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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Anderes Buch.
tete ohn Bewägung: man müste unbendigen Zungen übersehen/ biß es Zeit währe sie zu
hemmen/ dann er hätte in dieser seiner Jugend schon die Erfahrung/ daß eine ruhmrätige
Zunge allemahl von einem feigen Herzen angetrieben würde; Worüber diese beyde sich
dergestalt entrüsteten/ daß sie auff der Rahtstuben sich schier an ihm vergriffen hätten/ da
ihnen solches nicht bey Leibesstraffe währe verbohten worden. Der Rahtsmeister suchte
nochmahls/ unsern Valikules von dem Kampffe abzumahnen/ aber als er merkete/ daß al-
les vergebens und umsonst wahr/ gönneten sie ihm endlich seine Freyheit/ welches er mit
höflichem Dank annam/ und seine Kläger erinnerte/ sich gegen Morgen früh zum tähtli-
chen Beweißtuhm ihrer Schandlügen gefasset zu halten; Welches sie vor Eifer nicht
beantworten kunten/ sich auch nicht anders als wahnwitze Untihre bezeigeten/ daß ihnen
der Geifer zum Maule ausfloß. Amyntas und alle seine Gäste waren sehr leidig wegen der
getahnen Ausfoderung; auch Gallus selbst bekümmerte sich dermassen/ daß erweder essen
noch trinken wolte/ dann er hatte seinen Herrn noch nie kämpffen gesehen; welcher ihm ge-
boht/ er solte schaffen/ daß sein Harnisch auff bestimmete Zeit zum Kampffe fertig währe;
erzeigete sich sonst den ganzen Tag durch immerzu frölich/ als wüste er nichts von dem
morgenden Kampffe; und wann die Geselschafft dessen Erwähnung taht/ und wegen der
künfftigen Gefahr sich leidig bezeigete/ baht er sie/ nicht daran zugedenken/ wanns ihnen
sonst einige Bekümmerniß machete; ja er vermahnete sie/ gutes muhts zu seyn/ und sage-
te: Man müste nicht allein von der Tugend reden und sinreiche Gespräch führen/ sondern
sich auch befleissigen/ sie Zeit der Noht in rechtschaffene übung zu bringen/ und der wirkli-
chen Glükseligkeit beyzeiten einen Anfang zu machen; so hätte ers biß daher gehalten/ und
wie jung er währe/ schon mannichen harten Streit mit angesehen/ auch wol gute Stösse
mit nach Hause getragen. Einer von der Geselschafft antwortete darauff; es währe zwar
alles sehr wol und weißlich geredet; jedoch müste man die Herzhaftigkeit allemal der Ver-
nunfft zur Einzäum- und Beherschung unterwerffen/ und nichts über Vermögen oder
Alters Kräffte vornehmen/ damit dieselbe nicht über die Schnuhr hiebe/ die Tugend-art
verlöhre/ und in eine verwägene Kühnheit verwandelt würde/ welches er doch auff ihn nit
wolte geredet haben. Mein Freund Urteilet recht und wol/ antwortete er; und ist freilich
dieses die rechte Klugheit und Vernunfft/ daß unsere Handelungen in der Mittelwage
bleiben/ so daß sie weder nach der Linken/ nach dem Mangel; noch nach der Rechten/ das
ist/ nach der übermasse außschlagen; nicht desto weniger aber muß unser ehrlicher Nahme
und guter Leumut uns lieber als das Leben seyn/ und wird niemand die Schranken der
Tugendhafften Kühn- und Herzhafftigkeit überschreiten/ wann er sein Blut zur vertei-
digung seiner Redligkeit vorsichtig anwendet/ da er dann eben nicht seinen Leibeskräfften
oder seiner Erfahrenheit/ sondern vielmehr seiner guten Sache/ am meisten aber dem ge-
rechten Gott vertrauen muß/ welcher die Stolzen und Gewalttähter stürzet/ und dagegen
die Demühtigen und Nohtleidenden kräfftiget und erhält. Mein Herr/ gab ihm ein ander
zur Antwort; es müssen die gütigen Götter demselben Menschen höchst gewogen seyn/
welchen sie so frühzeitig in diese Tugendschuele schicken/ in welcher mein Herr aufferzo-
gen und unterrichtet ist/ woselbst er nicht allein die Erkäntnis/ sondern zugleich die Erfah-
rung und fertigkeit tugendhaft zu handeln bekommen hat. Meine Erfahrung/ sagte Valikules

ist
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Anderes Buch.
