ein Weib den Vorwurf der Hexerei, gegen einen Mann den der Arg- list oder Falschheit erhebt 9.
Das langobardische Recht unterscheidet bei Kränkung der weib- lichen Ehre die im Jähzorn ausgesprochene Schmähung, die man zu widerrufen bereit ist, und die Verleumdung, die man zurückzunehmen verweigert. Der Vorwurf der Unzucht und das Wort Hexe wurden als Schmähung mit 20 Solidi, als nicht widerrufene Verleumdung mit dem Wergelde des Weibes gebüsst 10. Wer einen Mann arga (Feig- ling) schilt, sühnt den Schimpf mit 12 Solidi 11.
Nach kentischem Rechte verbricht derjenige, der in fremdem Hause einen andern meineidig nennt oder mit schmählichen Worten lästert, sechs Schillinge dem Geschmähten, zwölf dem König und einen Schilling dem Hausherrn 12. Der Wette an den König und der Busse an den Hausherrn liegt der Gedanke zu Grunde, dass durch solche Schmähung der Hausfriede gefährdet wird. Strenger ist das angel- sächsische Recht gegen den Urheber einer öffentlich ausgebreiteten Verleumdung 13, oder einer Verleumdung, die dem Verleumdeten Nach- teil bringt an Geld und Gut. Wird deren Unwahrheit dargethan, so soll der Schuldige seine Zunge verlieren oder erkaufen 14. Wer wegen Schelte belangt wird, ist befugt, die Wahrheit des Vorwurfs zu be- haupten und darüber ein Beweisverfahren zu provocieren. Nur für den Fall, si non potuerit adprobare, stellt die Lex Salica die Schelte unter Busse. Nach langobardischem Rechte darf der Vorwurf der Feigheit, der Unzucht und der Zauberei durch gerichtlichen Zweikampf erhärtet werden.
Will es der Beleidiger nicht auf den Wahrheitsbeweis ankommen lassen, so soll er eine Ehrenerklärung abgeben, die nach langobardi- schem Rechte eine eidliche sein muss. Wenn es sich um den Schimpf der Feigheit handelt, so schwört er mit einem Eineide, wenn um den Vorwurf der Zauberei oder der Buhlschaft, so schwört er selbzwölft,
9 Pactus II 31. 32. Subdulus, in einer Keronischen Glosse als feihhene er- klärt, darf nicht mit Merkel als ignavus, sondern muss als dolosus (zu faihan, fei- han oben S. 544) gedeutet werden.
10 Roth. 198. Der Vormund, der fälschlich die eigene Mündel der Unzucht zeiht, verliert nach Roth. 196 die Vormundschaft, ausgenommen wenn er ihr Vater oder ihr Bruder ist.
11 Roth. 381.
12 Hloth. u. Eadric. 11.
13 Folkleasung zu lean oben S. 356, Anm. 7.
14 Alfred 32. Edgar III 4. Knut II 16. Leges Henrici primi 34, 7. Vgl. Schmid, Ges. der Ags. S. 563.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 43
§ 144. Ehrenkränkung und falsche Anklage.
ein Weib den Vorwurf der Hexerei, gegen einen Mann den der Arg- list oder Falschheit erhebt 9.
Das langobardische Recht unterscheidet bei Kränkung der weib- lichen Ehre die im Jähzorn ausgesprochene Schmähung, die man zu widerrufen bereit ist, und die Verleumdung, die man zurückzunehmen verweigert. Der Vorwurf der Unzucht und das Wort Hexe wurden als Schmähung mit 20 Solidi, als nicht widerrufene Verleumdung mit dem Wergelde des Weibes gebüſst 10. Wer einen Mann arga (Feig- ling) schilt, sühnt den Schimpf mit 12 Solidi 11.
Nach kentischem Rechte verbricht derjenige, der in fremdem Hause einen andern meineidig nennt oder mit schmählichen Worten lästert, sechs Schillinge dem Geschmähten, zwölf dem König und einen Schilling dem Hausherrn 12. Der Wette an den König und der Buſse an den Hausherrn liegt der Gedanke zu Grunde, daſs durch solche Schmähung der Hausfriede gefährdet wird. Strenger ist das angel- sächsische Recht gegen den Urheber einer öffentlich ausgebreiteten Verleumdung 13, oder einer Verleumdung, die dem Verleumdeten Nach- teil bringt an Geld und Gut. Wird deren Unwahrheit dargethan, so soll der Schuldige seine Zunge verlieren oder erkaufen 14. Wer wegen Schelte belangt wird, ist befugt, die Wahrheit des Vorwurfs zu be- haupten und darüber ein Beweisverfahren zu provocieren. Nur für den Fall, si non potuerit adprobare, stellt die Lex Salica die Schelte unter Buſse. Nach langobardischem Rechte darf der Vorwurf der Feigheit, der Unzucht und der Zauberei durch gerichtlichen Zweikampf erhärtet werden.
