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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch.
leicht unlieblich/ aber die Ursach seiner Erinnerung unterschiedlich/ möchte auch Wünschen/
daß über die Menschen/ deren er gedenken würde/ sie ihre Urtel ohn einige Gunst oder Un-
gunst zu sprechen/ ihr könte gefallen lassen/ und zwar solcher Gestalt/ als sie über sich selbst
in gleichen fällen wolte gesprochen haben. Mein Verstand im Urtelsprechen/ sagte sie/ ist
sehr schlecht und kindisch/ doch meine unmaßgebliche Meynung darüber anzudeuten/ bin
ich meinem Herren gerne Gehorsam. Hierauff nun fing Ladisla also an: In meinem Va-
terlande lag eine wunderschöne Jungfer in einem tieffen Turm gefangen/ woselbst sie von
gifftigen Schlangen und allerhand schädlichem Ungezieffer gar ümringet wahr/ daß
Menschlichem Ansehen nach/ unmöglich schien/ sie daraus hätte können errettet werden.
Sie wahr aller ihrer Kleider beraubet/ mit Händen und Füssen angeschlossen/ daß sie we-
der weichen noch sich wehren kunte/ und erwartete alle Augenblik/ wann daß Ungezieffer/
welches mit dem vergiffteten anhauchen ihr schon dräuete/ sie anfallen und verzehren wür-
de. Nun fügeten es die Götter/ daß ein Ritter ohngefehr vorüber ging/ ihr klägliches Ge-
schrey hörete/ und zu allem Glük einen losen Stein in der Untermauer des Turmes an-
traff/ welchen er außhub/ und sich in die Gefängnis hinunter ließ/ machte sich an das giff-
tige Gewürm/ zutrat sie/ und führete die Jungfer frey und gesund heraus/ so gar/ daß sie
nachgehends niemand weiter besprechen durffte/ weil ihre Unschuld ans Licht kam. Die
Jungfer bedankete sich mit worten höchlich gegen den Ritter/ versprach auch die geleistete
Rettung in der Taht zu vergelten/ und nöhtigete ihn mit zu gehen/ damit sie ihm seine
Dienste belohnen könte. Dieser wahr hierzu willig und folgete nach/ biß sie zu einem ver-
borgenen tieffen Loche kahmen/ dahinein sties sie diesen frommen gutherzigen Ritter/ legte
einen Stein vor das Loch/ daß es kein Mensch erfahren solte/ ging davon/ und lies ihn elen-
dig sterben und verschmachten. Hieselbst wolle nun mein Fräulein/ gethanem Verspre-
chen nach/ ohn alles ansehen Urteilen/ was der Ritter wegen geleisteter Rettung; die Jung-
fer aber vor ihre Dankbezeigung verdienet habe. Frl. Sophia antwortete; Mein Herr/
ich entsetze mich über dieser Erzählung/ und hätte nicht gemeinet/ daß so grosse Boßheit
bey einigem Menschen/ geschweige bey einem Weibesbilde solte gefunden werden; da auch
meine Urtel gelten solte/ spreche ich ohn Gunst und Ungunst/ wie ich über mich selbst wolte
sprechen lassen/ daß diese schnöde Jungfer verdienet/ vor erst in die vorige Gefängnis ge-
worffen/ und mit zehenfachen Unzieffer geplaget zu werden; jedoch/ dafern mein Herr mich
berichten wird/ ob auch der Ritter diese Jungfer nach geschehener Erlösung an ihren Eh-
ren gekränket habe; wo nicht/ muß die Urtel billig gültig seyn/ wie gesagt; der Ritter aber
solte nicht allein errettet/ sondern zum Herren über alle ihre güter eingesezt werden; solte
über daß täglich viermahl hingehen/ und an der Straffe seiner Feindin sich ergetzen; auch
das Gewürm reizen/ daß es dieser grausamen und Undankbaren die aller empfindlichsten
Schmerzen anlegete. O mein Fräulein/ antwortete Ladisla; der gütige Himmel wende ja
diese Urtel/ und lasse vielmehr alles über mich ergehen. Sie erblassete vor schrecken über
diese Worte/ und sagete zu ihm; Wie so mein Herr? habe ich ihm zum Verdries geur-
teilet/ warumb hat er mich dann so hoch da zu vermahnet? Ach ach/ sagte er/ ich kan dieser
Urtel nicht beypflichten/ weil die Jungfer mir lieber/ als mein eigen Herz; der Ritter aber
mir sehr verwand ist. Jezt merkete sie sein Räzel/ wohin es zielete/ taht aber nicht deßglei-

chen/
F

Erſtes Buch.
