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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 132. Die Acht, ihre Spielarten und Abspaltungen.

Nach dem Sprachgebrauche der fränkischen Quellen fällt die Ver-
bannung unter den weiteren Begriff des exilium (ahd. elilenti), welches
die Landesverweisung, die Internierung, die Einsperrung in ein Kloster
und Fälle der Straf haft in sich schliesst14. Die Exilierung wird ent-
weder im Verwaltungswege insbesondere als Ersatz der Todesstrafe
verfügt15, oder sie ist von vornherein als prinzipale Strafe auf ge-
wisse Missethaten gesetzt. Sie wird neben vermögensrechtlicher Fried-
losigkeit16 oder ohne solche17 verhängt. Das Exil ist entweder ein
lebenslängliches, oder seine Dauer steht im Ermessen des Königs.
Gemeinsam ist den verschiedenen Arten des Exils, dass dem Exilierten
der Aufenthalt in seinem Domicil versagt ist. Häufig wird ihm ein
bestimmter Teil des Reiches oder ein bestimmter Ort zum Aufenthalt
angewiesen, so dass das Exil den Charakter der Internierung erhält18.
Als Exil bezeichnen die Quellen aber auch die Einsperrung in ein
Kloster, die gegen Kleriker oder gegen Laien vom weltlichen Richter
angeordnet wird19, ja sogar die Haft in einem Turme20.

Neben dem Exil kommen als Arten des Freiheitsverlustes die Straf-
knechtschaft und die Einkerkerung in Betracht. Gleich jenem er-
scheinen sie als Abschwächungen der Acht. Schon in heidnischer Zeit
dürfte es vorgekommen sein, dass der überführte Missethäter, den das

14 Wie exilium bedeutet auch der entsprechende althochdeutsche Ausdruck
elilenti, elilentida sowol die Verbannung als auch die Gefangenschaft. Kluge, Etym.
WB unter Elend. Der Verbannte (exul), aber auch der Flüchtling heisst ahd. reccheo,
reckjo (Recke), alts. wrekkjo, ags. wraecca, wraec, wraecman, das Exil ags. wraec,
wraecsid. Exterminium in Ann. Fuldenses z. J. 876 S. 87.
15 Childeb. II. decretio c. 4: Im Falle des Asylschutzes in exilio trans-
mittantur.
16 Lex Rib. 69, 2: exilio susteniat et omnes ris suas fisco censeantur (bei
Verwandtenmord und Incest). Cap. 787--813, c. 4, I 186: Wer hartnäckig den
Zehnten verweigert, ut sacrilegus habeatur, sit in exilium missus et res ejus in
fiscum nostrum redigantur. Lex Alam. 24. 25 alternativ mit Lebensverlust. Pertz,
Dipl. M. 48 v. J. 679, H. 33, wo ein Bischof wegen Infidelität zu perpetuum exi-
lium verurteilt, ihm aber im Gnadenwege das Vermögen belassen wird. Form.
imperial. 8: nonnulli in exilium missi et res eorum ... fisco nostro sociatae sunt.
17 Cap. legg. add. 818/19, c. 7, I 282, wo es vom vermessentlichen Todschläger
heisst: in exilium mittatur, ad quantum tempus nobis placuerit; res tamen suas
non amittat.
18 Cap. Haristall. v. J. 779, c 22, I 51. Cap. Saxon. v. J. 797, c 10, I 72. Memor.
Olonn. 822/3, c. 4, Cap. I 318: in exilio ab ipso comite in Corsica mittatur. Waitz,
VG. IV 515.
19 Nissl, Gerichtsstand des Klerus S. 37 ff.
20 Fredegar IV 51: Charoaldus rex ... Gundobergam in Caumello castro in
unam turrem exilio trudit.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 38
§ 132. Die Acht, ihre Spielarten und Abspaltungen.

Nach dem Sprachgebrauche der fränkischen Quellen fällt die Ver-
bannung unter den weiteren Begriff des exilium (ahd. elilenti), welches
die Landesverweisung, die Internierung, die Einsperrung in ein Kloster
und Fälle der Straf haft in sich schlieſst14. Die Exilierung wird ent-
weder im Verwaltungswege insbesondere als Ersatz der Todesstrafe
verfügt15, oder sie ist von vornherein als prinzipale Strafe auf ge-
wisse Missethaten gesetzt. Sie wird neben vermögensrechtlicher Fried-
losigkeit16 oder ohne solche17 verhängt. Das Exil ist entweder ein
lebenslängliches, oder seine Dauer steht im Ermessen des Königs.
Gemeinsam ist den verschiedenen Arten des Exils, daſs dem Exilierten
der Aufenthalt in seinem Domicil versagt ist. Häufig wird ihm ein
bestimmter Teil des Reiches oder ein bestimmter Ort zum Aufenthalt
angewiesen, so daſs das Exil den Charakter der Internierung erhält18.
Als Exil bezeichnen die Quellen aber auch die Einsperrung in ein
Kloster, die gegen Kleriker oder gegen Laien vom weltlichen Richter
angeordnet wird19, ja sogar die Haft in einem Turme20.

