Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 68. Königshort und Königsgut.
(wahrscheinlich im J. 818) das servitium der Klöster geregelt, so dass
Jahresabgabe und Kriegsdienst oder letzterer allein zu Gunsten der
ärmeren ermässigt oder erlassen wurden. Ein im Anschluss an diese
Massregel entstandenes, aber nur in verfälschter Form vorliegendes
Verzeichnis von Klöstern unterscheidet solche, die Kriegsdienst und
Gaben, solche, die nur Gaben, und solche, die keines von beiden zu
leisten haben 16.

Abgesehen von den Jahresgaben wurden dem König auch bei
gewissen ausserordentlichen Gelegenheiten Geschenke dargebracht. Als
Chilperich I. seine Tochter Rigunthis vermählte, trug von den Franken
jeder zur Aussteuer bei 17. Die aus solchem Anlass üblich gewordenen
Geschenke sind der geschichtliche Ausgangspunkt für die später sogen.
Prinzessinnensteuer, die bekanntlich in einzelnen deutschen Staaten noch
heute theoretisch zu Recht besteht. Auch die Steuer, welche nach-
mals bei der Wehrhaftmachung des Herrschersohnes erhoben wird,
scheint auf eine schon der fränkischen Zeit nicht unbekannte Sitte 18
freiwilliger Gaben zurückzugehen 19.

In den Schatz des Königs fliessen, wie schon in germanischer Zeit,
die Friedensgelder, und zwar mit Ausnahme des Anteils, den der
königliche Beamte bezieht. Dazu kommen die Bannbussen, die Be-

16 Notitia de servitio monasteriorum, Cap. I 349. Dazu Pückert a. O., der
aber darin zu weit geht, dass er annimmt, die Notitia widerspreche der Reichs-
verfassung. Denn jene fasst nur die regelmässigen Leistungen ins Auge, so-
dass die Pflicht der Gastung, des Brückenbaues und ähnliche Lasten nicht aus-
geschlossen werden.
17 Greg. Tur. Hist. Fr. VI 45: Franci vero multa munera obtulerunt, alii
aurum, alii argentum, nonnulli equites (equos), plerique vestimenta et unusquisque
ut potuit donativum dedit.
18 Das darf aus der Vergleichung von L. Rom. Cur. VIII 4 mit ihrer Vor-
lage erschlossen werden. Die Stelle der Curiensis lautet: quando aliqua publica
gaudia nunciantur hoc est aut elevatio regis aut nuptias (vgl. oben Anm. 17) aut
barbatoria aut aliqua alia gaudia, quod ad iudices pertinet, nihil invitum ad popu-
lum nec dona nec nulla expendia exsequantur. Die Aufzählung der Anlässe, bei
welchen die Eintreibung von dona und expendia verboten wird, ist der Lex Curi-
ensis eigentümlich. Es müssen also bei solchen Anlässen freiwillige dona üblich
gewesen sein. Unter den barbatoriae ist die mit der Wehrhaftmachung zusammen-
fallende oder sie ersetzende Haarschur zu verstehen. Siehe oben I 78, Grimm
RA S. 146 und die in Mon. Germ. LL V 361, Anm. 2 citierte Litteratur.
19 Wie leicht freiwillige Leistungen durch die Praxis der Fiskalbeamten in pflicht-
mässige umgewandelt wurden, zeigt u. a. die Urk., Mühlbacher Nr. 821: Das
Kloster S. Denis hatte auf Ansuchen eines Königs bei augenblicklichem Bedarf
200 Fass Wein nach der Pfalz gesendet; die Beamten forderten sie dann als
schuldigen Zins, von welchem Ludwig I. die Kirche 828 befreien musste.