leicht unlieblich/ abeꝛ die Urſach ſeiner Erinnerung unterſchiedlich/ moͤchte auch Wuͤnſchẽ/
daß uͤber die Menſchen/ deren er gedenken wuͤrde/ ſie ihre Urtel ohn einige Gunſt oder Un-
gunſt zu ſprechen/ ihr koͤnte gefallen laſſen/ und zwar ſolcher Geſtalt/ als ſie uͤber ſich ſelbſt
in gleichen faͤllen wolte geſprochen haben. Mein Verſtand im Urtelſprechen/ ſagte ſie/ iſt
ſehr ſchlecht und kindiſch/ doch meine unmaßgebliche Meynung daruͤber anzudeuten/ bin
ich meinem Herren gerne Gehorſam. Hierauff nun fing Ladiſla alſo an: In meinem Va-
terlande lag eine wunderſchoͤne Jungfer in einem tieffen Turm gefangen/ woſelbſt ſie von
gifftigen Schlangen und allerhand ſchaͤdlichem Ungezieffer gar uͤmringet wahr/ daß
Menſchlichem Anſehen nach/ unmoͤglich ſchien/ ſie daraus haͤtte koͤnnen errettet werden.
Sie wahr aller ihrer Kleider beraubet/ mit Haͤnden und Fuͤſſen angeſchloſſen/ daß ſie we-
der weichen noch ſich wehren kunte/ und erwartete alle Augenblik/ wann daß Ungezieffer/
welches mit dem vergiffteten anhauchen ihr ſchon draͤuete/ ſie anfallen und verzehren wuͤr-
de. Nun fuͤgeten es die Goͤtter/ daß ein Ritter ohngefehr voruͤber ging/ ihr klaͤgliches Ge-
ſchrey hoͤrete/ und zu allem Gluͤk einen loſen Stein in der Untermauer des Turmes an-
traff/ welchen er außhub/ und ſich in die Gefaͤngnis hinunter ließ/ machte ſich an das giff-
tige Gewuͤrm/ zutrat ſie/ und fuͤhrete die Jungfer frey und geſund heraus/ ſo gar/ daß ſie
nachgehends niemand weiter beſprechen durffte/ weil ihre Unſchuld ans Licht kam. Die
Jungfer bedankete ſich mit worten hoͤchlich gegen den Ritter/ verſprach auch die geleiſtete
Rettung in der Taht zu vergelten/ und noͤhtigete ihn mit zu gehen/ damit ſie ihm ſeine
Dienſte belohnen koͤnte. Dieſer wahr hierzu willig und folgete nach/ biß ſie zu einem ver-
borgenen tieffen Loche kahmen/ dahinein ſties ſie dieſen frommen gutherzigen Ritter/ legte
einen Stein vor das Loch/ daß es kein Menſch erfahren ſolte/ ging davon/ und lies ihn elen-
dig ſterben und verſchmachten. Hieſelbſt wolle nun mein Fraͤulein/ gethanem Verſpre-
chen nach/ ohn alles anſehen Urteilen/ was der Ritter wegen geleiſteter Rettung; die Jung-
fer aber vor ihre Dankbezeigung verdienet habe. Frl. Sophia antwortete; Mein Herr/
ich entſetze mich uͤber dieſer Erzaͤhlung/ und haͤtte nicht gemeinet/ daß ſo groſſe Boßheit
bey einigem Menſchen/ geſchweige bey einem Weibesbilde ſolte gefunden werden; da auch
meine Urtel gelten ſolte/ ſpreche ich ohn Gunſt und Ungunſt/ wie ich uͤber mich ſelbſt wolte
ſprechen laſſen/ daß dieſe ſchnoͤde Jungfer verdienet/ vor erſt in die vorige Gefaͤngnis ge-
worffen/ und mit zehenfachen Unzieffer geplaget zu werden; jedoch/ dafern mein Herr mich
berichten wird/ ob auch der Ritter dieſe Jungfer nach geſchehener Erloͤſung an ihren Eh-
ren gekraͤnket habe; wo nicht/ muß die Urtel billig guͤltig ſeyn/ wie geſagt; der Ritter aber
ſolte nicht allein errettet/ ſondern zum Herren uͤber alle ihre guͤter eingeſezt werden; ſolte
uͤber daß taͤglich viermahl hingehen/ und an der Straffe ſeiner Feindin ſich ergetzen; auch
das Gewuͤrm reizen/ daß es dieſer grauſamen und Undankbaren die aller empfindlichſten
Schmerzen anlegete. O mein Fraͤulein/ antwortete Ladiſla; der guͤtige Himmel wende ja
dieſe Urtel/ und laſſe vielmehr alles uͤber mich ergehen. Sie erblaſſete vor ſchrecken uͤber
dieſe Worte/ und ſagete zu ihm; Wie ſo mein Herr? habe ich ihm zum Verdries geur-
teilet/ warumb hat er mich dann ſo hoch da zu vermahnet? Ach ach/ ſagte er/ ich kan dieſer
Urtel nicht beypflichten/ weil die Jungfer mir lieber/ als mein eigen Herz; der Ritter aber
mir ſehr verwand iſt. Jezt merkete ſie ſein Raͤzel/ wohin es zielete/ taht aber nicht deßglei-

