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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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ursprünglich besessen hatte, zum guten Teile eingebüsst durch die
Einschränkung der Fehde und dadurch, dass es dem Königtum und
dem Beamtentum gelungen ist, die Strafgewalt und den Strafvollzug
mehr und mehr an sich zu ziehen.

Schon vor der Aufzeichnung der ältesten Volksrechte hatte eine
Differenzierung der Acht begonnen, welche die Entstehung verschiedener
Arten der Friedlosigkeit und die Abspaltung einzelner in der Acht ent-
haltener Straffolgen bewirkte. Diese Zersetzung der Acht machte in
der fränkischen Periode erhebliche Fortschritte und führte zur Aus-
bildung verschiedenartiger Strafen, die begrifflich auf die Acht zurück-
gehen. Auch trat noch während der merowingischen Periode eine
Reaktion gegen die Ausdehnung des Busssystems ein, indem Ver-
brechen, die nach den Volksrechten in erster Linie durch Zahlung
von Busse und Friedensgeld gesühnt wurden, in die Reihe der prinzi-
palen Achtsachen einrückten.

Als Achtsachen lassen sich jene Missethaten zusammenfassen, auf
welche die Acht oder eine ihrer Spielarten und Abspaltungen gesetzt war.
Zu diesen gehören vor allem die Lebens- und Leibesstrafen, welche
in den folgenden Ausführungen schlechtweg als die peinlichen Strafen
bezeichnet werden sollen. Ferner das Exil, die Strafhaft und die Ver-
knechtung. Aus der vermögensrechtlichen Vollstreckung der Acht
stammt die Fronung. Nur als Folge von Achtstrafen oder als Neben-
strafen erscheinen in den Rechtsquellen des fränkischen Reiches die
Ehrenstrafen. Jede der vorgenannten Strafen durfte als arbiträre
Strafe vom König im Bereiche seiner arbiträren Strafgewalt verhängt
werden. Zu einer peinlichen Strafe im gedachten Sinne konnte sich
die Preisgabe in ihrer Wirkung gestalten.

Den Gegensatz zu den Achtsachen bilden die Busssachen, d. h.
jene Missethaten, auf welche Wergeld oder Busse und Friedensgeld
oder bannus gesetzt waren. Als eine besondere Gruppe erscheinen inner-
halb der Busssachen die Fehdesachen, nämlich die Missethaten, bei
denen das Volksrecht dem Verletzten die Wahl zwischen Fehde und
Busse gewährte.

Dieselbe Missethat konnte insofern zugleich Achtsache und Buss-
sache sein, als sie nur im Falle handhafter That mit peinlicher
Strafe geahndet, sonst aber durch Busszahlung gesühnt wurde.

Die peinliche Strafe durfte in der Regel in ein Vermögensopfer
umgewandelt werden, indem der Missethäter durch Zahlung einer be-
stimmten Summe Geldes die Lebens- oder Leibesstrafe abkaufte.

Die Strafen waren entweder öffentliche oder Privatstrafen. Als
öffentliche Strafen werden von den Neueren hauptsächlich die pein-

§ 131. Das Strafensystem.
ursprünglich besessen hatte, zum guten Teile eingebüſst durch die
Einschränkung der Fehde und dadurch, daſs es dem Königtum und
dem Beamtentum gelungen ist, die Strafgewalt und den Strafvollzug
mehr und mehr an sich zu ziehen.

Schon vor der Aufzeichnung der ältesten Volksrechte hatte eine
Differenzierung der Acht begonnen, welche die Entstehung verschiedener
Arten der Friedlosigkeit und die Abspaltung einzelner in der Acht ent-
haltener Straffolgen bewirkte. Diese Zersetzung der Acht machte in
der fränkischen Periode erhebliche Fortschritte und führte zur Aus-
bildung verschiedenartiger Strafen, die begrifflich auf die Acht zurück-
gehen. Auch trat noch während der merowingischen Periode eine
Reaktion gegen die Ausdehnung des Buſssystems ein, indem Ver-
brechen, die nach den Volksrechten in erster Linie durch Zahlung
von Buſse und Friedensgeld gesühnt wurden, in die Reihe der prinzi-
palen Achtsachen einrückten.

