleid gemacht/ welches du leicht hättest verhüten können/ wann du nur etliche wenig Reuter zu dir genommen; doch weil der heutige Tag uns zur sonderlichen Freude gemacht ist/ wil ich mit scharffen Reden dir dein Verbrechen nicht aufrücken/ hättest aber bey deinem Gemahl wol verdienet/ daß an stat freundlicher Begrüssung er dir einen guten Auswischer erteilete/ damit du hernähst dir solches liessest zur Warnung dienen. Ladisla ant- wortete an ihrer stat. Es kan seyn/ mein Herr Vater/ daß mein allerliebstes Gemahl in die- sem falle gefündiget hat/ und ihren Eltern grosse Bekümmerniß erwecket/ aber ich bitte/ dz ihr auch vor dißmahl noch dieser Fehler möge verzihen werden/ dann wil ich mich in Bürg- schafft stellen/ daß sie nach diesem vorsichtiger gehen wird. Ja/ Gott weiß/ sagte Frau So- phia/ daß mir in diesem Unfal meiner lieben Eltern Kummer ja so sehr als meine eigene ge- fahr zu herzen gangen ist/ und weiß nicht/ durch was Hinderniß ich vergessen/ etlichen Reu- tern zubefehlen/ daß sie mir folgen solten/ wie ich mir festiglich vorgenommen hatte. Ich ha- be es ja angehöret/ sagte das Fräulein/ daß ihr des Abends zuvor es bey dem Gutscher also bestelletet/ der ohn zweifel aus Vorsaz es unterlassen hat. Was sol ich dann weiter machen? fuhr Fr. Sophia fort/ Gott schicket den lieben seinen auch zuzeiten wegen ihrer Sünde ein Unglük zu/ in welchem er doch am kräfftigsten bey ihnen stehet/ und hiedurch viel gutes wir- ket/ erstlich/ daß wir unsere Bosheit erkennen/ und/ daß wir noch viel härtere Straffen mit unsern Sünden bey Gott verdienen/ wann er nach seinem strengen Rechte mit uns verfah- ren wolte; dann auch/ daß wir in unferm Gebeht zu Gott ange frischet werden/ dessen wir in Glückes Zeiten viel in vergeß stellen; endlich auch/ daß wir Gottes almächtige Hülffe erfahren/ und ihm davor von herzen danken. Ja wer weiß/ ob nicht zum sonderlichen Glü- cke meiner Frl. Schwester es also hat ergehen müssen? Sibylla erröhtete hierob im gan- zen Angesichte/ und wahr ihr unmöglich/ es zubeantworten. Ladisla hörete seines Gemahls gottfürchtige Reden mit grosser Herzensfreude an/ und wunderte sich/ daß sie in Erkänt- niß
Sechſtes Buch. wurden. Sie empfingen die drey Helden mit froͤlichen Geberden/ hielten den beyden Vaͤ-tern ihre Soͤhnlein zu/ und ſagte die Großmutter: Da ſehet ihr eure wolgeſtalte liebe Kin- derchen zum erſten mahle/ welche euch der mildreiche Gott in eurem abweſen beſcheret hat. Ladiſla trat mit groſſer Herzensfreude hinzu/ da ſein Herkuladiſla ihn lieblich anlachete/ uñ das Abba dreymahl lallete/ noch ehe er ihn anruͤhrete/ woruͤber ihm die Freudentraͤhnẽ aus den Augen hervor drungen/ daß wie feſte er ſich hielt/ dieſelben doch nicht hinterbleibẽ wol- ten/ nam deswegen das liebe Kindichen auf ſeine geharniſchtẽ Arme/ herzete es etliche mahl und ſagte: Der Almaͤchtige Gott und Schoͤpffer Himmels und der Erden verleihe dir ſeine Gnade/ und laſſe dich in Erkaͤntniß der Himliſchen Warheit auffwachſen/ daß du ein Erbe bleibeſt des ewigen Lebens. Fr. Sophia und Urſul kahmen aus der Gutſche darzu gangen/ und da ſie ihre Gemahlen ſich