§ 68. Königshort und Königsgut.
(wahrscheinlich im J. 818) das servitium der Klöster geregelt, so daſs
Jahresabgabe und Kriegsdienst oder letzterer allein zu Gunsten der
ärmeren ermäſsigt oder erlassen wurden. Ein im Anschluſs an diese
Maſsregel entstandenes, aber nur in verfälschter Form vorliegendes
Verzeichnis von Klöstern unterscheidet solche, die Kriegsdienst und
Gaben, solche, die nur Gaben, und solche, die keines von beiden zu
leisten haben 16.

Abgesehen von den Jahresgaben wurden dem König auch bei
gewissen auſserordentlichen Gelegenheiten Geschenke dargebracht. Als
Chilperich I. seine Tochter Rigunthis vermählte, trug von den Franken
jeder zur Aussteuer bei 17. Die aus solchem Anlaſs üblich gewordenen
Geschenke sind der geschichtliche Ausgangspunkt für die später sogen.
Prinzessinnensteuer, die bekanntlich in einzelnen deutschen Staaten noch
heute theoretisch zu Recht besteht. Auch die Steuer, welche nach-
mals bei der Wehrhaftmachung des Herrschersohnes erhoben wird,
scheint auf eine schon der fränkischen Zeit nicht unbekannte Sitte 18
freiwilliger Gaben zurückzugehen 19.

In den Schatz des Königs flieſsen, wie schon in germanischer Zeit,
die Friedensgelder, und zwar mit Ausnahme des Anteils, den der
königliche Beamte bezieht. Dazu kommen die Bannbuſsen, die Be-

