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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 130. Die Sonderfrieden.
Analogon oder als Ausdehnung des örtlichen Königs- oder Herzogs-
friedens dar. Die bairische Lex begründet sie denn auch damit, dass
die Kirche wie das Haus des Herzogs eine casa publica sei, die immer-
dar jedermann offen stehe. Eine altdänische Rechtsquelle stellt den
Kirchenfrieden mit dem Hausfrieden zusammen: denn die Kirche solle
jedes Christenmenschen rechte Heimatstätte (heemhus) sein und des-
halb, wenn jemand darin erschlagen wird, durchaus dasselbe gelten,
als wäre er im eigenen Hause getötet worden11.

Unabhängig vom Königtum blieb der Haus- und Heimfriede, der
uralte Friede, den man innerhalb seiner vier Pfähle12 und innerhalb des
Zaunes, nämlich im Hause und im Hofraume, genoss. Er äusserte sich
darin, dass nicht nur Todschlag und Verwundung im Hause des Ver-
letzten begangen als unsühnbare Thaten13 oder mit mehrfacher Busse14
geahndet wurden, sondern auch gewaltsamer Eintritt in das Haus oder
in den Hofraum gebüsst werden musste15. Als eine besondere Art der
Verletzung des Hausfriedens stellt sich das Verbrechen der Heim-
suchung dar. Da der Hausherr jedermann den Eintritt verwehren
kann, mag er den Schutz seines Hauses wenigstens vorübergehend
auch Dritten zu teil werden lassen; so dem faidosus, der von seinen
Feinden, dem flüchtigen Knechte, der von seinem Herrn verfolgt wird.
Das Haus kann daher Dritten zur Freistätte werden; fraida heisst es
bei den Langobarden16, während es im Nordischen schlechtweg als
grid, Friede, bezeichnet wird.

Durch höheren strafrechtlichen Schutz waren auch die Mühlen17

11 Eriks Saell. Lov. II 8.
12 Septem Causae VII 6. Siehe oben S. 220, Anm. 16.
13 Wilda, S. 241. Lex Sax. c. 27 setzt die Todesstrafe auf Tötung. Hein-
rich. V. bestätigte den Bürgern von Staveren i. J. 1108 (Waitz, Urkunden zur d.
VG 2. A. Nr. 17) das Recht der Wüstung, si quis pacem, quam omnis possidet
Frisia, scilicet in domibus, per homicidium violaverit.
14 Dreifaches Wergeld, dreifache Busse verlangen die Rechte der Franken
und Anglowarnen. Recapitulatio legis Sal. B 31. Septem Causae VII 6. Lex
Angl. et Werin. c. 50. Neunfachen Fredus Lex Fris. Add 1, 1. Vgl. oben
S. 528, Anm. 4.
15 Lex Rib. 47, 3. Die Busse ist höher, wenn es sich um das Haus, als
wenn es sich um den Hofraum handelt. Pactus Alam. V 3 setzt eine Busse von
6 Solidi, wenn jemand in curte aliena ingressus fuerit, von 12 Solidi, si intus in
scura, (al. curia). Curtis und domus unterscheidet demgemäss Lex Alam. 9. 10.
Die Lex Baiuwariorum XI 1. 2 hat für gewaltsamen Eintritt in curtem eine Busse
von drei, in domum von sechs Solidi. Vgl. Aethelbirht 17 und siehe oben S. 497.
16 Roth. 275. Zu got. freidjan, ahd. freitan, fovere. Schade, WB S. 218.
Grimm, WB IV 1, S. 123. Schmeller, WB I 830.
17 Lex Salica 22, 1.

§ 130. Die Sonderfrieden.
Analogon oder als Ausdehnung des örtlichen Königs- oder Herzogs-
friedens dar. Die bairische Lex begründet sie denn auch damit, daſs
die Kirche wie das Haus des Herzogs eine casa publica sei, die immer-
dar jedermann offen stehe. Eine altdänische Rechtsquelle stellt den
Kirchenfrieden mit dem Hausfrieden zusammen: denn die Kirche solle
jedes Christenmenschen rechte Heimatstätte (heemhus) sein und des-
halb, wenn jemand darin erschlagen wird, durchaus dasselbe gelten,
als wäre er im eigenen Hause getötet worden11.

Unabhängig vom Königtum blieb der Haus- und Heimfriede, der
uralte Friede, den man innerhalb seiner vier Pfähle12 und innerhalb des
Zaunes, nämlich im Hause und im Hofraume, genoſs. Er äuſserte sich
darin, daſs nicht nur Todschlag und Verwundung im Hause des Ver-
letzten begangen als unsühnbare Thaten13 oder mit mehrfacher Buſse14
geahndet wurden, sondern auch gewaltsamer Eintritt in das Haus oder
in den Hofraum gebüſst werden muſste15. Als eine besondere Art der
Verletzung des Hausfriedens stellt sich das Verbrechen der Heim-
suchung dar. Da der Hausherr jedermann den Eintritt verwehren
kann, mag er den Schutz seines Hauses wenigstens vorübergehend
auch Dritten zu teil werden lassen; so dem faidosus, der von seinen
Feinden, dem flüchtigen Knechte, der von seinem Herrn verfolgt wird.
Das Haus kann daher Dritten zur Freistätte werden; fraida heiſst es
bei den Langobarden16, während es im Nordischen schlechtweg als
griđ, Friede, bezeichnet wird.