dergeſtalt mit den Kindern ergetzen ſahen/ wurden ſie vor Freuden laut weinen/ daß es im ganzen Platze gehoͤret ward/ und fing Fr. Sophia zu ihrem Soͤhnlein an: Du mein herzallerliebſtes Schaͤzchen/ an dem ich dieſe Zeit uͤber alle meines Kummers Vertreibung gehabt/ jezt ſiheſtu deinen Herr Vater zum erſten mahle; aber der barmherzige Gott verleihe mir und dir/ daß er uns ja nimmermehr ſolcher geſtalt entwanderen moͤge. Der Stathalter trat mit hinzu/ und ſagte zu ſeiner Tochter: Geliebtes Kind/ du haſt mir nun zum andern mahle durch dein gar zu kuͤhnes ausfahren groſſes Herzleid gemacht/ welches du leicht haͤtteſt verhuͤten koͤnnen/ wann du nur etliche wenig Reuter zu dir genommen; doch weil der heutige Tag uns zur ſonderlichen Freude gemacht iſt/ wil ich mit ſcharffen Reden dir dein Verbrechen nicht aufruͤcken/ haͤtteſt aber bey deinem Gemahl wol verdienet/ daß an ſtat freundlicher Begruͤſſung er dir einen guten Auswiſcher erteilete/ damit du hernaͤhſt dir ſolches lieſſeſt zur Warnung dienẽ. Ladiſla ant- wortete an ihrer ſtat. Es kan ſeyn/ mein Herr Vater/ daß mein allerliebſtes Gemahl in die- ſem falle gefuͤndiget hat/ und ihren Eltern groſſe Bekuͤmmerniß erwecket/ aber ich bitte/ dz ihr auch vor dißmahl noch dieſer Fehler moͤge verzihen werden/ dañ wil ich mich in Buͤrg- ſchafft ſtellen/ daß ſie nach dieſem vorſichtiger gehen wird. Ja/ Gott weiß/ ſagte Frau So- phia/ daß mir in dieſem Unfal meiner lieben Eltern Kummer ja ſo ſehr als meine eigene ge- fahr zu herzen gangen iſt/ und weiß nicht/ durch was Hinderniß ich vergeſſen/ etlichen Reu- tern zubefehlen/ daß ſie mir folgen ſolten/ wie ich mir feſtiglich vorgenommen hatte. Ich ha- be es ja angehoͤret/ ſagte das Fraͤulein/ daß ihr des Abends zuvor es bey dem Gutſcher alſo beſtelletet/ der ohn zweifel aus Vorſaz es unterlaſſen hat. Was ſol ich dann weiter machen? fuhr Fr. Sophia fort/ Gott ſchicket den lieben ſeinen auch zuzeiten wegen ihrer Suͤnde ein Ungluͤk zu/ in welchem er doch am kraͤfftigſten bey ihnen ſtehet/ und hieduꝛch viel gutes wiꝛ- ket/ erſtlich/ daß wir unſere Bosheit erkennen/ und/ daß wir noch viel haͤrtere Straffen mit unſern Suͤnden bey Gott verdienen/ wann er nach ſeinem ſtrengen Rechte mit uns verfah- ren wolte; dann auch/ daß wir in unferm Gebeht zu Gott ange friſchet werden/ deſſen wir in Gluͤckes Zeiten viel in vergeß ſtellen; endlich auch/ daß wir Gottes almaͤchtige Huͤlffe erfahren/ und ihm davor von herzen danken. Ja wer weiß/ ob nicht zum ſonderlichen Gluͤ- cke meiner Frl. Schweſter es alſo hat ergehen muͤſſen? Sibylla erroͤhtete hierob im gan- zen Angeſichte/ und wahr ihr unmoͤglich/ es zubeantworten. Ladiſla hoͤrete ſeines Gemahls gottfuͤrchtige Reden mit groſſer Herzensfreude an/ und wunderte ſich/ daß ſie in Erkaͤnt- niß
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Sechſtes Buch.
wurden. Sie empfingen die drey Helden mit froͤlichen Geberden/ hielten den beyden Vaͤ-
tern ihre Soͤhnlein zu/ und ſagte die Großmutter: Da ſehet ihr eure wolgeſtalte liebe Kin-
derchen zum erſten mahle/ welche euch der mildreiche Gott in eurem abweſen beſcheret hat.