16 Notitia de servitio monasteriorum, Cap. I 349. Dazu Pückert a. O., der
aber darin zu weit geht, daſs er annimmt, die Notitia widerspreche der Reichs-
verfassung. Denn jene faſst nur die regelmäſsigen Leistungen ins Auge, so-
daſs die Pflicht der Gastung, des Brückenbaues und ähnliche Lasten nicht aus-
geschlossen werden.
17 Greg. Tur. Hist. Fr. VI 45: Franci vero multa munera obtulerunt, alii
aurum, alii argentum, nonnulli equites (equos), plerique vestimenta et unusquisque
ut potuit donativum dedit.
18 Das darf aus der Vergleichung von L. Rom. Cur. VIII 4 mit ihrer Vor-
lage erschlossen werden. Die Stelle der Curiensis lautet: quando aliqua publica
gaudia nunciantur hoc est aut elevatio regis aut nuptias (vgl. oben Anm. 17) aut
barbatoria aut aliqua alia gaudia, quod ad iudices pertinet, nihil invitum ad popu-
lum nec dona nec nulla expendia exsequantur. Die Aufzählung der Anlässe, bei
welchen die Eintreibung von dona und expendia verboten wird, ist der Lex Curi-
ensis eigentümlich. Es müssen also bei solchen Anlässen freiwillige dona üblich
gewesen sein. Unter den barbatoriae ist die mit der Wehrhaftmachung zusammen-
fallende oder sie ersetzende Haarschur zu verstehen. Siehe oben I 78, Grimm
RA S. 146 und die in Mon. Germ. LL V 361, Anm. 2 citierte Litteratur.
19 Wie leicht freiwillige Leistungen durch die Praxis der Fiskalbeamten in pflicht-
mäſsige umgewandelt wurden, zeigt u. a. die Urk., Mühlbacher Nr. 821: Das
Kloster S. Denis hatte auf Ansuchen eines Königs bei augenblicklichem Bedarf
200 Faſs Wein nach der Pfalz gesendet; die Beamten forderten sie dann als
schuldigen Zins, von welchem Ludwig I. die Kirche 828 befreien muſste.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0088" n="70"/><fw place="top" type="header">§ 68. Königshort und Königsgut.</fw><lb/>
(wahrscheinlich im J. 818) das servitium der Klöster geregelt, so da&#x017F;s<lb/>
Jahresabgabe und Kriegsdienst oder letzterer allein zu Gunsten der<lb/>
ärmeren ermä&#x017F;sigt oder erlassen wurden. Ein im Anschlu&#x017F;s an diese<lb/>
Ma&#x017F;sregel entstandenes, aber nur in verfälschter Form vorliegendes<lb/>
Verzeichnis von Klöstern unterscheidet solche, die Kriegsdienst und<lb/>
Gaben, solche, die nur Gaben, und solche, die keines von beiden zu<lb/>
leisten haben <note place="foot" n="16">Notitia de servitio monasteriorum, Cap. I 349. Dazu <hi rendition="#g">Pückert</hi> a. O., der<lb/>
aber darin zu weit geht, da&#x017F;s er annimmt, die Notitia widerspreche der Reichs-<lb/>
verfassung. Denn jene fa&#x017F;st nur die regelmä&#x017F;sigen Leistungen ins Auge, so-<lb/>
da&#x017F;s die Pflicht der Gastung, des Brückenbaues und ähnliche Lasten nicht aus-<lb/>
geschlossen werden.</note>.</p><lb/>
            <p>Abgesehen von den Jahresgaben wurden dem König auch bei<lb/>
gewissen au&#x017F;serordentlichen Gelegenheiten Geschenke dargebracht. Als<lb/>
Chilperich I. seine Tochter Rigunthis vermählte, trug von den Franken<lb/>
jeder zur Aussteuer bei <note place="foot" n="17">Greg. Tur. Hist. Fr. VI 45: Franci vero multa munera obtulerunt, alii<lb/>
aurum, alii argentum, nonnulli equites (equos), plerique vestimenta et unusquisque<lb/>
ut potuit donativum dedit.</note>. Die aus solchem Anla&#x017F;s üblich gewordenen<lb/>
Geschenke sind der geschichtliche Ausgangspunkt für die später sogen.<lb/>
Prinzessinnensteuer, die bekanntlich in einzelnen deutschen Staaten noch<lb/>
heute theoretisch zu Recht besteht. Auch die Steuer, welche nach-<lb/>
mals bei der Wehrhaftmachung des Herrschersohnes erhoben wird,<lb/>
scheint auf eine schon der fränkischen Zeit nicht unbekannte Sitte <note place="foot" n="18">Das darf aus der Vergleichung von L. Rom. Cur. VIII 4 mit ihrer Vor-<lb/>
lage erschlossen werden. Die Stelle der Curiensis lautet: quando aliqua publica<lb/>
gaudia nunciantur hoc est aut elevatio regis aut nuptias (vgl. oben Anm. 17) aut<lb/>
barbatoria aut aliqua alia gaudia, quod ad iudices pertinet, nihil invitum ad popu-<lb/>
lum nec dona nec nulla expendia exsequantur. Die Aufzählung der Anlässe, bei<lb/>
welchen die Eintreibung von dona und expendia verboten wird, ist der Lex Curi-<lb/>
ensis eigentümlich. Es müssen also bei solchen Anlässen freiwillige dona üblich<lb/>