tete ohn Bewaͤgung: man muͤſte unbendigen Zungen uͤberſehen/ biß es Zeit waͤhre ſie zu
hemmen/ dann er haͤtte in dieſer ſeiner Jugend ſchon die Erfahrung/ daß eine ruhmraͤtige
Zunge allemahl von einem feigen Herzen angetrieben wuͤrde; Woruͤber dieſe beyde ſich
dergeſtalt entruͤſteten/ daß ſie auff der Rahtſtuben ſich ſchier an ihm vergriffen haͤtten/ da
ihnen ſolches nicht bey Leibesſtraffe waͤhre verbohten worden. Der Rahtsmeiſter ſuchte
nochmahls/ unſern Valikules von dem Kampffe abzumahnen/ aber als er merkete/ daß al-
les vergebens und umſonſt wahr/ goͤnneten ſie ihm endlich ſeine Freyheit/ welches er mit
hoͤflichem Dank annam/ und ſeine Klaͤger erinnerte/ ſich gegen Morgen fruͤh zum taͤhtli-
chen Beweißtuhm ihrer Schandluͤgen gefaſſet zu halten; Welches ſie vor Eifer nicht
beantworten kunten/ ſich auch nicht anders als wahnwitze Untihre bezeigeten/ daß ihnen
der Geifer zum Maule ausfloß. Amyntas und alle ſeine Gaͤſte waren ſehr leidig wegen der
getahnen Ausfoderung; auch Gallus ſelbſt bekuͤmmerte ſich dermaſſen/ daß erweder eſſen
noch trinken wolte/ dann er hatte ſeinen Herrn noch nie kaͤmpffen geſehen; welcher ihm ge-
boht/ er ſolte ſchaffen/ daß ſein Harniſch auff beſtimmete Zeit zum Kampffe fertig waͤhre;
erzeigete ſich ſonſt den ganzen Tag durch immerzu froͤlich/ als wuͤſte er nichts von dem
morgenden Kampffe; und wann die Geſelſchafft deſſen Erwaͤhnung taht/ und wegen der
kuͤnfftigen Gefahr ſich leidig bezeigete/ baht er ſie/ nicht daran zugedenken/ wanns ihnen
ſonſt einige Bekuͤmmerniß machete; ja er vermahnete ſie/ gutes muhts zu ſeyn/ und ſage-
te: Man muͤſte nicht allein von der Tugend reden und ſinreiche Geſpraͤch fuͤhren/ ſondeꝛn
ſich auch befleiſſigen/ ſie Zeit der Noht in rechtſchaffene uͤbung zu bringen/ und der wirkli-
chen Gluͤkſeligkeit beyzeiten einen Anfang zu machen; ſo haͤtte ers biß daher gehalten/ und
wie jung er waͤhre/ ſchon mannichen harten Streit mit angeſehen/ auch wol gute Stoͤſſe
mit nach Hauſe getragen. Einer von der Geſelſchafft antwortete darauff; es waͤhre zwar
alles ſehr wol und weißlich geredet; jedoch muͤſte man die Herzhaftigkeit allemal der Ver-
nunfft zur Einzaͤum- und Beherſchung unterwerffen/ und nichts uͤber Vermoͤgen oder
Alters Kraͤffte vornehmen/ damit dieſelbe nicht uͤber die Schnuhr hiebe/ die Tugend-art
verloͤhre/ und in eine verwaͤgene Kuͤhnheit verwandelt wuͤrde/ welches er doch auff ihn nit
wolte geredet haben. Mein Freund Urteilet recht und wol/ antwortete er; und iſt freilich
dieſes die rechte Klugheit und Vernunfft/ daß unſere Handelungen in der Mittelwage
bleiben/ ſo daß ſie weder nach der Linken/ nach dem Mangel; noch nach der Rechten/ das
iſt/ nach der uͤbermaſſe außſchlagen; nicht deſto weniger aber muß unſer ehrlicher Nahme
und guter Leumut uns lieber als das Leben ſeyn/ und wird niemand die Schranken der
Tugendhafften Kuͤhn- und Herzhafftigkeit uͤberſchreiten/ wann er ſein Blut zur vertei-
digung ſeiner Redligkeit vorſichtig anwendet/ da er dann eben nicht ſeinen Leibeskraͤfften
oder ſeiner Erfahrenheit/ ſondern vielmehr ſeiner guten Sache/ am meiſten aber dem ge-
rechten Gott vertrauen muß/ welcher die Stolzen und Gewalttaͤhter ſtuͤrzet/ und dagegen
die Demuͤhtigen und Nohtleidenden kraͤfftiget und erhaͤlt. Mein Herr/ gab ihm ein ander
zur Antwort; es muͤſſen die guͤtigen Goͤtter demſelben Menſchen hoͤchſt gewogen ſeyn/
welchen ſie ſo fruͤhzeitig in dieſe Tugendſchuele ſchicken/ in welcher mein Herr aufferzo-
gen und unterrichtet iſt/ woſelbſt er nicht allein die Erkaͤntnis/ ſondern zugleich die Erfah-
rung uñ fertigkeit tugendhaft zu handeln bekom̃en hat. Meine Erfahrung/ ſagte Valikules