Ladiſla trat mit groſſer Herzensfreude hinzu/ da ſein Herkuladiſla ihn lieblich anlachete/ uñ
das Abba dreymahl lallete/ noch ehe er ihn anruͤhrete/ woruͤber ihm die Freudentraͤhnẽ aus
den Augen hervor drungen/ daß wie feſte er ſich hielt/ dieſelben doch nicht hinterbleibẽ wol-
ten/ nam deswegen das liebe Kindichen auf ſeine geharniſchtẽ Arme/ herzete es etliche mahl
und ſagte: Der Almaͤchtige Gott und Schoͤpffer Himmels und der Erden verleihe dir
ſeine Gnade/ und laſſe dich in Erkaͤntniß der Himliſchen Warheit auffwachſen/ daß du ein
Erbe bleibeſt des ewigen Lebens. Fr. Sophia und Urſul kahmen aus der Gutſche darzu
gangen/ und da ſie ihre Gemahlen ſich dergeſtalt mit den Kindern ergetzen ſahen/ wurden
ſie vor Freuden laut weinen/ daß es im ganzen Platze gehoͤret ward/ und fing Fr. Sophia
zu ihrem Soͤhnlein an: Du mein herzallerliebſtes Schaͤzchen/ an dem ich dieſe Zeit uͤber
alle meines Kummers Vertreibung gehabt/ jezt ſiheſtu deinen Herr Vater zum erſten
mahle; aber der barmherzige Gott verleihe mir und dir/ daß er uns ja nimmermehr ſolcher
geſtalt entwanderen moͤge. Der Stathalter trat mit hinzu/ und ſagte zu ſeiner Tochter:
Geliebtes Kind/ du haſt mir nun zum andern mahle durch dein gar zu kuͤhnes ausfahren
groſſes Herzleid gemacht/ welches du leicht haͤtteſt verhuͤten koͤnnen/ wann du nur etliche
wenig Reuter zu dir genommen; doch weil der heutige Tag uns zur ſonderlichen Freude
gemacht iſt/ wil ich mit ſcharffen Reden dir dein Verbrechen nicht aufruͤcken/ haͤtteſt aber
bey deinem Gemahl wol verdienet/ daß an ſtat freundlicher Begruͤſſung er dir einen guten
Auswiſcher erteilete/ damit du hernaͤhſt dir ſolches lieſſeſt zur Warnung dienẽ. Ladiſla ant-
wortete an ihrer ſtat. Es kan ſeyn/ mein Herr Vater/ daß mein allerliebſtes Gemahl in die-
ſem falle gefuͤndiget hat/ und ihren Eltern groſſe Bekuͤmmerniß erwecket/ aber ich bitte/ dz
ihr auch vor dißmahl noch dieſer Fehler moͤge verzihen werden/ dañ wil ich mich in Buͤrg-
ſchafft ſtellen/ daß ſie nach dieſem vorſichtiger gehen wird. Ja/ Gott weiß/ ſagte Frau So-
phia/ daß mir in dieſem Unfal meiner lieben Eltern Kummer ja ſo ſehr als meine eigene ge-
fahr zu herzen gangen iſt/ und weiß nicht/ durch was Hinderniß ich vergeſſen/ etlichen Reu-
tern zubefehlen/ daß ſie mir folgen ſolten/ wie ich mir feſtiglich vorgenommen hatte. Ich ha-
be es ja angehoͤret/ ſagte das Fraͤulein/ daß ihr des Abends zuvor es bey dem Gutſcher alſo
beſtelletet/ der ohn zweifel aus Vorſaz es unterlaſſen hat. Was ſol ich dann weiter machen?
fuhr Fr. Sophia fort/ Gott ſchicket den lieben ſeinen auch zuzeiten wegen ihrer Suͤnde ein
Ungluͤk zu/ in welchem er doch am kraͤfftigſten bey ihnen ſtehet/ und hieduꝛch viel gutes wiꝛ-
ket/ erſtlich/ daß wir unſere Bosheit erkennen/ und/ daß wir noch viel haͤrtere Straffen mit
unſern Suͤnden bey Gott verdienen/ wann er nach ſeinem ſtrengen Rechte mit uns verfah-
ren wolte; dann auch/ daß wir in unferm Gebeht zu Gott ange friſchet werden/ deſſen wir
in Gluͤckes Zeiten viel in vergeß ſtellen; endlich auch/ daß wir Gottes almaͤchtige Huͤlffe
erfahren/ und ihm davor von herzen danken. Ja wer weiß/ ob nicht zum ſonderlichen Gluͤ-
cke meiner Frl. Schweſter es alſo hat ergehen muͤſſen? Sibylla erroͤhtete hierob im gan-
zen Angeſichte/ und wahr ihr unmoͤglich/ es zubeantworten. Ladiſla hoͤrete ſeines Gemahls
gottfuͤrchtige Reden mit groſſer Herzensfreude an/ und wunderte ſich/ daß ſie in Erkaͤnt-
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/288>, abgerufen am 22.07.2024. |