Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 130. Die Sonderfrieden. nur den Raum innerhalb der geweihten Kirchenthüren, sondern auchden umschlossenen Vorhof der Kirche und den Friedhof. Doch ist der Friede ausserhalb der Kirchenthüren nach manchen Quellen schwächer als in der Kirche selbst2. Als Verbrechen, die bei Verletzung des Kirchenfriedens strenger geahndet werden, heben die Quellen ins- besondere hervor: Todschlag, Verwundung und unerlaubten Beischlaf -- es sind solche, welche die kirchliche Auffassung als pollutio ecclesiae behandelt3 --, ausserdem aber u. a. Raub, Diebstahl und Handgemenge4. Während nach nordischen Rechten und nach jüngerem angelsächsischem Rechte der in der Kirche begangene Todschlag als unsühnbare Misse- that behandelt wird5, nach sächsischem Rechte der Todschläger das Leben verwirkt, scheint anderwärts der Bruch des Kirchenfriedens anfänglich milder bestraft worden zu sein. Die Lex Alamannorum setzt auf Todschlag nur eine Injurienbusse von 40 Solidi zu Gunsten der polluierten Kirche6. Diebstahl in der Kirche wird nach dem bairischen Volksrechte mit dreifacher Busse7, Raub nach der Lex Alamannorum mit einer der Kirche verfallenden Busse von 36 Solidi gesühnt8. Das Friesenrecht fordert bei Todschlag das neunfache Wergeld9. Aber erst ein Kapitular Ludwigs I. bedroht die vermessentliche Tötung mit dem Verluste des Lebens, provocierten Todschlag mit einer Injurien- busse von 600 Solidi, die an die Kirche gezahlt wird, und mit der Strafe des Königsbanns10. Während bei den Sachsen und bei den Nordgermanen der Kirchenfriede unmittelbar an den heidnischen Tempelfrieden angeknüpft wurde, stellt sich bei den Oberdeutschen und bei den Friesen und Franken die Befriedung der Kirche als ein 2 Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281. Anhang IV 13 bei Schmid, Ges. der Ags. S. 385. Vier Abstufungen (1. sanctuarium, 2. ecclesia, 3. porticus, 4. atrium vel cimiterium) macht das Sendrecht der Mainwenden. Dove, Z f. DR XIX 385. 3 Hinschius, Kirchenrecht IV 328. 4 Aethelred VIII 1, 4. Anhang IV 13 bei Schmid a. O. Leges Henrici primi 12, 3. Lex Alam. 4. 5. Lex Baiuw. IX 2. Cap. de part. Sax. c. 3. Lex Fris. 17, 2. Roth. 35 (scandalum in ecclesia). Cap. legg. add. 818/9, c. 1. 2, I 281. Cap. pro lege hab. Wormat. v. J. 829, c. 1, II 18. 5 Aethelred VIII 1. Vgl. Anhang IV 13 bei Schmid a. O. Leges Henrici primi 12, 3. Anders noch im kentischen Rechte. Vgl. Wihträd 2, Aethelbirht 5. 8. Schmid, Ges. der Ags. S. 635 unter mundbyrd. -- Wilda, Strafrecht S. 250. 6 Lex Alam. 4. Ebensoviel, vermuthlich die verdoppelte Busse des Haus- friedensbruches, verwirkte man nach langobardischem Rechte. Roth. 35. 7 Lex Baiuw. IX 2. 8 Lex Alam. 5. Vgl. Berl. SB. 1885, S. 155. 9 Lex Fris. 17, 2. 10 Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281.
§ 130. Die Sonderfrieden. nur den Raum innerhalb der geweihten Kirchenthüren, sondern auchden umschlossenen Vorhof der Kirche und den Friedhof. Doch ist der Friede auſserhalb der Kirchenthüren nach manchen Quellen schwächer als in der Kirche selbst2. Als Verbrechen, die bei Verletzung des Kirchenfriedens strenger geahndet werden, heben die Quellen ins- besondere hervor: Todschlag, Verwundung und unerlaubten Beischlaf — es sind solche, welche die kirchliche Auffassung als pollutio ecclesiae behandelt3 —, auſserdem aber u. a. Raub, Diebstahl und Handgemenge4. Während nach nordischen Rechten und nach jüngerem angelsächsischem Rechte der in der Kirche begangene Todschlag als unsühnbare Misse- that behandelt wird5, nach sächsischem Rechte der Todschläger das Leben verwirkt, scheint anderwärts der Bruch des Kirchenfriedens anfänglich milder bestraft worden zu sein. Die Lex Alamannorum setzt auf Todschlag nur eine Injurienbuſse von 40 Solidi zu Gunsten der polluierten Kirche6. Diebstahl in der Kirche wird nach dem bairischen Volksrechte mit dreifacher Buſse7, Raub nach der Lex Alamannorum mit einer der Kirche verfallenden Buſse von 36 Solidi gesühnt8. Das Friesenrecht fordert bei Todschlag das neunfache Wergeld9. Aber erst ein Kapitular Ludwigs I. bedroht die vermessentliche Tötung mit dem Verluste des Lebens, provocierten Todschlag mit einer Injurien- buſse von 600 Solidi, die an die Kirche gezahlt wird, und mit der Strafe des Königsbanns10. Während bei den Sachsen und bei den Nordgermanen der Kirchenfriede unmittelbar an den heidnischen Tempelfrieden angeknüpft wurde, stellt sich bei den Oberdeutschen und bei den Friesen und Franken die Befriedung der Kirche als ein 2 Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281. Anhang IV 13 bei Schmid, Ges. der Ags. S. 385. Vier Abstufungen (1. sanctuarium, 2. ecclesia, 3. porticus, 4. atrium vel cimiterium) macht das Sendrecht der Mainwenden. Dove, Z f. DR XIX 385. 