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[315/0353] Anderes Buch. tete ohn Bewaͤgung: man muͤſte unbendigen Zungen uͤberſehen/ biß es Zeit waͤhre ſie zu hemmen/ dann er haͤtte in dieſer ſeiner Jugend ſchon die Erfahrung/ daß eine ruhmraͤtige Zunge allemahl von einem feigen Herzen angetrieben wuͤrde; Woruͤber dieſe beyde ſich dergeſtalt entruͤſteten/ daß ſie auff der Rahtſtuben ſich ſchier an ihm vergriffen haͤtten/ da ihnen ſolches nicht bey Leibesſtraffe waͤhre verbohten worden. Der Rahtsmeiſter ſuchte nochmahls/ unſern Valikules von dem Kampffe abzumahnen/ aber als er merkete/ daß al- les vergebens und umſonſt wahr/ goͤnneten ſie ihm endlich ſeine Freyheit/ welches er mit hoͤflichem Dank annam/ und ſeine Klaͤger erinnerte/ ſich gegen Morgen fruͤh zum taͤhtli- chen Beweißtuhm ihrer Schandluͤgen gefaſſet zu halten; Welches ſie vor Eifer nicht beantworten kunten/ ſich auch nicht anders als wahnwitze Untihre bezeigeten/ daß ihnen der Geifer zum Maule ausfloß. Amyntas und alle ſeine Gaͤſte waren ſehr leidig wegen der getahnen Ausfoderung; auch Gallus ſelbſt bekuͤmmerte ſich dermaſſen/ daß erweder eſſen noch trinken wolte/ dann er hatte ſeinen Herrn noch nie kaͤmpffen geſehen; welcher ihm ge- boht/ er ſolte ſchaffen/ daß ſein Harniſch auff beſtimmete Zeit zum Kampffe fertig waͤhre; erzeigete ſich ſonſt den ganzen Tag durch immerzu froͤlich/ als wuͤſte er nichts von dem morgenden Kampffe; und wann die Geſelſchafft deſſen Erwaͤhnung taht/ und wegen der kuͤnfftigen Gefahr ſich leidig bezeigete/ baht er ſie/ nicht daran zugedenken/ wanns ihnen ſonſt einige Bekuͤmmerniß machete; ja er vermahnete ſie/ gutes muhts zu ſeyn/ und ſage- te: Man muͤſte nicht allein von der Tugend reden und ſinreiche Geſpraͤch fuͤhren/ ſondeꝛn ſich auch befleiſſigen/ ſie Zeit der Noht in rechtſchaffene uͤbung zu bringen/ und der wirkli- chen Gluͤkſeligkeit beyzeiten einen Anfang zu machen; ſo haͤtte ers biß daher gehalten/ und wie jung er waͤhre/ ſchon mannichen harten Streit mit angeſehen/ auch wol gute Stoͤſſe mit nach Hauſe getragen. Einer von der Geſelſchafft antwortete darauff; es waͤhre zwar alles ſehr wol und weißlich geredet; jedoch muͤſte man die Herzhaftigkeit allemal der Ver- nunfft zur Einzaͤum- und Beherſchung unterwerffen/ und nichts uͤber Vermoͤgen oder Alters Kraͤffte vornehmen/ damit dieſelbe nicht uͤber die Schnuhr hiebe/ die Tugend-art verloͤhre/ und in eine verwaͤgene Kuͤhnheit verwandelt wuͤrde/ welches er doch auff ihn nit wolte geredet haben. Mein Freund Urteilet recht und wol/ antwortete er; und iſt freilich dieſes die rechte Klugheit und Vernunfft/ daß unſere Handelungen in der Mittelwage bleiben/ ſo daß ſie weder nach der Linken/ nach dem Mangel; noch nach der Rechten/ das iſt/ nach der uͤbermaſſe außſchlagen; nicht deſto weniger aber muß unſer ehrlicher Nahme und guter Leumut uns lieber als das Leben ſeyn/ und wird niemand die Schranken der Tugendhafften Kuͤhn- und Herzhafftigkeit uͤberſchreiten/ wann er ſein Blut zur vertei- digung ſeiner Redligkeit vorſichtig anwendet/ da er dann eben nicht ſeinen Leibeskraͤfften oder ſeiner Erfahrenheit/ ſondern vielmehr ſeiner guten Sache/ am meiſten aber dem ge- rechten Gott vertrauen muß/ welcher die Stolzen und Gewalttaͤhter ſtuͤrzet/ und dagegen die Demuͤhtigen und Nohtleidenden kraͤfftiget und erhaͤlt. Mein Herr/ gab ihm ein ander zur Antwort; es muͤſſen die guͤtigen Goͤtter demſelben Menſchen hoͤchſt gewogen ſeyn/ welchen ſie ſo fruͤhzeitig in dieſe Tugendſchuele ſchicken/ in welcher mein Herr aufferzo- gen und unterrichtet iſt/ woſelbſt er nicht allein die Erkaͤntnis/ ſondern zugleich die Erfah- rung uñ fertigkeit tugendhaft zu handeln bekom̃en hat. Meine Erfahrung/ ſagte Valikules iſt R r ij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/353>, abgerufen am 22.12.2024.