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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Fünftes Buch.

Alle anwesende höreten ihrer geistlichen Andacht fleissig zu/ und verwunderten sich über
die Inbrunst/ welche sie durch äusserliche Geberden scheinen ließ/ daß auch die Freuden-
Thränen ihnen sämtlich aus den Augen drungen/ weil sie die ihren fliessen sahen; daher der
Bischoff Gelegenheit nam/ durch ein Christliches Gespräch sie zu stärcken/ und sagte zu
ihr: Durchleuchtigste Groß-Fürstin; das ist die durchdringendeste Hertzens-Freude/ zu
welcher wir von Gott erschaffen sind/ wann wir an unserm Heylande alle unsere Seelen-
belustigung haben; dann hiedurch empfinden wir auch noch in diesem Leben den süssen Vor-
schmak jener unsäglichen Wollust/ die unser Heyland durch sein Leiden und Tod uns in
dieser Stad erworben hat. Ja Ehrwürdiger Vater/ gab sie zur Antwort: Wolte GOtt/
daß unser muhtwilliges Fleisch sich nur stets könte oder wolte zwingen lassen/ dem irdischen
abzusterben/ und dem Geiste die himlische Betrachtung zugönnen; aber leider! ich empfin-
de mit dem teuren Apostel Paulus auch das Gesez der Sünden in meinen Gliedern/ das
da widerstreitet dem Gesez in meinem Gemühte/ und nimt mich täglich gefangen/ indem es
mir bald dieses/ bald jenes einwirfft/ und offt mitten in der Andachts Gluht meine Gedan-
ken mit der Angiessung des Weltwassers störet/ daß sie der Betrachtung nicht gebührlich
nachsetzen/ sondern in dem ich mein bekantes Gebeht mit den Munde spreche/ der Sinn wol
auff ein anders hingezogen wird/ und die Zunge das ihre volführen lässet; Und wann ich
mich bißweilen von dieser mir selbst widrigen Schwebung loßreisse/ wil sie doch immer
anhalten/ und der Andacht den Lauff verhindern. Nichts neues/ Durchl. Groß Fürstin/
nichts neues/ sagete der Bischoff/ sondern diß ist eben der Streit und Kampff/ welchen die
Gläubigen in dieser Irdischeit täglich erfahren müssen; dann wir dürffen unsern Feind
nicht weit suchen/ sondern tragen ihn in unserm Busem mit uns umher. Aber darüber
sollen wir keinen Zweifelmuht an uns nehmen/ sondern uns trösten/ daß unser Alkräfftiger
Verfechter JEsus/ uns in diesem Kampfe nicht ohn hülffe lassen/ sondn mit seiner Gnug-
tuhung beyspringen wil/ auff daß/ wo unser schwaches Vermögen zukehret/ seine Almacht
gelten/ und unsern Abgang reichlich ersetzen sol; fehlen wir dann bißweilen aus Fleisches
Schwacheit/ und sehen/ daß der faule Esel nicht folgen wil/ wie der Geist treibet/ sondern
durch Gegenwürffe des Gesichtes oder Gehörs/ oder anderer Beglerden abgeleitet wird/
müssen wir uns doch an der Gnade Gottes genügenlassen/ wann wir nur unser Gewissen
rein behalten/ oder da wir gestrauchelt/ uns in der Zeit wieder auffrichten. Wer dann also
streitet/ dem wird der gerechte Richter an jenem Tage die Ehren Kron nicht versagen. A-
ber wie schwer dieser Kampff zugehet/ und wie wenig denselben recht antreten dürffen/ si-
het man an den Welt-ergebenen/ die nicht allein den Irrungen der Andacht sich nicht ent-
gegen setzen/ sondern des unbendigen Fleischesbegierden nit eins wiederstehen wollen/ weil
sie nach ihrer Zärtligkeit dem Fleische nicht versagen können/ was ihm sanffte tuht. Es ist
wahr/ antwortete die Groß Fürstin/ daß der ungezäumete Welthauffe den üppigkeiten spo-
renstreichs nachhänget/ welches zwar die innerliche Boßheit in ihnen brütet/ aber die Ge-
wohnheit leget dessen bey ihnen noch den allerfestesten Fuß/ daß man sie weder durch Ver-
mahnung noch Zwang abhalten kan; daher muß der Geist bey ihnen nohtwendig erliegen/
wie stark man gleich/ ihn loßzureissen/ bemühet ist; und tuht hierzu der Unglaube nicht we-
nig/ welcher der blinden Vernunfft die Gewißheit des zukünfftigen Gutes überal zweiffel-

hafftig
Fuͤnftes Buch.