Als Achtsachen lassen sich jene Missethaten zusammenfassen, auf
welche die Acht oder eine ihrer Spielarten und Abspaltungen gesetzt war.
Zu diesen gehören vor allem die Lebens- und Leibesstrafen, welche
in den folgenden Ausführungen schlechtweg als die peinlichen Strafen
bezeichnet werden sollen. Ferner das Exil, die Strafhaft und die Ver-
knechtung. Aus der vermögensrechtlichen Vollstreckung der Acht
stammt die Fronung. Nur als Folge von Achtstrafen oder als Neben-
strafen erscheinen in den Rechtsquellen des fränkischen Reiches die
Ehrenstrafen. Jede der vorgenannten Strafen durfte als arbiträre
Strafe vom König im Bereiche seiner arbiträren Strafgewalt verhängt
werden. Zu einer peinlichen Strafe im gedachten Sinne konnte sich
die Preisgabe in ihrer Wirkung gestalten.

Den Gegensatz zu den Achtsachen bilden die Buſssachen, d. h.
jene Missethaten, auf welche Wergeld oder Buſse und Friedensgeld
oder bannus gesetzt waren. Als eine besondere Gruppe erscheinen inner-
halb der Buſssachen die Fehdesachen, nämlich die Missethaten, bei
denen das Volksrecht dem Verletzten die Wahl zwischen Fehde und
Buſse gewährte.

Dieselbe Missethat konnte insofern zugleich Achtsache und Buſs-
sache sein, als sie nur im Falle handhafter That mit peinlicher
Strafe geahndet, sonst aber durch Buſszahlung gesühnt wurde.

Die peinliche Strafe durfte in der Regel in ein Vermögensopfer
umgewandelt werden, indem der Missethäter durch Zahlung einer be-
stimmten Summe Geldes die Lebens- oder Leibesstrafe abkaufte.

Die Strafen waren entweder öffentliche oder Privatstrafen. Als
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[586/0604] § 131. Das Strafensystem. ursprünglich besessen hatte, zum guten Teile eingebüſst durch die Einschränkung der Fehde und dadurch, daſs es dem Königtum und dem Beamtentum gelungen ist, die Strafgewalt und den Strafvollzug mehr und mehr an sich zu ziehen. Schon vor der Aufzeichnung der ältesten Volksrechte hatte eine Differenzierung der Acht begonnen, welche die Entstehung verschiedener Arten der Friedlosigkeit und die Abspaltung einzelner in der Acht ent- haltener Straffolgen bewirkte. Diese Zersetzung der Acht machte in der fränkischen Periode erhebliche Fortschritte und führte zur Aus- bildung verschiedenartiger Strafen, die begrifflich auf die Acht zurück- gehen. Auch trat noch während der merowingischen Periode eine Reaktion gegen die Ausdehnung des Buſssystems ein, indem Ver- brechen, die nach den Volksrechten in erster Linie durch Zahlung von Buſse und Friedensgeld gesühnt wurden, in die Reihe der prinzi- palen Achtsachen einrückten. Als Achtsachen lassen sich jene Missethaten zusammenfassen, auf welche die Acht oder eine ihrer Spielarten und Abspaltungen gesetzt war. Zu diesen gehören vor allem die Lebens- und Leibesstrafen, welche in den folgenden Ausführungen schlechtweg als die peinlichen Strafen bezeichnet werden sollen. Ferner das Exil, die Strafhaft und die Ver- knechtung. Aus der vermögensrechtlichen Vollstreckung der Acht stammt die Fronung. Nur als Folge von Achtstrafen oder als Neben- strafen erscheinen in den Rechtsquellen des fränkischen Reiches die Ehrenstrafen. Jede der vorgenannten Strafen durfte als arbiträre Strafe vom König im Bereiche seiner arbiträren Strafgewalt verhängt werden. Zu einer peinlichen Strafe im gedachten Sinne konnte sich die Preisgabe in ihrer Wirkung gestalten. Den Gegensatz zu den Achtsachen bilden die Buſssachen, d. h. jene Missethaten, auf welche Wergeld oder Buſse und Friedensgeld oder bannus gesetzt waren. Als eine besondere Gruppe erscheinen inner- halb der Buſssachen die Fehdesachen, nämlich die Missethaten, bei denen das Volksrecht dem Verletzten die Wahl zwischen Fehde und Buſse gewährte. Dieselbe Missethat konnte insofern zugleich Achtsache und Buſs- sache sein, als sie nur im Falle handhafter That mit peinlicher Strafe geahndet, sonst aber durch Buſszahlung gesühnt wurde. Die peinliche Strafe durfte in der Regel in ein Vermögensopfer umgewandelt werden, indem der Missethäter durch Zahlung einer be- stimmten Summe Geldes die Lebens- oder Leibesstrafe abkaufte. Die Strafen waren entweder öffentliche oder Privatstrafen. Als öffentliche Strafen werden von den Neueren hauptsächlich die pein-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/604>, abgerufen am 25.11.2024.