Will es der Beleidiger nicht auf den Wahrheitsbeweis ankommen lassen, so soll er eine Ehrenerklärung abgeben, die nach langobardi- schem Rechte eine eidliche sein muſs. Wenn es sich um den Schimpf der Feigheit handelt, so schwört er mit einem Eineide, wenn um den Vorwurf der Zauberei oder der Buhlschaft, so schwört er selbzwölft,
9 Pactus II 31. 32. Subdulus, in einer Keronischen Glosse als feihhene er- klärt, darf nicht mit Merkel als ignavus, sondern muſs als dolosus (zu faihan, fei- han oben S. 544) gedeutet werden.
10 Roth. 198. Der Vormund, der fälschlich die eigene Mündel der Unzucht zeiht, verliert nach Roth. 196 die Vormundschaft, ausgenommen wenn er ihr Vater oder ihr Bruder ist.
11 Roth. 381.
12 Hloth. u. Eadric. 11.
13 Folkléasung zu léan oben S. 356, Anm. 7.
14 Alfred 32. Edgar III 4. Knut II 16. Leges Henrici primi 34, 7. Vgl. Schmid, Ges. der Ags. S. 563.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 43
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[673/0691]
§ 144. Ehrenkränkung und falsche Anklage.
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list oder Falschheit erhebt 9.
Das langobardische Recht unterscheidet bei Kränkung der weib-
lichen Ehre die im Jähzorn ausgesprochene Schmähung, die man zu
widerrufen bereit ist, und die Verleumdung, die man zurückzunehmen
verweigert. Der Vorwurf der Unzucht und das Wort Hexe wurden
als Schmähung mit 20 Solidi, als nicht widerrufene Verleumdung mit
dem Wergelde des Weibes gebüſst 10. Wer einen Mann arga (Feig-
ling) schilt, sühnt den Schimpf mit 12 Solidi 11.
Nach kentischem Rechte verbricht derjenige, der in fremdem Hause
einen andern meineidig nennt oder mit schmählichen Worten lästert,
sechs Schillinge dem Geschmähten, zwölf dem König und einen
Schilling dem Hausherrn 12. Der Wette an den König und der Buſse
an den Hausherrn liegt der Gedanke zu Grunde, daſs durch solche
Schmähung der Hausfriede gefährdet wird. Strenger ist das angel-
sächsische Recht gegen den Urheber einer öffentlich ausgebreiteten
Verleumdung 13, oder einer Verleumdung, die dem Verleumdeten Nach-
teil bringt an Geld und Gut. Wird deren Unwahrheit dargethan, so
soll der Schuldige seine Zunge verlieren oder erkaufen 14. Wer wegen
Schelte belangt wird, ist befugt, die Wahrheit des Vorwurfs zu be-
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den Fall, si non potuerit adprobare, stellt die Lex Salica die Schelte
unter Buſse. Nach langobardischem Rechte darf der Vorwurf der
Feigheit, der Unzucht und der Zauberei durch gerichtlichen Zweikampf
erhärtet werden.
Will es der Beleidiger nicht auf den Wahrheitsbeweis ankommen
lassen, so soll er eine Ehrenerklärung abgeben, die nach langobardi-
schem Rechte eine eidliche sein muſs. Wenn es sich um den Schimpf
der Feigheit handelt, so schwört er mit einem Eineide, wenn um den
Vorwurf der Zauberei oder der Buhlschaft, so schwört er selbzwölft,
9 Pactus II 31. 32. Subdulus, in einer Keronischen Glosse als feihhene er-
klärt, darf nicht mit Merkel als ignavus, sondern muſs als dolosus (zu faihan, fei-
han oben S. 544) gedeutet werden.
10 Roth. 198. Der Vormund, der fälschlich die eigene Mündel der Unzucht
zeiht, verliert nach Roth. 196 die Vormundschaft, ausgenommen wenn er ihr Vater
oder ihr Bruder ist.
11 Roth. 381.
12 Hloth. u. Eadric. 11.
13 Folkléasung zu léan oben S. 356, Anm. 7.
14 Alfred 32. Edgar III 4. Knut II 16. Leges Henrici primi 34, 7. Vgl.
Schmid, Ges. der Ags. S. 563.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/691>, abgerufen am 23.11.2024.
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