Alle anweſende hoͤreten ihrer geiſtlichen Andacht fleiſſig zu/ und verwunderten ſich uͤber
die Inbrunſt/ welche ſie durch aͤuſſerliche Geberden ſcheinen ließ/ daß auch die Freuden-
Thraͤnen ihnen ſaͤmtlich aus den Augen drungen/ weil ſie die ihren flieſſen ſahen; daher der
Biſchoff Gelegenheit nam/ durch ein Chriſtliches Geſpraͤch ſie zu ſtaͤrcken/ und ſagte zu
ihr: Durchleuchtigſte Groß-Fuͤrſtin; das iſt die durchdringendeſte Hertzens-Freude/ zu
welcher wir von Gott erſchaffen ſind/ wann wir an unſerm Heylande alle unſere Seelen-
beluſtigung haben; dann hiedurch empfinden wir auch noch in dieſem Lebẽ den ſuͤſſen Voꝛ-
ſchmak jener unſaͤglichen Wolluſt/ die unſer Heyland durch ſein Leiden und Tod uns in
dieſer Stad erworben hat. Ja Ehrwuͤrdiger Vater/ gab ſie zur Antwort: Wolte GOtt/
daß unſer muhtwilliges Fleiſch ſich nur ſtets koͤnte oder wolte zwingen laſſen/ dem irdiſchen
abzuſterben/ und dem Geiſte die himliſche Betrachtung zugoͤnnen; aber leider! ich empfin-
de mit dem teuren Apoſtel Paulus auch das Geſez der Suͤnden in meinen Gliedern/ das
da widerſtreitet dem Geſez in meinem Gemühte/ und nimt mich taͤglich gefangen/ indem es
mir bald dieſes/ bald jenes einwirfft/ und offt mitten in der Andachts Gluht meine Gedan-
ken mit der Angieſſung des Weltwaſſers ſtoͤret/ daß ſie der Betrachtung nicht gebuͤhrlich
nachſetzen/ ſondern in dem ich mein bekantes Gebeht mit den Munde ſpreche/ der Siñ wol
auff ein anders hingezogen wird/ und die Zunge das ihre volfuͤhren laͤſſet; Und wann ich
mich bißweilen von dieſer mir ſelbſt widrigen Schwebung loßreiſſe/ wil ſie doch immer
anhalten/ und der Andacht den Lauff verhindern. Nichts neues/ Durchl. Groß Fuͤrſtin/
nichts neues/ ſagete der Biſchoff/ ſondern diß iſt eben der Streit und Kampff/ welchen die
Glaͤubigen in dieſer Irdiſcheit taͤglich erfahren muͤſſen; dann wir duͤrffen unſern Feind
nicht weit ſuchen/ ſondern tragen ihn in unſerm Buſem mit uns umher. Aber daruͤber
ſollen wir keinen Zweifelmuht an uns nehmen/ ſondern uns troͤſten/ daß unſer Alkraͤfftiger
Verfechter JEſus/ uns in dieſem Kampfe nicht ohn huͤlffe laſſen/ ſonďn mit ſeiner Gnug-
tuhung beyſpringen wil/ auff daß/ wo unſer ſchwaches Vermoͤgen zukehret/ ſeine Almacht
gelten/ und unſern Abgang reichlich erſetzen ſol; fehlen wir dann bißweilen aus Fleiſches
Schwacheit/ und ſehen/ daß der faule Eſel nicht folgen wil/ wie der Geiſt treibet/ ſondern
durch Gegenwuͤrffe des Geſichtes oder Gehoͤrs/ oder anderer Beglerden abgeleitet wird/
muͤſſen wir uns doch an der Gnade Gottes genuͤgenlaſſen/ wann wir nur unſer Gewiſſen
rein behalten/ oder da wir geſtrauchelt/ uns in der Zeit wieder auffrichten. Wer dann alſo
ſtreitet/ dem wird der gerechte Richter an jenem Tage die Ehren Kron nicht verſagen. A-
ber wie ſchwer dieſer Kampff zugehet/ und wie wenig denſelben recht antreten duͤrffen/ ſi-
het man an den Welt-ergebenen/ die nicht allein den Irrungen der Andacht ſich nicht ent-
gegen ſetzen/ ſondern des unbendigen Fleiſchesbegierden nit eins wiederſtehen wollen/ weil
ſie nach ihrer Zaͤrtligkeit dem Fleiſche nicht verſagen koͤnnen/ was ihm ſanffte tuht. Es iſt
wahr/ antwortete die Groß Fuͤrſtin/ daß der ungezaͤumete Welthauffe den uͤppigkeiten ſpo-
renſtreichs nachhaͤnget/ welches zwar die innerliche Boßheit in ihnen bruͤtet/ aber die Ge-
wohnheit leget deſſen bey ihnen noch den allerfeſteſten Fuß/ daß man ſie weder durch Ver-
mahnung noch Zwang abhalten kan; daher muß der Geiſt bey ihnen nohtwendig erliegẽ/
wie ſtark man gleich/ ihn loßzureiſſen/ bemuͤhet iſt; und tuht hierzu der Unglaube nicht we-
nig/ welcher der blinden Vernunfft die Gewißheit des zukuͤnfftigen Gutes überal zweiffel-

