Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.Vierdes Buch. se lag/ von ihrem Bette auff/ nam den Rok in aller stille mit sich in die Stube/ und weil sieihr Liecht daselbst hatte brennen lassen/ fand sie beyde Schreiben/ da sie nach Verlesung des vor erwähneten heftig erschrak/ und sich entschloß/ das andere auch zuerbrechen/ und dessen Inhalt zusehen/ welches also lautete: O Sonne dieser irdischen Welt! O du reinester Glanz aller Vollkommenheiten! Was vor Un- Nach Verlesung dessen ward sie in ihrem Gemüht ganz verwirret/ machte den Brief lassen L l l l l ij
Vierdes Buch. ſe lag/ von ihrem Bette auff/ nam den Rok in aller ſtille mit ſich in die Stube/ und weil ſieihr Liecht daſelbſt hatte brennen laſſen/ fand ſie beyde Schreiben/ da ſie nach Verleſung des vor erwaͤhneten heftig erſchrak/ und ſich entſchloß/ das andere auch zuerbrechen/ und deſſen Inhalt zuſehen/ welches alſo lautete: O Sonne dieſer irdiſchen Welt! O du reineſter Glanz aller Vollkommenheiten! Was vor Un- Nach Verleſung deſſen ward ſie in ihrem Gemuͤht ganz verwirret/ machte den Brief laſſen L l l l l ij
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Vierdes Buch.
ſe lag/ von ihrem Bette auff/ nam den Rok in aller ſtille mit ſich in die Stube/ und weil ſie
ihr Liecht daſelbſt hatte brennen laſſen/ fand ſie beyde Schreiben/ da ſie nach Verleſung des
vor erwaͤhneten heftig erſchrak/ und ſich entſchloß/ das andere auch zuerbrechen/ und deſſen
Inhalt zuſehen/ welches alſo lautete:
O Sonne dieſer irdiſchen Welt! O du reineſter Glanz aller Vollkommenheiten! Was vor Un-
gluͤk verſchleuſſet ein ſo unſaͤgliches Gut in dem Gefaͤngniß der neidiſchen Mißgunſt? Welcher Fre-
vel entzeuhet der ganzen Welt die ſo hoch begehreten Strahlen der Erquickung? Unvergleichliches
Fraͤulein/ Schmuk dieſes Erdbodems; Verzeihet/ bitte ich/ eurem demuͤhtigſt-ergebenſtem Knechte/
der Euer Durchl. ſich mit Leib und Seel zueigen liefert/ nebeſt vollkommenſter Gewalt uͤber ſein Le-
ben und Tod/ und ſeine alleruntertaͤhnigſte Dienſte darleget/ eure Vortrefligkeit aus den verſchloſſenẽ
Mauren loßzumachen/ damit er nicht zugleich mit ihr ſterben und untergehen moͤge. Verflucht ſey
das Alter/ welches der Jugend nachhaͤnget/ und darzu weder geſchikt noch duͤchtig iſt. Aber O du un-
wirdiger Gotarzes/ laß ab ſolches zuhoffen/ was uͤber dein Vermoͤgen ſchwebet/ und erkenne deine Ge-
ringfuͤgigkeit/ welche nicht zulaͤſſet/ daß du deine aͤdle Gedanken derſelben oͤffentlich darlegeſt/ welche
den Himmel ſelbſt und aller Sternen Klarheit trotzet. Doch du haſt die Kuͤhnheit ergriffen/ deine
Beichte zutuhn/ des wegen bekenne dieſer allervollkommenſten Schoͤnheit/ daß du ohn Bedingung ihr
Ergebener ſeyſt/ und dich ſelig ſchaͤtzen wirſt/ wann deren allerhelleſten Aeugelein dein Schreiben an-
zuſehen wirdigen/ und auch nur den aͤuſſerſten Strahl ihrer Gunſt und Gnade auff dich abſchieſſen
wollen; Kanſtu aber ein ſolches wegen deiner Unwirdigkeit nicht erlangen/ ey ſo ſtirb doch in dieſen ho-
hen Gedanken/ weil du lieber tod ſeyn/ als ohn dieſer voll-ſchoͤnen Gunſt leben wilt/ gegen welche/
alle uͤbrige/ auch deines leiblichen Herrn Vaters Gnade/ viel geringer/ als der Kieſelſtein gegen den
Demant zuſchaͤtzen iſt. So erwarte nun der Antwort in beſtaͤndiger Hoffnung/ verſichere deine Be-
herſcherin/ daß du bereit ſeyſt/ und Mittel habeſt/ den alten unbendigen Liebhaber zuſtuͤrzen/ und dich
an ſeine Stelle zuſetzen; Schließlich/ daß du im Tode und Leben verbleibeſt der Allervollkommenſten
Koͤniglichen Fraͤulein Herkuliſken ganz ergebener Knecht und Leibeigener Gotarzes.
Nach Verleſung deſſen ward ſie in ihrem Gemuͤht ganz verwirret/ machte den Brief
fein wieder zu/ legte alles anſeinen Ort/ und blieb voller Gedanken/ wie ſie dieſes Ungluͤk
von ſich ablehnen koͤnte. Des folgenden Morgens nam ſie gelegenheit von ihrer Leibdiene-
rin etwas heraus zulocken/ und fragete ſie/ wie viel Soͤhne Koͤnig Artabanus noch am Le-
ben haͤtte/ und warumb ſie am Koͤniglichen Hofe ſich nicht auffhielten. Worauff dieſe zur
Antwort gab: Sie kennete ſeine Soͤhne nicht alle/ nur eines haͤtte ſie zimliche Kundſchaft/
welcher ohn Zweifel allen andern an Hoͤfligkeit und aͤdlem Gemüht weit vorginge/ daher
ihn der Koͤnig ſehr liebete/ und bey ſich am Hofe gerne duldete/ wuͤrde/ wie man davor hiel-
te/ das Reich nach des Vaters Tod erben/ und in der Herſchafft nachfolgen. Es iſt mir
ſehr lieb/ antwortete Herkuliſka/ daß mein Koͤnig einen ſo wolgerahtenen Sohn hat/ dem
ich auff Begebenheit billich alle zugelaſſene Freundſchafft erzeige/ damit nach meines Koͤ-
niges Ableben ich bey ihm in guten Gnaden ſeyn/ und nicht gar verſtoſſen werden moͤge.
Statipna wolte hierauff loßbrechen/ und ihr den Brief einhaͤndigen/ aber die Hofmeiſterin
verſtoͤrete ihr dieſen Handel/ in dem ſie ins Gemach trat/ und ihr anzeigete/ daß ſie zu dem
Koͤnige gefodert wuͤrde. Meine Leibdienerin zu dem Koͤnige? fragete Herkuliſka/ deſſen bin
ich ja ungewohnet/ und muß ſolches ohn zweifel etwas wichtiges auff ſich haben; ließ ſie
doch willig hingehen/ ungeachtet ſie den Anſchlag richtig erriet/ daß Gotarzes ſolches un-
ter des Koͤniges Nahmen ſpielen wuͤrde/ welcher dann ihrer in eines Buͤrgers Hauſe waꝛ-
tete/ ſchenkete ihr ein gutes Kleinot/ und fragete ſie/ ob ſie ſich ſeiner Wolfahrt nicht haͤtte
laſſen
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