gewesen sein. Unter den barbatoriae ist die mit der Wehrhaftmachung zusammen-<lb/>
fallende oder sie ersetzende Haarschur zu verstehen. Siehe oben I 78, <hi rendition="#g">Grimm</hi><lb/>
RA S. 146 und die in Mon. Germ. LL V 361, Anm. 2 citierte Litteratur.</note><lb/>
freiwilliger Gaben zurückzugehen <note place="foot" n="19">Wie leicht freiwillige Leistungen durch die Praxis der Fiskalbeamten in pflicht-<lb/>&#x017F;sige umgewandelt wurden, zeigt u. a. die Urk., <hi rendition="#g">Mühlbacher</hi> Nr. 821: Das<lb/>
Kloster S. Denis hatte auf Ansuchen eines Königs bei augenblicklichem Bedarf<lb/>
200 Fa&#x017F;s Wein nach der Pfalz gesendet; die Beamten forderten sie dann als<lb/>
schuldigen Zins, von welchem Ludwig I. die Kirche 828 befreien mu&#x017F;ste.</note>.</p><lb/>
            <p>In den Schatz des Königs flie&#x017F;sen, wie schon in germanischer Zeit,<lb/>
die Friedensgelder, und zwar mit Ausnahme des Anteils, den der<lb/>
königliche Beamte bezieht. Dazu kommen die Bannbu&#x017F;sen, die Be-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0088] § 68. Königshort und Königsgut. (wahrscheinlich im J. 818) das servitium der Klöster geregelt, so daſs Jahresabgabe und Kriegsdienst oder letzterer allein zu Gunsten der ärmeren ermäſsigt oder erlassen wurden. Ein im Anschluſs an diese Maſsregel entstandenes, aber nur in verfälschter Form vorliegendes Verzeichnis von Klöstern unterscheidet solche, die Kriegsdienst und Gaben, solche, die nur Gaben, und solche, die keines von beiden zu leisten haben 16. Abgesehen von den Jahresgaben wurden dem König auch bei gewissen auſserordentlichen Gelegenheiten Geschenke dargebracht. Als Chilperich I. seine Tochter Rigunthis vermählte, trug von den Franken jeder zur Aussteuer bei 17. Die aus solchem Anlaſs üblich gewordenen Geschenke sind der geschichtliche Ausgangspunkt für die später sogen. Prinzessinnensteuer, die bekanntlich in einzelnen deutschen Staaten noch heute theoretisch zu Recht besteht. Auch die Steuer, welche nach- mals bei der Wehrhaftmachung des Herrschersohnes erhoben wird, scheint auf eine schon der fränkischen Zeit nicht unbekannte Sitte 18 freiwilliger Gaben zurückzugehen 19. In den Schatz des Königs flieſsen, wie schon in germanischer Zeit, die Friedensgelder, und zwar mit Ausnahme des Anteils, den der königliche Beamte bezieht. Dazu kommen die Bannbuſsen, die Be- 16 Notitia de servitio monasteriorum, Cap. I 349. Dazu Pückert a. O., der aber darin zu weit geht, daſs er annimmt, die Notitia widerspreche der Reichs- verfassung. Denn jene faſst nur die regelmäſsigen Leistungen ins Auge, so- daſs die Pflicht der Gastung, des Brückenbaues und ähnliche Lasten nicht aus- geschlossen werden. 17 Greg. Tur. Hist. Fr. VI 45: Franci vero multa munera obtulerunt, alii aurum, alii argentum, nonnulli equites (equos), plerique vestimenta et unusquisque ut potuit donativum dedit. 18 Das darf aus der Vergleichung von L. Rom. Cur. VIII 4 mit ihrer Vor- lage erschlossen werden. Die Stelle der Curiensis lautet: quando aliqua publica gaudia nunciantur hoc est aut elevatio regis aut nuptias (vgl. oben Anm. 17) aut barbatoria aut aliqua alia gaudia, quod ad iudices pertinet, nihil invitum ad popu- lum nec dona nec nulla expendia exsequantur. Die Aufzählung der Anlässe, bei welchen die Eintreibung von dona und expendia verboten wird, ist der Lex Curi- ensis eigentümlich. Es müssen also bei solchen Anlässen freiwillige dona üblich gewesen sein. Unter den barbatoriae ist die mit der Wehrhaftmachung zusammen- fallende oder sie ersetzende Haarschur zu verstehen. Siehe oben I 78, Grimm RA S. 146 und die in Mon. Germ. LL V 361, Anm. 2 citierte Litteratur. 19 Wie leicht freiwillige Leistungen durch die Praxis der Fiskalbeamten in pflicht- mäſsige umgewandelt wurden, zeigt u. a. die Urk., Mühlbacher Nr. 821: Das Kloster S. Denis hatte auf Ansuchen eines Königs bei augenblicklichem Bedarf 200 Faſs Wein nach der Pfalz gesendet; die Beamten forderten sie dann als schuldigen Zins, von welchem Ludwig I. die Kirche 828 befreien muſste.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/88
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/88>, abgerufen am 24.11.2024.