Neben dem Exil kommen als Arten des Freiheitsverlustes die Straf-
knechtschaft und die Einkerkerung in Betracht. Gleich jenem er-
scheinen sie als Abschwächungen der Acht. Schon in heidnischer Zeit
dürfte es vorgekommen sein, daſs der überführte Missethäter, den das

14 Wie exilium bedeutet auch der entsprechende althochdeutsche Ausdruck
elilenti, elilentida sowol die Verbannung als auch die Gefangenschaft. Kluge, Etym.
WB unter Elend. Der Verbannte (exul), aber auch der Flüchtling heiſst ahd. recchëo,
reckjo (Recke), alts. wrekkjo, ags. wræcca, wræc, wræcman, das Exil ags. wræc,
wræcsíđ. Exterminium in Ann. Fuldenses z. J. 876 S. 87.
15 Childeb. II. decretio c. 4: Im Falle des Asylschutzes in exilio trans-
mittantur.
16 Lex Rib. 69, 2: exilio susteniat et omnes ris suas fisco censeantur (bei
Verwandtenmord und Incest). Cap. 787—813, c. 4, I 186: Wer hartnäckig den
Zehnten verweigert, ut sacrilegus habeatur, sit in exilium missus et res ejus in
fiscum nostrum redigantur. Lex Alam. 24. 25 alternativ mit Lebensverlust. Pertz,
Dipl. M. 48 v. J. 679, H. 33, wo ein Bischof wegen Infidelität zu perpetuum exi-
lium verurteilt, ihm aber im Gnadenwege das Vermögen belassen wird. Form.
imperial. 8: nonnulli in exilium missi et res eorum … fisco nostro sociatae sunt.
17 Cap. legg. add. 818/19, c. 7, I 282, wo es vom vermessentlichen Todschläger
heiſst: in exilium mittatur, ad quantum tempus nobis placuerit; res tamen suas
non amittat.
18 Cap. Haristall. v. J. 779, c 22, I 51. Cap. Saxon. v. J. 797, c 10, I 72. Memor.
Olonn. 822/3, c. 4, Cap. I 318: in exilio ab ipso comite in Corsica mittatur. Waitz,
VG. IV 515.
19 Niſsl, Gerichtsstand des Klerus S. 37 ff.
20 Fredegar IV 51: Charoaldus rex … Gundobergam in Caumello castro in
unam turrem exilio trudit.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 38
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[593/0611] § 132. Die Acht, ihre Spielarten und Abspaltungen. Nach dem Sprachgebrauche der fränkischen Quellen fällt die Ver- bannung unter den weiteren Begriff des exilium (ahd. elilenti), welches die Landesverweisung, die Internierung, die Einsperrung in ein Kloster und Fälle der Straf haft in sich schlieſst 14. Die Exilierung wird ent- weder im Verwaltungswege insbesondere als Ersatz der Todesstrafe verfügt 15, oder sie ist von vornherein als prinzipale Strafe auf ge- wisse Missethaten gesetzt. Sie wird neben vermögensrechtlicher Fried- losigkeit 16 oder ohne solche 17 verhängt. Das Exil ist entweder ein lebenslängliches, oder seine Dauer steht im Ermessen des Königs. Gemeinsam ist den verschiedenen Arten des Exils, daſs dem Exilierten der Aufenthalt in seinem Domicil versagt ist. Häufig wird ihm ein bestimmter Teil des Reiches oder ein bestimmter Ort zum Aufenthalt angewiesen, so daſs das Exil den Charakter der Internierung erhält 18. Als Exil bezeichnen die Quellen aber auch die Einsperrung in ein Kloster, die gegen Kleriker oder gegen Laien vom weltlichen Richter angeordnet wird 19, ja sogar die Haft in einem Turme 20. Neben dem Exil kommen als Arten des Freiheitsverlustes die Straf- knechtschaft und die Einkerkerung in Betracht. Gleich jenem er- scheinen sie als Abschwächungen der Acht. Schon in heidnischer Zeit dürfte es vorgekommen sein, daſs der überführte Missethäter, den das 14 Wie exilium bedeutet auch der entsprechende althochdeutsche Ausdruck elilenti, elilentida sowol die Verbannung als auch die Gefangenschaft. Kluge, Etym. WB unter Elend. Der Verbannte (exul), aber auch der Flüchtling heiſst ahd. recchëo, reckjo (Recke), alts. wrekkjo, ags. wræcca, wræc, wræcman, das Exil ags. wræc, wræcsíđ. Exterminium in Ann. Fuldenses z. J. 876 S. 87. 15 Childeb. II. decretio c. 4: Im Falle des Asylschutzes in exilio trans- mittantur. 16 Lex Rib. 69, 2: exilio susteniat et omnes ris suas fisco censeantur (bei Verwandtenmord und Incest). Cap. 787—813, c. 4, I 186: Wer hartnäckig den Zehnten verweigert, ut sacrilegus habeatur, sit in exilium missus et res ejus in fiscum nostrum redigantur. Lex Alam. 24. 25 alternativ mit Lebensverlust. Pertz, Dipl. M. 48 v. J. 679, H. 33, wo ein Bischof wegen Infidelität zu perpetuum exi- lium verurteilt, ihm aber im Gnadenwege das Vermögen belassen wird. Form. imperial. 8: nonnulli in exilium missi et res eorum … fisco nostro sociatae sunt. 17 Cap. legg. add. 818/19, c. 7, I 282, wo es vom vermessentlichen Todschläger heiſst: in exilium mittatur, ad quantum tempus nobis placuerit; res tamen suas non amittat. 18 Cap. Haristall. v. J. 779, c 22, I 51. Cap. Saxon. v. J. 797, c 10, I 72. Memor. Olonn. 822/3, c. 4, Cap. I 318: in exilio ab ipso comite in Corsica mittatur. Waitz, VG. IV 515. 19 Niſsl, Gerichtsstand des Klerus S. 37 ff. 20 Fredegar IV 51: Charoaldus rex … Gundobergam in Caumello castro in unam turrem exilio trudit. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 38

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/611>, abgerufen am 25.11.2024.