Durch höheren strafrechtlichen Schutz waren auch die Mühlen17

11 Eriks Sæll. Lov. II 8.
12 Septem Causae VII 6. Siehe oben S. 220, Anm. 16.
13 Wilda, S. 241. Lex Sax. c. 27 setzt die Todesstrafe auf Tötung. Hein-
rich. V. bestätigte den Bürgern von Staveren i. J. 1108 (Waitz, Urkunden zur d.
VG 2. A. Nr. 17) das Recht der Wüstung, si quis pacem, quam omnis possidet
Frisia, scilicet in domibus, per homicidium violaverit.
14 Dreifaches Wergeld, dreifache Buſse verlangen die Rechte der Franken
und Anglowarnen. Recapitulatio legis Sal. B 31. Septem Causae VII 6. Lex
Angl. et Werin. c. 50. Neunfachen Fredus Lex Fris. Add 1, 1. Vgl. oben
S. 528, Anm. 4.
15 Lex Rib. 47, 3. Die Buſse ist höher, wenn es sich um das Haus, als
wenn es sich um den Hofraum handelt. Pactus Alam. V 3 setzt eine Buſse von
6 Solidi, wenn jemand in curte aliena ingressus fuerit, von 12 Solidi, si intus in
scura, (al. curia). Curtis und domus unterscheidet demgemäſs Lex Alam. 9. 10.
Die Lex Baiuwariorum XI 1. 2 hat für gewaltsamen Eintritt in curtem eine Buſse
von drei, in domum von sechs Solidi. Vgl. Aethelbirht 17 und siehe oben S. 497.
16 Roth. 275. Zu got. freidjan, ahd. frîtan, fovere. Schade, WB S. 218.
Grimm, WB IV 1, S. 123. Schmeller, WB I 830.
17 Lex Salica 22, 1.
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[582/0600] § 130. Die Sonderfrieden. Analogon oder als Ausdehnung des örtlichen Königs- oder Herzogs- friedens dar. Die bairische Lex begründet sie denn auch damit, daſs die Kirche wie das Haus des Herzogs eine casa publica sei, die immer- dar jedermann offen stehe. Eine altdänische Rechtsquelle stellt den Kirchenfrieden mit dem Hausfrieden zusammen: denn die Kirche solle jedes Christenmenschen rechte Heimatstätte (heemhus) sein und des- halb, wenn jemand darin erschlagen wird, durchaus dasselbe gelten, als wäre er im eigenen Hause getötet worden 11. Unabhängig vom Königtum blieb der Haus- und Heimfriede, der uralte Friede, den man innerhalb seiner vier Pfähle 12 und innerhalb des Zaunes, nämlich im Hause und im Hofraume, genoſs. Er äuſserte sich darin, daſs nicht nur Todschlag und Verwundung im Hause des Ver- letzten begangen als unsühnbare Thaten 13 oder mit mehrfacher Buſse 14 geahndet wurden, sondern auch gewaltsamer Eintritt in das Haus oder in den Hofraum gebüſst werden muſste 15. Als eine besondere Art der Verletzung des Hausfriedens stellt sich das Verbrechen der Heim- suchung dar. Da der Hausherr jedermann den Eintritt verwehren kann, mag er den Schutz seines Hauses wenigstens vorübergehend auch Dritten zu teil werden lassen; so dem faidosus, der von seinen Feinden, dem flüchtigen Knechte, der von seinem Herrn verfolgt wird. Das Haus kann daher Dritten zur Freistätte werden; fraida heiſst es bei den Langobarden 16, während es im Nordischen schlechtweg als griđ, Friede, bezeichnet wird. Durch höheren strafrechtlichen Schutz waren auch die Mühlen 17 11 Eriks Sæll. Lov. II 8. 12 Septem Causae VII 6. Siehe oben S. 220, Anm. 16. 13 Wilda, S. 241. Lex Sax. c. 27 setzt die Todesstrafe auf Tötung. Hein- rich. V. bestätigte den Bürgern von Staveren i. J. 1108 (Waitz, Urkunden zur d. VG 2. A. Nr. 17) das Recht der Wüstung, si quis pacem, quam omnis possidet Frisia, scilicet in domibus, per homicidium violaverit. 14 Dreifaches Wergeld, dreifache Buſse verlangen die Rechte der Franken und Anglowarnen. Recapitulatio legis Sal. B 31. Septem Causae VII 6. Lex Angl. et Werin. c. 50. Neunfachen Fredus Lex Fris. Add 1, 1. Vgl. oben S. 528, Anm. 4. 15 Lex Rib. 47, 3. Die Buſse ist höher, wenn es sich um das Haus, als wenn es sich um den Hofraum handelt. Pactus Alam. V 3 setzt eine Buſse von 6 Solidi, wenn jemand in curte aliena ingressus fuerit, von 12 Solidi, si intus in scura, (al. curia). Curtis und domus unterscheidet demgemäſs Lex Alam. 9. 10. Die Lex Baiuwariorum XI 1. 2 hat für gewaltsamen Eintritt in curtem eine Buſse von drei, in domum von sechs Solidi. Vgl. Aethelbirht 17 und siehe oben S. 497. 16 Roth. 275. Zu got. freidjan, ahd. frîtan, fovere. Schade, WB S. 218. Grimm, WB IV 1, S. 123. Schmeller, WB I 830. 17 Lex Salica 22, 1.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/600>, abgerufen am 25.11.2024.