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[236/0242] Fuͤnftes Buch. Alle anweſende hoͤreten ihrer geiſtlichen Andacht fleiſſig zu/ und verwunderten ſich uͤber die Inbrunſt/ welche ſie durch aͤuſſerliche Geberden ſcheinen ließ/ daß auch die Freuden- Thraͤnen ihnen ſaͤmtlich aus den Augen drungen/ weil ſie die ihren flieſſen ſahen; daher der Biſchoff Gelegenheit nam/ durch ein Chriſtliches Geſpraͤch ſie zu ſtaͤrcken/ und ſagte zu ihr: Durchleuchtigſte Groß-Fuͤrſtin; das iſt die durchdringendeſte Hertzens-Freude/ zu welcher wir von Gott erſchaffen ſind/ wann wir an unſerm Heylande alle unſere Seelen- beluſtigung haben; dann hiedurch empfinden wir auch noch in dieſem Lebẽ den ſuͤſſen Voꝛ- ſchmak jener unſaͤglichen Wolluſt/ die unſer Heyland durch ſein Leiden und Tod uns in dieſer Stad erworben hat. Ja Ehrwuͤrdiger Vater/ gab ſie zur Antwort: Wolte GOtt/ daß unſer muhtwilliges Fleiſch ſich nur ſtets koͤnte oder wolte zwingen laſſen/ dem irdiſchen abzuſterben/ und dem Geiſte die himliſche Betrachtung zugoͤnnen; aber leider! ich empfin- de mit dem teuren Apoſtel Paulus auch das Geſez der Suͤnden in meinen Gliedern/ das da widerſtreitet dem Geſez in meinem Gemühte/ und nimt mich taͤglich gefangen/ indem es mir bald dieſes/ bald jenes einwirfft/ und offt mitten in der Andachts Gluht meine Gedan- ken mit der Angieſſung des Weltwaſſers ſtoͤret/ daß ſie der Betrachtung nicht gebuͤhrlich nachſetzen/ ſondern in dem ich mein bekantes Gebeht mit den Munde ſpreche/ der Siñ wol auff ein anders hingezogen wird/ und die Zunge das ihre volfuͤhren laͤſſet; Und wann ich mich bißweilen von dieſer mir ſelbſt widrigen Schwebung loßreiſſe/ wil ſie doch immer anhalten/ und der Andacht den Lauff verhindern. Nichts neues/ Durchl. Groß Fuͤrſtin/ nichts neues/ ſagete der Biſchoff/ ſondern diß iſt eben der Streit und Kampff/ welchen die Glaͤubigen in dieſer Irdiſcheit taͤglich erfahren muͤſſen; dann wir duͤrffen unſern Feind nicht weit ſuchen/ ſondern tragen ihn in unſerm Buſem mit uns umher. Aber daruͤber ſollen wir keinen Zweifelmuht an uns nehmen/ ſondern uns troͤſten/ daß unſer Alkraͤfftiger Verfechter JEſus/ uns in dieſem Kampfe nicht ohn huͤlffe laſſen/ ſonďn mit ſeiner Gnug- tuhung beyſpringen wil/ auff daß/ wo unſer ſchwaches Vermoͤgen zukehret/ ſeine Almacht gelten/ und unſern Abgang reichlich erſetzen ſol; fehlen wir dann bißweilen aus Fleiſches Schwacheit/ und ſehen/ daß der faule Eſel nicht folgen wil/ wie der Geiſt treibet/ ſondern durch Gegenwuͤrffe des Geſichtes oder Gehoͤrs/ oder anderer Beglerden abgeleitet wird/ muͤſſen wir uns doch an der Gnade Gottes genuͤgenlaſſen/ wann wir nur unſer Gewiſſen rein behalten/ oder da wir geſtrauchelt/ uns in der Zeit wieder auffrichten. Wer dann alſo ſtreitet/ dem wird der gerechte Richter an jenem Tage die Ehren Kron nicht verſagen. A- ber wie ſchwer dieſer Kampff zugehet/ und wie wenig denſelben recht antreten duͤrffen/ ſi- het man an den Welt-ergebenen/ die nicht allein den Irrungen der Andacht ſich nicht ent- gegen ſetzen/ ſondern des unbendigen Fleiſchesbegierden nit eins wiederſtehen wollen/ weil ſie nach ihrer Zaͤrtligkeit dem Fleiſche nicht verſagen koͤnnen/ was ihm ſanffte tuht. Es iſt wahr/ antwortete die Groß Fuͤrſtin/ daß der ungezaͤumete Welthauffe den uͤppigkeiten ſpo- renſtreichs nachhaͤnget/ welches zwar die innerliche Boßheit in ihnen bruͤtet/ aber die Ge- wohnheit leget deſſen bey ihnen noch den allerfeſteſten Fuß/ daß man ſie weder durch Ver- mahnung noch Zwang abhalten kan; daher muß der Geiſt bey ihnen nohtwendig erliegẽ/ wie ſtark man gleich/ ihn loßzureiſſen/ bemuͤhet iſt; und tuht hierzu der Unglaube nicht we- nig/ welcher der blinden Vernunfft die Gewißheit des zukuͤnfftigen Gutes überal zweiffel- hafftig

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/242>, abgerufen am 23.11.2024.