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[41/0079] Erſtes Buch. leicht unlieblich/ abeꝛ die Urſach ſeiner Erinnerung unterſchiedlich/ moͤchte auch Wuͤnſchẽ/ daß uͤber die Menſchen/ deren er gedenken wuͤrde/ ſie ihre Urtel ohn einige Gunſt oder Un- gunſt zu ſprechen/ ihr koͤnte gefallen laſſen/ und zwar ſolcher Geſtalt/ als ſie uͤber ſich ſelbſt in gleichen faͤllen wolte geſprochen haben. Mein Verſtand im Urtelſprechen/ ſagte ſie/ iſt ſehr ſchlecht und kindiſch/ doch meine unmaßgebliche Meynung daruͤber anzudeuten/ bin ich meinem Herren gerne Gehorſam. Hierauff nun fing Ladiſla alſo an: In meinem Va- terlande lag eine wunderſchoͤne Jungfer in einem tieffen Turm gefangen/ woſelbſt ſie von gifftigen Schlangen und allerhand ſchaͤdlichem Ungezieffer gar uͤmringet wahr/ daß Menſchlichem Anſehen nach/ unmoͤglich ſchien/ ſie daraus haͤtte koͤnnen errettet werden. Sie wahr aller ihrer Kleider beraubet/ mit Haͤnden und Fuͤſſen angeſchloſſen/ daß ſie we- der weichen noch ſich wehren kunte/ und erwartete alle Augenblik/ wann daß Ungezieffer/ welches mit dem vergiffteten anhauchen ihr ſchon draͤuete/ ſie anfallen und verzehren wuͤr- de. Nun fuͤgeten es die Goͤtter/ daß ein Ritter ohngefehr voruͤber ging/ ihr klaͤgliches Ge- ſchrey hoͤrete/ und zu allem Gluͤk einen loſen Stein in der Untermauer des Turmes an- traff/ welchen er außhub/ und ſich in die Gefaͤngnis hinunter ließ/ machte ſich an das giff- tige Gewuͤrm/ zutrat ſie/ und fuͤhrete die Jungfer frey und geſund heraus/ ſo gar/ daß ſie nachgehends niemand weiter beſprechen durffte/ weil ihre Unſchuld ans Licht kam. Die Jungfer bedankete ſich mit worten hoͤchlich gegen den Ritter/ verſprach auch die geleiſtete Rettung in der Taht zu vergelten/ und noͤhtigete ihn mit zu gehen/ damit ſie ihm ſeine Dienſte belohnen koͤnte. Dieſer wahr hierzu willig und folgete nach/ biß ſie zu einem ver- borgenen tieffen Loche kahmen/ dahinein ſties ſie dieſen frommen gutherzigen Ritter/ legte einen Stein vor das Loch/ daß es kein Menſch erfahren ſolte/ ging davon/ und lies ihn elen- dig ſterben und verſchmachten. Hieſelbſt wolle nun mein Fraͤulein/ gethanem Verſpre- chen nach/ ohn alles anſehen Urteilen/ was der Ritter wegen geleiſteter Rettung; die Jung- fer aber vor ihre Dankbezeigung verdienet habe. Frl. Sophia antwortete; Mein Herr/ ich entſetze mich uͤber dieſer Erzaͤhlung/ und haͤtte nicht gemeinet/ daß ſo groſſe Boßheit bey einigem Menſchen/ geſchweige bey einem Weibesbilde ſolte gefunden werden; da auch meine Urtel gelten ſolte/ ſpreche ich ohn Gunſt und Ungunſt/ wie ich uͤber mich ſelbſt wolte ſprechen laſſen/ daß dieſe ſchnoͤde Jungfer verdienet/ vor erſt in die vorige Gefaͤngnis ge- worffen/ und mit zehenfachen Unzieffer geplaget zu werden; jedoch/ dafern mein Herr mich berichten wird/ ob auch der Ritter dieſe Jungfer nach geſchehener Erloͤſung an ihren Eh- ren gekraͤnket habe; wo nicht/ muß die Urtel billig guͤltig ſeyn/ wie geſagt; der Ritter aber ſolte nicht allein errettet/ ſondern zum Herren uͤber alle ihre guͤter eingeſezt werden; ſolte uͤber daß taͤglich viermahl hingehen/ und an der Straffe ſeiner Feindin ſich ergetzen; auch das Gewuͤrm reizen/ daß es dieſer grauſamen und Undankbaren die aller empfindlichſten Schmerzen anlegete. O mein Fraͤulein/ antwortete Ladiſla; der guͤtige Himmel wende ja dieſe Urtel/ und laſſe vielmehr alles uͤber mich ergehen. Sie erblaſſete vor ſchrecken uͤber dieſe Worte/ und ſagete zu ihm; Wie ſo mein Herr? habe ich ihm zum Verdries geur- teilet/ warumb hat er mich dann ſo hoch da zu vermahnet? Ach ach/ ſagte er/ ich kan dieſer Urtel nicht beypflichten/ weil die Jungfer mir lieber/ als mein eigen Herz; der Ritter aber mir ſehr verwand iſt. Jezt merkete ſie ſein Raͤzel/ wohin es zielete/ taht aber nicht deßglei- chen/ F

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/79>, abgerufen am 22.12.2024.