3 Hinschius, Kirchenrecht IV 328. 4 Aethelred VIII 1, 4. Anhang IV 13 bei Schmid a. O. Leges Henrici primi 12, 3. Lex Alam. 4. 5. Lex Baiuw. IX 2. Cap. de part. Sax. c. 3. Lex Fris. 17, 2. Roth. 35 (scandalum in ecclesia). Cap. legg. add. 818/9, c. 1. 2, I 281. Cap. pro lege hab. Wormat. v. J. 829, c. 1, II 18. 5 Aethelred VIII 1. Vgl. Anhang IV 13 bei Schmid a. O. Leges Henrici primi 12, 3. Anders noch im kentischen Rechte. Vgl. Wihträd 2, Aethelbirht 5. 8. Schmid, Ges. der Ags. S. 635 unter mundbyrd. — Wilda, Strafrecht S. 250. 6 Lex Alam. 4. Ebensoviel, vermuthlich die verdoppelte Buſse des Haus- friedensbruches, verwirkte man nach langobardischem Rechte. Roth. 35. 7 Lex Baiuw. IX 2. 8 Lex Alam. 5. Vgl. Berl. SB. 1885, S. 155. 9 Lex Fris. 17, 2. 10 Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281.
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§ 130. Die Sonderfrieden.
nur den Raum innerhalb der geweihten Kirchenthüren, sondern auch
den umschlossenen Vorhof der Kirche und den Friedhof. Doch ist der
Friede auſserhalb der Kirchenthüren nach manchen Quellen schwächer
als in der Kirche selbst 2. Als Verbrechen, die bei Verletzung des
Kirchenfriedens strenger geahndet werden, heben die Quellen ins-
besondere hervor: Todschlag, Verwundung und unerlaubten Beischlaf
— es sind solche, welche die kirchliche Auffassung als pollutio ecclesiae
behandelt 3 —, auſserdem aber u. a. Raub, Diebstahl und Handgemenge 4.
Während nach nordischen Rechten und nach jüngerem angelsächsischem
Rechte der in der Kirche begangene Todschlag als unsühnbare Misse-
that behandelt wird 5, nach sächsischem Rechte der Todschläger das
Leben verwirkt, scheint anderwärts der Bruch des Kirchenfriedens
anfänglich milder bestraft worden zu sein. Die Lex Alamannorum setzt
auf Todschlag nur eine Injurienbuſse von 40 Solidi zu Gunsten der
polluierten Kirche 6. Diebstahl in der Kirche wird nach dem bairischen
Volksrechte mit dreifacher Buſse 7, Raub nach der Lex Alamannorum
mit einer der Kirche verfallenden Buſse von 36 Solidi gesühnt 8. Das
Friesenrecht fordert bei Todschlag das neunfache Wergeld 9. Aber
erst ein Kapitular Ludwigs I. bedroht die vermessentliche Tötung mit
dem Verluste des Lebens, provocierten Todschlag mit einer Injurien-
buſse von 600 Solidi, die an die Kirche gezahlt wird, und mit der
Strafe des Königsbanns 10. Während bei den Sachsen und bei den
Nordgermanen der Kirchenfriede unmittelbar an den heidnischen
Tempelfrieden angeknüpft wurde, stellt sich bei den Oberdeutschen
und bei den Friesen und Franken die Befriedung der Kirche als ein
2 Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281. Anhang IV 13 bei Schmid, Ges. der
Ags. S. 385. Vier Abstufungen (1. sanctuarium, 2. ecclesia, 3. porticus, 4. atrium
vel cimiterium) macht das Sendrecht der Mainwenden. Dove, Z f. DR XIX 385.
3 Hinschius, Kirchenrecht IV 328.
4 Aethelred VIII 1, 4. Anhang IV 13 bei Schmid a. O. Leges Henrici primi
12, 3. Lex Alam. 4. 5. Lex Baiuw. IX 2. Cap. de part. Sax. c. 3. Lex Fris.
17, 2. Roth. 35 (scandalum in ecclesia). Cap. legg. add. 818/9, c. 1. 2, I 281. Cap.
pro lege hab. Wormat. v. J. 829, c. 1, II 18.
5 Aethelred VIII 1. Vgl. Anhang IV 13 bei Schmid a. O. Leges Henrici primi
12, 3. Anders noch im kentischen Rechte. Vgl. Wihträd 2, Aethelbirht 5. 8.
Schmid, Ges. der Ags. S. 635 unter mundbyrd. — Wilda, Strafrecht S. 250.
6 Lex Alam. 4. Ebensoviel, vermuthlich die verdoppelte Buſse des Haus-
friedensbruches, verwirkte man nach langobardischem Rechte. Roth. 35.
7 Lex Baiuw. IX 2.
8 Lex Alam. 5. Vgl. Berl. SB. 1885, S. 155.
9 Lex Fris. 17, 2.
10 Cap. legg. add. 818/9, c. 1, I 281.
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